GPS-Genauigkeit - überall und jederzeit nutzbar?

von Dipl.-Ing.Uwe Petersen (Stand: Frühjahr 2003)*


GPS hat die Navigation, sei es zu Lande, in der Luft oder auf See, revolutioniert. Nicht zuletzt wegen seiner Präzision. Tatsache aber ist, dass der umfassende, kritiklose Glaube an die hohe Genauigkeit der Satelliten bereits zu Schiffbrüchen geführt hat. Anlass genug, sich Gedanken um die angeblich überragende Treffsicherheit des Systems zu machen...

*Autor  Dipl.-Ing.Uwe Petersen, vormals Mitarbeiter im BSH, ist ein Fachmann von hohen Graden. Uwe Petersen ist Freier Sachverständiger (BVFS) zu diesen Fragen (Tel: +49 (0)40 84 05 67 40 - Fax: +49 (0)40 84 05 67 41) und ehrenamtlicher Referent für "Elektronische Navigation" der Kreuzer-Abteilung des DSV.


Satelliten sind störanfällig, können fehlen.

Im Mai 2000 wurde bei GPS die für zivile Nutzer künstlich vorgenommene Signalverschlechterung abgeschaltet. Es steht damit ein Navigationssystem mit sehr kleinen Fehlern zur Verfügung. Die sogenannte Integrität von GPS hat sich leider nicht verbessert, d.h. die Sicherheit vor unentdeckten Mängeln der Satellitensignale hat sich nicht erhöht.

Seit Oktober 2001 liegen jetzt auch für den GPS Standard Positioning Service genaue Einzelheiten der Leistungen vor, die zivile Anwender kostenfrei nutzen können und zu deren Einhaltung sich die U.S. Regierung verpflichtet. Selbstverständlich wird wie bisher eine Gewährleistung nur für die Satelliten, ihre Bahnen und ihre Signale übernommen. Sowohl die Einflüsse auf das Signal während seines Weges zum Nutzer als auch die Fehlereinflüsse bei der Verwertung der Signale (Antenne, Art und Einbauort, Signal-Abschattungen und -Reflektionen,  Empfänger, Art, Software) werden ausdrücklich ausgeklammert; sie können schließlich in keiner Form seitens der U.S. Regierung beeinflusst werden.

Danach werden mit 24 Satelliten (davon höchstens 2 außer Betrieb) statistisch eingehalten:

a) ein PDOP-Wert höchstens 6 in mindestens 98% aller Fälle über jeden 24 Stundenabschnitt. Zur Erinnerung: der DOP-Wert (HDOP für horizontale Position, PDOP für räumliche Position) ist ein Verschlechterungsfaktor (je kleiner desto besser), abhängig von der augenblicklichen geometrischen Anordnung der benutzten GPS-Satelliten (vergleichbar der Anordnung der für eine astronomische Positionsbestimmung genutzten Gestirne).

b) ein horizontaler Positionsfehler von höchstens ±13 Meter (vertikaler Fehler ±36 m) in mindesten 95% aller Fälle, gemittelt über einen beliebigen 24 Stundenabschnitt und bei Nutzung aller mehr als 5° über dem Horizont befindlichen Satelliten (all-in-view).

Die angegebene Wahrscheinlichkeit von 95% erfordert zusätzlich eine Aussage über die restlichen 5%. Hierfür werden die Werte nur indirekt angegeben; gemittelt über ein Jahr soll in 99,79% aller Fälle der Fehler kleiner als das sechsfache (d.h. maximal ±78 m, horizontal) bleiben.

Auch hinsichtlich des Verhaltens bei Leistungseinschränkungen des Systems gibt es Festlegungen, geplante Ereignisse (z.B. Wartungsarbeiten) werden mindestens 48 Stunden im voraus bekanntgegeben; ungeplante Ereignisse werden nach ihrem Auftreten so schnell wie möglich veröffentlicht. Schließlich hängt die Vertrauenswürdigkeit einer Positionsbestimmung entschieden von den Informationen über den aktuellen Zustand des genutzten Verfahrens ab.

