Indonesien lag achteraus, die Sebana Cove, eine
Marina gegenüber von Singapur war unser Ziel, um einige Zeit die
Annehmlichkeiten einer Weltstadt einerseits und andererseits den Komfort einer
guten Marina zu genießen. Doch so ohne Zwischenfälle verlief der
1000-Meilen-Schlag nicht...
September 2004 -
Malaysien: Urwald, Waffen und ein großes Problem
Die Singapur-Straße gilt als eine der
verkehrsreichsten Seewege auf der ganzen Welt und so wird empfohlen, in die
Mündung, dem Phillip Channel, nur bei Tageslicht einzulaufen, und vor allem das
Verkehrstrennungsgebiet nur "senkrecht" zu den Zwangswegen, und auf
dem schnellsten Weg zu queren. Ein Nebeneffekt wäre hierbei auch, dass
untertags die Seeräuberaktivitäten naturgemäß geringer sind. Seeräuber?
Ja,
aber eine echte Gefahr für Yachten bestehe nicht, hat man uns hier in Malaysien
erklärt. Die Piraten würden nur Berufsschiffe und - merkwürdigerweise -
Fischerboote überfallen. Immerhin wurden amtlich 82 Überfälle zwischen 1990
und 1995 registriert. Keiner auf eine Yacht - wie beruhigend!
Aber
so genau lässt sich eine Langfahrt nicht planen, man muss es nehmen wir es
kommt. Wir hatten Glück und näherten uns diesem unguten Revier bei
Tagesanbruch. Der Wind erstarb, was mir ohnehin lieber war, denn unter Maschine
bist halt viel besser manövrierfähig. Leider verfärbte sich kurz vor der
Einfahrt in die Zwangswege die Umgebung drastisch nach hellgrüngrau und eine
mächtige Wolkenmauer schob sich am Himmel heran. Dieses Gebiet 60 Meilen nördlich vom
Äquator ist berüchtigt wegen seiner Gewittertätigkeit (es soll die höchste
auf der ganzen Welt sein). Aber dies gilt vor allem für die
Südwest-Monsun-Zeit!
Doch
was anschließend folgte, war auch nicht von schlechten Eltern. Mit lautem
Krachen wurde der Schauer eingeleitet und Regen ergoss sich sintflutartig über
unser Schiff. "Neben uns schlägt der Blitz ein!" meldete sich Carla
am Ruder von draußen. Und unmittelbar nach dem Aufleuchten waren alle Lämpchen
der Schalttafel in der Navigationsecke ausgelöscht - dunkel. Schlimm! Aber der
Schreck war größer als die Folgen. Lediglich der Windanzeiger war
offensichtlich dem Blitzeinschlag zum Opfer gefallen, alles andere ließ sich
wieder einschalten. Auch das Radar, denn dieses erwies sich bei der geringen
Sicht als unbezahlbar. Es wimmelte selbst im 6-Meilen-Bereich gerade nur von Echos, jedes ein Schiff
anzeigend. Und was für Schiffe! Da waren Tanker dabei, ein paar hundert Meter
lang. Und dazwischen? Kleine Auslegerkanus unter Segel mit einem einzigen
Fischer darin - man traute seinen Augen kaum: Mitten in der Schifffahrtslinie
werden Netze ausgelegt! Irrsinn: Der Regenschauer, die Grossschifffahrt, jede Menge Treibgut
von der harmlosen Plastiktüte bis zu ganzen Türen und dazwischen Fischernetze.
Und, nicht vergessen: Fortlaufend peilen, ob der Tanker nach achtern auswandert...

