Die Arafura-See ist ein friedliches Meer. So ruhig
ist sie, dass die dortigen Flauten berüchtigt sind. In den meisten
Reiseberichten findet sich deshalb die Feststellung, dass die meiste Zeit motort
werden musste. Darauf hatten wir uns eingestellt und zusätzliche 10 Kanister
voll Diesel mitgenommen...
Juli 2004 -
Über den Indic zum fünften Erdteil
Es kam ganz anders. Der Südostpassat, der uns aus
der Torres-Strasse hinausgeblasen hatte, schlief keineswegs - wie erwartet -
ein. Einen Tick zahmer wurde er, aus den 25 Knoten wurden schließlich stetige
15 Knoten. Nun hatten wir wirklich keine Entschuldigung ("Böen und
so") mehr dafür, von unserer Genua nicht auf eine andere Besegelung
umzuschwenken. Groß und Genua kamen nicht in Frage, weil der Passat genau
achterlich einkam und somit - das kennt jeder Langfahrtsegler - schlagartig die
Segelfläche halbiert wird. Wenn das Groß mit Wind gefüllt ist, dann
schlackert die Genua nur noch. Häufig bekommt man da zu hören, dass eine
"Kursänderung von ein paar Grad" beide Segel zum Stehen und damit zum
Ziehen bringt. Das ist unrichtig, denn meist wird eine Kursänderung von 30 Grad
vonnöten sein. Mindestens, denn darin sind noch nicht einmal die vom
(automatischen) Rudergänger verursachten Kursschwankungen berücksichtigt.
Kurzum, die einzige vernünftige Lösung für diesen Wind war der Spinnaker.
Für was hatten wir einen neuen Parasailor an Bord?
Meine
Lektion mit den blutigen Fingern hatte ich gelernt, und so führte ich beim
Setzen (und später beim Bergen), die endlose Holeleine für den Bergeschlauch
durch einen Block. Ab diesem Zeitpunkt gibts eigentlich nicht mehr viel vom
Segeln zu berichten. Denn der Parasailor stand ab diesem Zeitpunkt - sozusagen
unbeaufsichtigt - fünf Tage lang, an denen er uns feine Etmale zwischen 120 und
150 Meilen einfuhr.
Nur 120 Meilen mit einem Katamaran? Unter
Spinnaker? So sehen die Realitäten eben beim Fahrtensegeln aus. Unsere THALASSA
kann schon auch mal 14 Knoten laufen oder ein Etmal von über 200 Meilen
schaffen, aber da muss eben alles zusammenpassen, Windstärke, Windrichtung und
Seegangshöhe. Mit dem Segelalltag aber hat das nichts zu tun. Es wäre so, als
wenn man die Qualität eines Autos ausschließlich nach der
Spitzengeschwindigkeit beurteilen würde. Wer macht das schon?
Und
außerdem: Die genannten Etmale von über hundert haben wir ohnehin vor allem
der Tatsache zu verdanken, dass wir auf zwei Kufen unterwegs waren. Denn bei
diesen leichten Winden - sie gingen manchmal auf unter 10 Knoten zurück - wäre
ein Spinnaker auf einer Einrumpfyacht nie mehr gestanden. Denn die Mastspitze
hätte beim Torkeln eines Einrümpfers durch den schaukelnden Seegang jedes
Segel zum Schlagen gebracht. Vielleicht war die Stabilität auch der
Konstruktion des Parasailors zu verdanken, der ja nicht nur Vortrieb wie ein
gewöhnlicher Spinnaker entwickelt, sondern auch nennenswerten Auftrieb. Kurzum,
er stand wie eine Eins - tagelang.
Ein
Segel, dem man vertrauen kann! Aber Kontrolle ist ebenfalls notwendig. Wenn bei
mir ein Segel länger als einen Tag steht, dann wird es täglich jeweils genau
auf Schamfilen und ähnliche Gefahren überprüft. Und so wurde der Parasailor
jeden Tag eingeholt, um Schoten und Fall zu kontrollieren.
Hierbei machte ich keine schöne Entdeckung:
Seit mehreren Jahren hatte ich einen luxuriösen, wirklich teuren
Patentschäkel einer namhaften Firma an Bord, den ich, vielleicht aus Geiz, nie
eingesetzt hatte. Für den Parasailor hatte ich ihn schnell eingeschäkelt, weil
ich nichts kleineres zur Hand hatte.