Fehlerquellen auf der Empfängerseite

Nachdem damit die Leistungsdaten des Navigationssystems grob beschrieben sind, gilt es das Augenmerk auf die Fehlerquellen bei der Positionsermittlung und der anschließenden Umsetzung in eine Kartenposition zu richten.

Bei den heute benutzten GPS-Anlagen kann man davon ausgehen, daß sie noch während der Zeit mit der gezielten Verschlechterung des GPS-Signals (SA bis Mai 2000) entwickelt wurden.  Wegen des damaligen großen Systemfehlers (±100 m) brachte es nichts, alle technischen Möglichkeiten zur Minderung von Positionsfehlern auszuschöpfen. Dies dürfte sich bei den jetzt verkauften Anlagen langsam ändern. Im wesentlichen sind drei Software-Lösungen für die Positionsermittlung vorhanden:

1) Es wird lediglich das Minimum von vier Satelliten genutzt und zwar die geometrisch am günstigsten stehenden, d.h. mit denen sich der kleinste PDOP- bzw. HDOP-Wert erzielen lässt. (Anmerkung: Für die Standortbestimmung werden drei Satelliten benötigt - siehe obige Abbildung aus "Navigation - nur zum Ankommen von Schenk - und ein weiterer Satellit, der die atomuhrgenaue Zeit "liefert". also mindestens vier Satelliten für einen dreidimensionalen Schiffsort.)

2) Es werden alle sichtbaren Satelliten  herangezogen, jeder Satellit ergibt eine Standlinie und aus ihrer Überzahl wird der wahrscheinlichste Standort ermittelt, vergleichbar der  astronomischen Ortsbestimmung mit mehr als dem Minimum von zwei Gestirnen.

3) Die hochwertigste Lösung nutzt ebenfalls alle sichtbaren Satelliten. Es werden aber nicht einzelne Standlinien bewertet und gemittelt, sondern es werden jeweils quasi drei Standlinie kombiniert. Sie ergeben ein Fehlerdreieck und einen fiktiven Standort.  

Bei 8 bis 10 sichtbaren Satelliten ist eine Vielzahl von Kombinationen möglich, jede führt zu einem fiktiven Standort. Anhand dieser Standortvielzahl kann erkannt werden, ob eventuell eines der genutzten Satellitensignale Mängel aufweist. Es wird dann bei der Ermittlung des endgültigen Standortes, der dem Nutzer angezeigt wird, nicht mehr verwandt. Dieses selbstprüfende Verfahren hat die Bezeichnung Receiver Autonomous Integrity Monitoring (RAIM).

Bei 28 Satelliten, die sich seit längerer Zeit in Betrieb befinden, lässt sich eine vorhandene RAIM-Funktion sehr erfolgreich anwenden.

Wie alle "Radiowellen" können auch GPS-Signale gestört werden.

Als Störungsquellen für die GPS-Navigation sind zufällige und gezielte Ursachen vorhanden. Als zufällig sind zur Zeit die Auswirkungen der verstärkten Sonnenaktivität einzuordnen. Es war in Hamburg während der Nacht vom 29./30. Sept. 2001 ein Positionsfehler von ca. 40 m statt 13 m zu beobachten. Derartige Auswirkungen lassen sich nicht exakt vorhersagen. Sie sind ortsabhängig und sehr unterschiedlich in ihrer Dauer und Auswirkung, die bis zum zeitweiligen Totalausfall von GPS führen kann. Weitere zufällige Störungsquellen sind andere Funkdienste, wie Oberwellen von Fernsehsendern, Betriebsfunk auf Baustellen oder Flughäfen, Radaranlagen der Luftverkehrskontrolle, Datenfunk von Funkamateuren. Besonders betroffen hiervon sind ältere GPS-Anlagen.

Bei den gezielten Beeinflussungen von GPS, vor denen beispielsweise am 25.Sept. 2001 das Bundesministerium für Bildung und Forschung über zahlreiche Tageszeitungen warnte, sind zwei Quellen zu unterscheiden.