Froh waren wir, als wir endlich auf dem
Ankerplatz der Großschifffahrt auf der anderen Seite des
Verkehrstrennungsgebietes angelangt waren. Jetzt konnte eigentlich nichts mehr
schief gehen. 15 Meilen voraus musste in einem Fluss in Malaysien die Marina
Sebana Cove sein, ein angeblich vollkommen sicherer Platz und ohne lästige
Einklarierungsschwierigkeiten. Das war der Grund, warum wir uns gegen Singapur
und für Malaysien entschlossen hatten. Und das Schönste daran: Meine
Pflichtenliste für die Arbeiten am Schiff war völlig leer, vom Windanzeiger
mal abgesehen. Davon träumt man
als Fahrtensegler. Ankommen auf einem sicheren Platz und das Schiff in
1a-Zustand.
Ja, darf man daran nicht einmal denken??
Das Wasser wurde mit jeder Meile trüber und
schmutziger. Aber der Großschiffsverkehr lag endlich achteraus. Der Tag neigte
sich dem Ende zu, aber eine Stunde vor Dunkelheit sollten wir in der Marina oben
im Fluss sein. "Das Einlaufen in der Nacht wird nicht empfohlen",
stand in den Handbüchern. Eine Barre an der Flussmündung sollte nur eine
Wassertiefe von 1,80 Meter haben. Die Luftwurzeln am Ufer zeigten Niedrigwasser an. So
tasteten wir uns durch die graubraune Brühe langsam mit Blick auf GPS und
Echolot. Doch bei "2 Meter" war Schluss, das Wasser fiel wieder bis
auf 6 oder 8 Meter. Wir tuckerten den Fluss hinauf. Nach der nächsten Biegung
sollte die Sebana kommen. Aber was kam, war eine neue Biegung. Über die
angeblichen GPS-Koordinaten waren wir schon längst hinaus, was mich nicht wunderte,
denn wenn sie ohne Dezimalstellen angegeben sind, bedeutet dies meistens, dass
sie abgeschrieben, auf jeden Fall nicht selbst erlebt sind.
Die nächste Biegung: Langsam wurde es dunkel und wir unsicher. Aber passieren konnte
eigentlich nichts, denn wir hätten jederzeit den Anker fallen lassen und die Nacht auf dem spiegelglatten Fluß verbringen können. Aber, wenn man so kurz vorm Ziel
ist, fällt es schwer, so etwas in Erwägung zu ziehen.
Dann eine riesige Starkstromleitung über den Fluss. Wie hoch? Die Karte war längst zu Ende! Aber die gigantischen Träger am
Ufer zeigten, dass die durchhängende Stromleitung sicher nicht bis 25
Meter Wassernähe erreichte. Trotzdem, ein schönes Gefühl war es nicht, als
die Leitung über dem Mast langsam auf uns zukam.
Wieder ein Biegung - und noch eine. Nichts als
Urwald! Sollten wir nicht doch umkehren, da stimmt doch was nicht? In diesem
Moment schimmerte zwischen den Bäumen ein Ziegeldach durch. Und dann war die
ganze Aufregung umsonst gewesen. Vor uns tat sich eine wunderschöne Marina auf, nur zu
einem Viertel belegt. Schwimmstege, Strom, Wasser, ein wunderschönes
Schwimmbad, alles da. Und das
Schönste: Eine (fast) leere Pflichtenliste.

Als wir aufklarten, wurde mir bewusst, das wir
die Persenning vom Großsegel schon lange nicht mehr abgenommen hatten. Wann
hatten wir es das letzte Mal gesetzt? Tatsächlich, es war vor über einem Jahr
auf dem Weg von Tonga nach Kaledonien. Den ganzen Weg von Noumea nach
Brisbane/Australien, von da aus nach Papua-Neuguinea und dann durch die
Torresstraße hatten wir nicht ein einziges Mal das durchlattete Groß
hochgezogen. Auch nicht in der Torresstraße und von dort über Indonesien nach
Malaysien, also über knappe 5000 Meilen. Das lag vor allem an der Stetigkeit
des Passats, der praktisch nur platt von achtern gekommen war, aber auch daran,
dass wir mit dem Parasailor ein handliches und sehr effektives Vorwindsegel an
Bord hatten. Wie mir HARLEKIN am Funk erzählte, sah es bei ihrem Katamaran
nicht viel anders aus.