Beinahe
hätte ich die verräterische Stelle übersehen, aber dann bedurfte es keiner
Lupe, um den Riss auszumachen der hier durchs rostige "Nirosta"-Material
ging! Dabei hatte der Schäkel nun wirklich nichts zu leisten gehabt. Mit den
maximal 20 Knoten Wind wäre sicher auch ein viel kleinerer Schäkel fertig
geworden. Also von Überlastung kann gar keine Rede sein. Gut, dass der Riss
noch rechtzeitig entdeckt wurde! Nein, es geht hier gar nicht darum, dass
eventuell der Parasailor davongeflogen wäre und das Bergen unter den beiden
Rümpfen für eine schwache Mannschaft in der Ozeandünung eine stundenlange
Arbeit darstellt, von den dadurch bedingten Schäden an den Segeln ganz zu
schweigen. Mich beunruhigt der Gedanke, dass man leicht so einen Schäkel vertrauensvoll auch dann verwendet, wenn ein Mann in den Mast gezogen wird.
Viel mehr ist über die problemlose
Überquerung der Arafura-See nicht zu berichten. So müsste Segeln immer
sein! Ausreichendes Vorwärtskommen bei ruhigen Schiffsbewegungen sorgen für
einen Tagesablauf wie in einem Ferienhaus. Carla beschäftigte sich stundenlang
mit mehreren Kochexperimenten. Zum ersten Mal musste unser (Gas-)Bratrohr
beweisen, dass es auch einen passablen Kuchen zustande bringt. 180 Grad schrieb
das Kochbuch vor. Was tun, wenn der sauteure Yacht-Ofen nicht mal über ein
Thermometer verfügt? Für Abhilfe sorgte die Werkzeugkiste, in der ein patentes
Fernthermometer (Lasertechnik - gibt es in der Metro) lag. Den Deckel des Ofens
für eine Sekunde kurz geöffnet und schon gab das Display des Temperaturmessers
Auskunft:"216°C".
Als wir dann an der Ostecke von Timor nach
Steuerbord in die indonesische Inselwelt abbogen, ließ der Passat nach. Aber
immer noch lagen die Etmale bei knappen 100 Seemeilen. Die Alternative wäre die
Maschine gewesen, aber die bringt ebenfalls nur 100 Meilen, wenn man auf
ökonomische Dauerfahrt stellt - eine Maschine mit 2200 Umdrehungen. Die grobe
Formel "eine Seemeile für einen Liter Diesel" gilt dann auch für
unsere große THALASSA. Zu den 750 Litern in den Tanks führten wir noch runde
350 Liter in Kanister mit, macht zusammen 1100 Seemeilen unter Maschine. Wir
machten uns schon lustig über die Kanister an Deck, weil wir uns für die
einzigen hielten, die teuren Diesel aus PNG nach Indonesien mit den sagenhaft
niedrigen Spritpreisen bringen würden.
Wie
ein Panorama zog die Indonesische Inselwelt an uns vorbei. Zuerst die Molukken,
die Gewürzinseln. Klingt malerisch. Nicht aber, wenn man die Geschichte dieser
Inseln denkt. Schon um 1620 waren sie unter holländischer Herrschaft und dem
damaligen (holländischen) Gouverneur war es durch seine blutrünstige
Verwaltung tatsächlich "gelungen", die Einwohnerschaft von 16000 auf
1500 zu dezimieren.
Die nächste Sehenswürdigkeit bei unserer Sightseeing-Tour war ein mitten aus dem Wasser aufragender aktiver Vulkan, den
wir aus einer Entfernung von 15 Meilen kaum gegen das gleißende Sonnenlicht
ausmachen konnten.
Ein Vulkan ist in diesem Gebiet der Erde nichts
besonderes, nicht mehr als eine Art Landesspezialität. Man schätzt deren Zahl
in Indonesien auf zwei- bis dreihundert, aktive wohlgemerkt. Ein großer
Prozentsatz von ihnen liegt unter Wasser. Aber diese stellen, wie das
Seehandbuch beruhigend vermerkt, keine Gefahr für die Schifffahrt dar. Es sei
denn, sie stoßen sogenannte Tsunamis aus. Diese hätten es allerdings in sich.
Bis zu 40 Meter hohe Wellen können sie erzeugen mit einem Schwell, der noch
daheim, im Englischen Kanal zu spüren und einem Donnerknall, der noch in 3000
Meilen Entfernung zu hören ist.
Während die Sonne höher und höher stieg,
konnten wir sogar eine dünne Rauchsäule auf "unserem" Vulkan ausmachen. Sie
zeigte senkrecht nach oben, denn der Wind war eingeschlafen.
Schon seit ein paar Tagen dieselte die THALASSA
nunmehr dahin und wir sind sicher, dass bis zur Ankunft in Labuhang Bajo auf
Flores (8°29' S und 119°52'E) die hässlichen Kanister vom Deck
verschwunden sind. Viereinhalb Knoten unter (einer) Maschine ist so gemächlich,
dass am nächsten Tag die Sonne blutrot immer noch hinter dem Vulkan Komba
aufging.
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