THALASSA im Indischen Ozean


Es ist nicht so, dass Indonesien als Fahrtenseglerrevier gerade erst entdeckt wird. Es gibt zahlreiche Berichte von Blauwasseryachten, die dieses Revier durchwandert haben. Jedoch bringen die gigantischen Ausmaße dieser Inselwelt mit sich, dass sich die paar Dutzend Yachten, die dort rumsegeln, im Inselgewirr verlieren.

  August 2004 - Durch die Indonesische Inselwelt

Einer der Reize beim Blauwassersegeln ist das Unbekannte, das vor einem liegt. Man quält sich (meistens) tage- oder wochenlang über einen Ozean, um dann in eine völlig fremde Welt abzutauchen. Eine andere, oft fremde, Sprache erwartet einen, Gastfreundschaft der Menschen auf der anderen Seite des Ozeans (oder auch nicht!) und Reviereigenheiten, mit denen man sich erst mal seglerisch arrangieren muss.

Die pessimistischen Windvorhersagen über die Timorsee hatten uns auf den letzten paar hundert Meilen doch noch eingeholt. Wie Öl lag häufig die Flores-Sea, das Gewässer im Norden der indonesischen Insel Flores, vor den Bugen der THALASSA, Aus den Heften der SSCA (Seven Seas Cruising Association), aber auch aus Berichten von Trans-Ocan-Seglern hatte Carla eine Reihe von Plätzen rausgesucht, die wir anlaufen wollten. Diese Mitteilungen sind für den Blauwassersegler von unschätzbarem Wert, weil es halt Erfahrungen von anderen Langfahrtseglern sind, die die gleichen Probleme und Fragen hatten wie wir. Daneben gibt es schon (Amerikanische und Australische) Sportbootführer, die allerdings mit unseren heimischen Führern  nicht vergleichbar sind. Denn zu groß ist das Gebiet, das sie abdecken (müssen). Wieviel Details kann einem ein Führer "Indischer Ozean" denn schon geben, wenn ihm ein Gebiet von der Fläche Europa mal drei zugrunde liegt? Daneben haben die "Pilots" (Indonesia Pilot Volume 2) für die Berufsschiffahrt noch lange nicht auf Langfahrtyachten ausgedient. Deren Details können allerdings oft nicht so ohne weiteres für unsere Boote übernommen werden. Denn was hilft einem der Hinweis: "Gute Ankermöglichkeiten auf 64 Meter Tiefe..."?

Unser Ziel hieß Labuan Bajo, eine "Stadt" mit vielleicht 2000 Einwohnern. In Neuguinea hatten wir uns - recht unkompliziert - ein Visum für Indonesien und das sogenannte CAIT besorgt - und teuer bezahlt. Letzteres Papier erlaubt einer Yacht, in indonesischen Gewässern zu segeln. Wie eine Kleinstadt in Indonesien aussieht? Davon hatten wir keine Ahnung und waren entsprechend gespannt. Aber es kam anders.

Die Nacht vor unserem Landfall brachte noch einige Aufregungen. Obwohl wir kaum Schiffe sahen, führten wir schön brav die vorgeschriebenen Lichter. Da der Stromverbrauch unter Maschine keine Rolle spielte, lief das Radar mit. Der Bildschirm zeigte aber nur Leere um uns herum. Plötzlich hatten wir einen Beep. Und das in eineinhalb Meilen Entfernung. Nachdem er sich nicht bequemte, wieder zu verschwinden, musste es also ein Objekt voraus sein. Kein Licht zu sehen! Keine Antwort auf Kanal 16! Das Echo kam immer näher und schließlich konnte ich im Mondlicht ein vielleicht 15 Meter langes Schiff ausmachen, das knapp neben uns hertuckerte. Ohne Licht! Und sehr sehr langsam schließlich achteraus zurückfiel. Lektion eins zu indonesischen Schiffen: Beleuchtung muss nicht sein!

Nicht gerade beruhigend, wenn man an die vielen Stories mit den Seeräubern denkt.

Am späten Nachmittag wurde uns klar, dass wir bei Tageslicht die "Stadt" Labuan Bajo nicht mehr erreichen würden. Das wollte ich vermeiden. Denn wie zuverlässig das GPS in Indonesien funktionieren würde, das wussten wir noch nicht. Um es genauer zu sagen, das GPS würde schon so auf 30 Meter genau sein. Aber die Karten?

Also entschieden wir uns für ein kleines Dorf namens Bari. Die Ansteuerung zeigte uns, dass es richtig war, nicht unbedingt den ersten Landfall bei Nacht zu versuchen. Die GPS-Koordinaten von einem geeigneten Ankerplatz vor dem Dorf hatten wir aus den erwähnten Berichten. Und eventuelle Ungenauigkeiten einer Seekarte gehen ja in die GPS-Koordinaten, wenn sie am Ankerplatz ausgelesen worden sind, nicht ein.