Die böse Überraschung kam am nächsten Tag.
Routinemäßig checkte ich den Ölstand an den beiden Maschinen und wollte schon
wieder die Luke zum Motorraum auf der Steuerbordseite schließen, da bemerkte
ich im Schein der Taschenlampe, dass Feuchtigkeit auf der Gummimembrane, die den
Saildrive nach draussen abdichtete, schimmerte. Öl, klares Getriebeöl!
Das war weiter nicht beunruhigend, da war sicher
nur der O-Ring vom Öleinfülldeckel beschädigt, beruhigte ich mich. Und allzuviel Öl war ja auch
nicht ausgetreten. Der Ölstand war normal. Der Deckel war aber kaum ohne
Werkzeug aufzudrehen, so schwergängig war er geworden. Als ich ihn endlich auf
hatte, sah ich die Bescherung. Statt klarem Öl war im Getriebe eine graue
Flüssigkeit. Die Franzosen nennen diesen Zustand treffend Mayonaisse, also ein
Emulsion, in meinem Fall bestehend aus Getriebeöl und Wasser. Viel schlimmer
kann es also nicht kommen: Der Saildrive ist undicht.
Obwohl ich mir über die Sinnlosigkeit im klaren
war, ging ich die Trouble-Shooting-Liste von Volvo durch: Und erwartungsgemäß
landete ich bei dem Ergebnis: "Setzen Sie sich mit der Service-Stelle in
Verbindung". Ich hasse diese Listen, denn ich lande immer bei diesen
enttäuschenden Hinweisen: "Schicken Sie das Gerät an den Hersteller
ein..." oder ähnlich Hilfreiches.
Jetzt war guter Rat teuer: Denn eines der
Probleme bei einem Saildrive ist ja, dass ein Ölwechsel am Getriebe nur
dergestalt gemacht werden kann, dass das Öl am Saildrive an der
Ölablassschraube abgelassen wird. Und die befand sich - logisch - am
tiefsten Punkt des Drives, also einen halben Meter unter Wasser. Das ist auch
ein Grund, warum einem der empfohlene jährliche Ölwechsel zwingt, das Schiff
aus dem Wasser zu nehmen. Nur, in der Sebana Cove gab es keinen Slip oder einen
Travelift.
Das Öl-Wassergemisch musste aber raus und zwar
schnell, denn das Getriebe korrodiert ja im Salzwasser ziemlich zügig. Gut,
dann müssen wir eben nach Singapur auf einen Travellift! Aber Fehlanzeige. In
dieser Weltstadt gibt es nicht einen Travellift, der die nötige Breite (7,30
Meter) verkraften kann. Mit Ausnahme der Pinguin-Werft, aber deren
Kostenvoranschlag war so gigantisch, dass man sich davon eine kleine Yacht
kaufen hätte können.
Zum ersten Mal bedauerte ich es, einen Kat zu fahren.
Und
Trockenfallen? Der Tidenhub würde mit ungefähr zwei Metern an Vollmond und
Neumond ausreichen. Es gibt Stimmen, die behaupten, das ginge mit einem
Privilege 465. Wenn man sich allerdings das "moderne"
Unterwasserschiff auf dem Foto von einem früheren Werftaufenthalt
betrachtet, dann bekommt man aber Zweifel, ob der Kat auf diesen kurzen Kielen
tatsächlich stehen bleibt oder nicht doch nach vorne oder hinten auf die Ruder
umkippt. Was gäbe ich jetzt für ein altmodisches Unterwasserschiff?
Also müssen wir schnellstens 500 Seemeilen weitersegeln, nach
Langkavi in der Malacca-Straße. Ausgerechnet!. Aber ein
Telefonanruf ergab, dass die dortige Werft das Schiff vielleicht rausnehmen
könne, aber ich nur 14 Tage bleiben könne. Das war ausgeschlossen, denn ich
mußte nach Hamburg zur Hanseboot wegen dem Blauwasserseminar.