1) Der Systembetreiber hat sich auch weiterhin das Recht vorbehalten, bei Beeinträchtigung der Sicherheit der U.S.A. den Nutzwert von GPS für nichtmilitärische Anwender zu vermindern. Es ist aber kaum noch mit einer global wirksamen Manipulation der Signale zu rechnen. Die Beschränkungen werden sich auf die jeweilige Konfliktregion beschränken.

2) Sehr viel gefährlicher ist die mit sehr geringen Kenntnissen und technischen Mitteln mögliche Verwendbarkeit von GPS regional zu unterbinden, so durch Hacker oder Terroristen. Die Störtechniken sind gut bekannt, entsprechende Störeinrichtungen sind auf dem Markt und können auch leicht gebaut werden. Mit höherem Aufwand ist es auch möglich, die Standortermittlung regional zu verfälschen. Auf dieses Gefahrenpotential wird in der am 29. Aug. 2001 vorgelegten, vom U.S. Verkehrsministerium vergebenen Studie über die Verwundbarkeit der auf GPS gestützten Transport-Infrastruktur abermals sehr eindringlich hingewiesen.

Gegen diese Störmöglichkeiten sind die militärische Nutzer gewappnet nicht aber die zivilen.   

Sieht man von den vorstehend geschilderten Gefahren für die Genauigkeit eines aus GPS ermittelten Standort einmal ab, so kann man z.Z. mit den verfügbaren 28 Satelliten PDOP-Werte sehr viel geringer als 6 erwarten.

Die Folge sind Positionsfehler von ±10 m und weniger. 

Seekarten sind häufige Fehlerursachen

Bei der Übertragung in eine Karte muss man sich Gedanken darüber machen, ob die Karte derartige Genauigkeiten bei navigatorischen Entscheidungen überhaupt unterstützen kann. Kann man beispielsweise unbeschadet bis auf 15 m an eine eingezeichnete Gefahrenstelle herangehen? Hierbei ist nicht an die maßstabsbedingten Ungenauigkeiten gedacht.

Als erstes müssen das Bezugssystem der Koordinatenangabe der GPS-Anlage mit dem der Seekarte übereinstimmen, z.B. beides WGS 84 (World Geodetic System 1984). Man spricht hier auch vom Kartendatum, das nichts mit dem Kalenderdatum zutun hat. Das GPS-System arbeitet grundsätzlich mit WGS 84. Alle Anlagen enthalten aber sogenannte Transformations-Algorithmen, mit ihnen kann die Anlage eine WGS 84 - Position auf Wunsch in ein anderes Datum umrechnen. Dies ist unabdingbar, wenn eine Seekarte mit einem anderem als dem WGS 84 - Datum benutzt wird. In europäischen Gewässern ist dies entweder das Europäische Datum 1950 (ED 50) oder das Ordonance Survey of Great Britain 1936 - Datum (OSGB 1936).

Wenn die GPS-WGS 84 - Position nicht in das Datum der benutzten Karte umgerechnet wird, ergibt diese Nachlässigkeit schnell einen zusätzlichen Fehler von 100 m bis 750 m (Tokio-Datum, jap. Seegebiete). Leider ist nicht bei allen Seekarten das Bezugsystem bekannt. Von den ca. 7000 Karten und Plänen, herausgegeben vom Britischen Hydrographischen Dienst, kennt man von der Hälfte das Bezugssystem nicht. Es ist solange ohne Bedeutung, wie die Karten nur für die terrestrische Navigation benutzt werden. Für diese Karten lässt sich aber nicht angeben, welcher zusätzliche Positionsfehler beim Verwenden einer WGS 84 - Position auftritt. Dieser Zustand wird noch lange erhalten bleiben, auch wenn international schon vor Jahren vereinbart wurde, alle Karten in WGS 84 - Datum zu liefern. Es fehlt für die dazu erforderliche Neuvermessung aller betroffenen Seegebiete - sowohl das Geld als auch die Vermessungskapazität. So waren für eine notwendige, neue Vermessung der norwegischen Seegebiete nach WGS, einschließlich der von der kommerziellen Schiffahrt benutzten Schärenwege, zehn Jahre angesetzt worden.