Diese Koordinaten hätten uns geradewegs aufs Riff geführt. Der Grund: Nicht etwa, dass unsere Vorgänger die falschen Koordinaten angegeben hatten. Aber: Die Angaben stammten aus einem Jahr, in dem das GPS-System mit der "künstlichen Verschlechterung für den zivilen Gebrauch" versehen war, was in der Praxis schon bedeutet, dass man mit Ungenauigkeiten von mehreren hundert Metern rechnen muss.

Ohne jetzt die Ansteuerung zu dramatisieren zu wollen, aber überraschend war es schon, als die Tiefe am Echolot satte 22 Meter betrug. Und wenige Sekunden danach nur noch 2 Meter und sich vorne unterm Bug der bräunliche Grund auch gegen die tiefstehende Sonne abhob. Dabei waren wir noch ein paar hundert Meter in der riesigen Bucht vom Ufer entfernt, das mit Fischerbooten geradezu gespickt war. Lektion zwei: Indonesische Fischerboote können überall auf den Strand gezogen werden.

Kaum war der Anker gefallen - die genaue GPS-Position lag übrigens runde 350 Meter neben der Kartenposition - näherten sich ein paar Auslegerkanus mit lachenden Kindern und Burschen. Einer sprach ein paar Brocken Englisch: "I invite You in my house!". Mit diesen Worten überreichte er uns schüchtern zwei frische Trink-Kokosnüsse. Andere Kanus wurden um die THALASSA gerudert und die Kinder darin wisperten schüchtern ihre Kommentare über die fremden Besucher.

So groß die Verlockung auch war, der Einladung nachzukommen, sosehr hatten wir das Bedürfnis, "richtig" in Indonesien anzukommen, wieder mal eine Stadt zu sehen. Und so lichteten wir schon beim Tagesgrauen den Anker, um die restlichen 30 Meilen runterzumotoren. Die Ansteuerung von Labuan Bajo war nicht der Rede wert. Hunderte von Einheimischen-Booten lagen da auf der riesigen Reede herum und ich stellte sehr schnell fest. dass sie aus unserer Sicht(!) ziemlich einfach ausgerüstet waren. Kein einziges benutzte eine Kette zum Ankern, und die Anker selbst waren so dünn, dass man sie ohne Übertreibung als "drahtig" bezeichnen könnte. Und vor allem: Kein einziges Boot verfügte über Strom an Bord. Und so lernte ich Lektion 3: Kein indonesisches Fischerboot ist nachts beleuchtet.

Viele hundert Boote in Labuan Bajo. Aber nur eine Yacht - die THALASSA. wir wissen nicht, wohin? Langsam motoren wir an einem 15 Meter langen indonesichen Motorsegler vorbei und schreien rüber, wo man hier ankern könne. Die Antwort von einem Typen, der sich im Liegestuhl räkelt: "Kannst mit mir auch deutsch reden, Landsmann!"

Ich wiederhole meine Frage, er räkelt sich immer noch: "Weiß ich auch nicht!" Wir halten vergeblich Ausschau nach einem Platz, wo man mit dem Beiboot landen könnte - wichtig bei zwei Meter Tidenhub. Schließlich lassen wir auf 15 Meter Tiefe den Anker fallen. Mit dem Beiboot finden wir schließlich die öffentliche "Pier" zum Anlanden - nichts anderes als ein paar Dutzend Treibstofffässer, ein paar grob behauene Bretter drübergelegt.

Es ist schwierig, zwischen den einheimischen Booten den notwendigen Meter Platz an der "Pier" zu finden. Da werden Lastensegler entladen von Reihen verschwitzter Männern, die über ihrem gebeugten Oberkörper staubige Zementsäcke in Kolonnen entladen. Aber sofort ist eine nackte Hand da, um Carla aus dem Beiboot zu helfen. Gefolgt von einem herzhaften Lachen. Wenn ich da an die hasserfüllten Gesichter in der Münchner S-Bahn im Winter auf dem Weg zur Arbeit denke...

Was uns von Anfang an verzaubert, ist die nie erlebte Freundlichkeit der Menschen hier. Dabei bin ich mir bewusst, dass der erste Eindruck oft vorschnell ist. Aber: Wenn man das Leben in diesem indonesischen Dorf so sieht, könnte man leicht zu dem Schluss kommen, dass Europa krank ist: Alle arbeiten hier, wuseln und es gibt alles zu kaufen. Jedenfalls für die  Grundbedürfnisse: Keine Riesensupermärkte, sondern nur kleine Läden, in denen offensichtlich die ganze Familie am Arbeiten ist. Viele Motorräder! Und viele Kinder in schmucken Schuluniformen!

Und dann die Preise - ich rechne es gleich um, weil der Kurs zum Euro 1 zu 10000 ist, und da drängen sich sogar mir Euroangaben auf. Eine Strecke mit einem kleinen Massentaxi (für maximal 8 Personen) durch die Stadt 10 Cent. Im sehr guten Restaurant - auch nach Europäischem Standard - hab ich allerdings für ein Beefsteak, das Teuerste an Essen, 20 Euro errechnet, was ich doch recht happig fand. Aber ich hab mich um eine Zehnerstelle vertan, es waren nur 2 Euro. Nasi Goreng, so viel, dass man es nicht aufessen kann, kostet einen Euro.