Ziemlich trostlos also! In meiner Not schrieb ich
einen Rundbrief per Email an alle befreundeten Yachten und an andere Spezialisten. Als Betreff gab ich an: "Big Problem"
Viele Vorschläge gingen ein! Alle waren sich
darin einig, dass das Öl-Wasser-Gemisch so schnell wie möglich ersetzt werden
müsse. Aber die Lösungsvorschläge waren jedenfalls nicht in dieser Marina zu
realisieren: Einen Rumpf mit einem Kran hochheben, "über" den
Saildrive eine Plastiktonne mit Klebstoff, der im Wasser abbindet, im Wasser
montieren und den Saildrive ins Schiffsinnere abbauen, den Motor verücken und
das Getriebe von innen her zerlegen und so fort.
Ein wirklich genialer Lösungsvorschlag war darunter:
Er stammte von LAROSSA und HARLEKIN. (Danke nochmals!) Und er funktionierte
jedenfalls so gut, dass wir das Öl gegen frisches austauschen konnten. Freilich
die eigentliche Reparatur steht noch bevor. Aber das Getriebe ist zunächst
gerettet. Jetzt mussten wir nicht mehr weitersegeln und konnten in der
wunderschönen Sebana Cove bleiben.
Und wie funktionierte der Trick? Der Leser
möge raten, ich werd ihn beim nächsten Mal in meiner
"Trick-Siebzehn-Kiste" ausführlich beschreiben, vielleicht hilft er
weiteren Seglern in ähnlicher Situation.
Die
Einklarierung war fast geschenkt, nur die Deklarierung meiner Waffe war
überraschend. Denn offensichtlich kam es nicht gerade häufig vor, dass
Neuankömmlinge eine Schusswaffe deklarieren. Was nicht heißt, dass Yachten,
vor allem amerikanische, keine Waffen an Bord haben - ganz im Gegenteil.
Also: Es kamen zwei freundliche Polizeibeamte an
Bord und nahmen Waffen nebst Munition in Verwahrung. Mit Ihnen durfte ich dann
auf die Wache fahren, wo ein stundenlanges Palaver darüber mit dem - ebenfalls
sehr freundlichen - Inspektionsleiter (würde man bei uns sagen) begann, was
denn in meinen Papieren (alles in Deutsch, wie praktisch) stehen würde. Dann
endlich war er bereit, die Waffen zu verwahren, aber eine Quittung wollte er
auch nicht rausgeben. Seine Visitenkarte übergab er mir lächelnd: "You
must trust us!"
Marinamanager Mister Kumaran, ein freundlicher
Inder, missfiel aber, dass ich keine Quittung erhalten hatte. Also packte er uns
am nächsten Tag in sein Auto, holte die Waffen auf der Polizei wieder ab und
fuhr (nachdem man dort großzügig auf eine Polizeieskorte verzichtet hatte - "we
trust You") mit uns die 60 Kilometer in die nächste Bezirksstadt zur
Polizeibehörde. Dort kümmerten sich wieder nunmehr vier Beamte um die Waffen
und nach ein paar Stunden musste ich das große Couvert eigenhändig zutackern
und versiegeln. Und eine Quittung bekam ich auch. "Es hat bei uns alles
seine Ordnung", meinte der Polizeichef lächelnd.
Am nächsten Tag fand ich in der Marina eine
frische Mitteilung an die Neuankömmlinge vor. Der Manager hatte sie in großen
Druckbuchstaben an die Wand geschrieben und sie besagte sinngemäß:
"Achtung, in Malaysien steht die Todesstrafe
auf nicht deklariertem Waffenbesitz!"
Nicht gerade zimperlich, aber so hat alles seine
Ordnung!
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