Hilfe bei Karten ohne Bezugsystem

Wenn Karten ohne Angabe eines Bezugssystems verwandt werden müssen, lässt sich der unbekannte Fehler jedoch wie folgt minimieren: für jedes benutzte Kartenblatt wird ein terrestrisch ermittelter Standort und dieser mit der gleichzeitig von der GPS-Anlage bestimmten WGS-84 -Position verglichen und die Ablage als Korrektur an jede zukünftige WGS-84 - Position angebracht. Derartige Korrekturen können teilweise direkt in die GPS-Anlage eingegeben und dann automatisch berücksichtigt werden. Dieses Verfahren muss aber unbedingt für jede benutzte Karte wiederholt werden.

Seekarten können "falsch" sein

Ein weiteres Problem der Seekarten ist das Alter der zugrundeliegenden Vermessungsergebnisse, die teilweise 100 Jahre zurückliegen. Seit es Strandungen auf Untiefen gab, die eigentlich laut Seekarte einige Meilen entfernt hätten liegen sollen, wird in vielen Karten der zeitliche Ursprung der Vermessung angegeben. Es gibt auch für europäische Seegebiete Karten, in denen Vermessungsergebnisse verwandt werden mussten, die mehrere Jahrzehnte auseinanderliegen. Aus der zeitlichen Zuordnung lässt sich abschätzen, mit welcher Genauigkeit damals überhaupt vermessen werden konnte, die Unsicherheit war teilweise erheblich größer als der jetzige GPS-Fehler von ±13 m. Es ist also ein Vielfaches des GPS-Fehlers als Sicherheitsabstand zu Über- und Unterwassergefahren zu halten.

Vorsicht bei elektronischen Seekarten!

Die Verwendung der angebotenen Bildschirmkarten mit direkter Einblendung der laufenden Schiffsposition darf nicht dazu verführen, das vorstehend geschilderte Fehlermöglichkeiten unberücksichtigt zu lassen. Schließlich beruhen diese Karten, unabhängig davon ob es Raster- oder Vektorkarten sind, auf den gleichen Grundlagen wie die Papierkarten. Lediglich für die amtlichen Vektorkarten (ECDIS) gilt entsprechend internationaler Vorschrift, dass sie WGS-84-Datum aufweisen müssen. Bisher sind sie jedoch nur für sehr wenige Seegebiete verfügbar. Neben den amtlichen Karten der Hydrographischen Dienste, z.B. ECDIS und ARCS, gibt es eine Vielzahl Karten privater Anbieter, sowohl Raster- als auch Vektorkarten. Auch die privaten Hersteller bemühen sich, ihre Karten in einem einheitlichen Bezugssystem (WGS 84) zu liefern. Damit wären zwar identische Bezugssysteme für Karte und GPS - Position leicht zu gewährleisten. Aber auch hier gilt: Es lässt sich weder ein nicht bekanntes Bezugssystem in WGS 84 umrechnen noch werden alte Vermessungsgrundlagen dadurch aktueller, dass die Karte auf dem Bildschirm dargestellt wird. Der rechtliche Aspekt, wann eine Bildschirmkarte eine amtliche Papierseekarte ersetzen kann, soll hier nicht behandelt werden.

Schlussfolgerung

Jeder GPS-Nutzer sollte sich einerseits laufend Gedanken machen über die Funktionsfähigkeit des Navigationssystems und die Vertrauenswürdigkeit der ermittelten GPS-Position. Die bisher nicht gekannten kleinen Navigationsfehler erfordern ein ständiges Überdenken, wie weit sie überhaupt mit dem benutzten Kartenmaterial verantwortlich nutzbar sind. 

Andererseits ist bei der verwandten Seekarte immer als erstes das Kartendatum zu ermitteln, und es ist zu kontrollieren, ob Angaben über das Alter der Vermessungsgrundlage vorhanden sind.

Nur so ist eine sichere Navigation mit dem hervorragenden Global Positioning System möglich.

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