Als ich in der Bank 2 Millionen geholt hab, hab ich aus der Geldzählmaschine lauter druckfrische 50-Tausender bekommen. So glatt, dass ich es nicht nachzählen konnte, waren die Scheine. Und ich hab 6 Unterschriften leisten müssen, dass ich das Geld erhalten habe.

Gewöhnungsbedürftig hier: Die Leute sind wahnsinnig nett, aber auch unwahrscheinlich neugierig. Eine alte Frau neben uns im Massentaxi konnte es sich nicht verkneifen, unsere Plastiktüte mit spitzen Fingern aufzumachen, um nachzuschauen, was wir alles gekauft habe.

Darüber macht man sich unter diesen Umständen natürlich Gedanken: Was ich nicht kapier an unseren Wirtschaftssystemen ist die Tatsache, dass in Deutschland Taxis 20(!)mal so teuer sind wie hier. Doppelt so teuer ging ja, aber gleiche Leistung 20 mal, da stimmt doch was nicht. Bei uns oder hier!!

Die Leute hier sind sauber gekleidet. Die einzigen, die kurze Hosen tragen, sind die wenigen Touristen. Ich hab lange angehabt, weil wir zum Hafenkapitän mussten. Die Beamten waren gerade beim Tischtennisspielen. Die Platte war in der Eingangshalle aufgebaut. Lustig, die Damen und Herren in Uniform am Tisch rumflitzen zu sehen!

Dan war da noch die Ungewissheit mit Malaria? Da wir so spontan unsere Reisepläne geändert hatten - Südsee oder Asien? - waren wir auch nicht auf  Prophylaxen gegen diese immer noch sehr gefürchtete Tropenkrankheit vorbereitet. Ungefähr 10 Leute in der Stadt versicherten: Keine Malaria hier!

Um ganz sicher zu gehen, fuhren wir mit dem Taxi ins Krankenhaus. Mittags - man stelle sich das mal in Deutschland vor!  Ich möchte einen Arzt sprechen. Doktor is busy! "Ich hab nur ein kurze Frage!"

Man hörte, wie das Tischtennisspiel - auch hier - unterbrochen wurde. Der Doktor lachte sich halbtot: "Was hier keine Malaria? Hier ist das Zentrum!" Wir mussten in sein Haus kommen, weil er seine privaten Tabletten uns geben wolle. Die weißen für die Prophylaxe, sofort! Die silbernen, dann zur Behandlung????

Zahlen? Nein das kostet nichts. Ich fingerte aus dem Geldbeutel ein paar Scheine, die ich von der Bank erhalten hatte. Arzt und Schwester protestierten lautstark, fast schreiend. "Ist fürs Krankenhaus!" Beide konnten sich vor Begeisterung kaum halten. Als ich später nachzählte, war mir das Ganze ziemlich peinlich, ich hatte versehentlich gerade mal 15 Euro gegeben.

Der Doktor ließ uns von seinem Chauffeur und Auto zurückbringen.

Touristen sind kaum hier. Seit der Balibombe ist deren Zahl von 30000 auf 13000 geschrumpft. Aber solche sind immer noch da: Ein langhaariger alternder Hippy (goldener Ohrring, krauses Haar zum ausgedünnten Zopf geflochten und Nickelbrille) machte seinen Unwillen über die Leute von Labuan Bajo keinen Hehl: "Sie sind nur nett, wenn Du Geld hast!"

Damit ich nicht vergesse: Kein Fernsehen, kein Radio hier und kein Internet in Labuan Bajo. Und keine Yachten!

Doch, einen Tag vor unserer Weiterfahrt, liefen drei Yachten ein, und legten sich dicht neben uns. Keine Nationale am Heck - auch gut! "Ah, Ihr wart bei der Rally Darwin-Kupang. Wo kommt Ihr jetzt her?"

Ein Blick zurück nach unten, wo offensichtlich die Begleiterin ihren Rucksack zum Auszug herrichtet. Die Anwort "30 Meilen von hier!" wird mit einem Schulterzucken begleitet.

Ein Dialog zum Nachdenken ist das. Rallies kommen ja immer mehr in Mode. Da sparen Menschen ein halbes Leben lang auf ein eigenes Schiff, um dann organisiert wie ein Herdenvieh, über einen Ozean fahren zu können - gegen Ozeanbenutzungsgebühr für die Veranstalter dieser tollen Geschäftsidee natürlich. Die Rally-Teilnehmer fahren jeden Tag 40 Meilen. Grußlos - von Nowhere to Nowhere.

Doch, so eine Segel-Rally ist eine schöne Sache! Manche Seglertypen werden zuverlässig an den besten Plätzen vorbeigeleitet. Prima!

Inzwischen sind wir ein Stückchen weiter. Und morgen früh fährt mich ein Fischer nach Bimo - näher an Bali dran. Dort haben sie vielleicht Internet. Da probier ich, diesen Beitrag unterzubringen...

 

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