Das Geheimnis des Katamarans Pantharei

von Bobby Schenk


Der Katamaran-Fan

Es war nicht ganz leicht für Kurt Ecker, Inhaber der größten deutschsprachigen Charteragentur  Ecker-International den Katamaran Pantharei für einen Yachttest (Tauglichkeit fürs Familiensegeln - siehe Nummer 10/03) freizugeben. Denn Katamarane sind heute jeweils die ersten Yachten, die im Charterprogramm ausgebucht sind. Als eine der wenigen großen Charterfirmen hatte Eckeryachting das frühzeitig erkannt und eine Reihe von attraktiven Katamaranen, alle vom bekannten Typ Privilege, in sein Programm aufgenommen.

Eine ähnliche Idee, wie sie der stellvertretende YACHT-Chefredakteur Fridjof Gunkel hatte, war schon viel früher dem Wiener Michel Gründel, wohnhaft in der Michaelestraße, gekommen, allerdings wollte der keinen Familienurlaub auf dem Privilege 465 (14,30 Meter lang) verbringen, sondern eine Art Dauertörn segeln. Und so buchte Michel Gründel schon im Frühjahr den Privilege 465 Pantharei für den 24.8.- 3.9.02 (10 Tage) ab Puntaldia (Korsika), was für Gunkel (und die YACHT-Leser) ein Glück war, denn wenn er seinen Törn wenig später eingeplant hätte, wäre der Kat für diesen Familientest nicht zur Verfügung gestanden und Gunkel hätte keinen Artikel darüber schreiben können.

Michael Gründel hatte sich für den bedeutendsten Törn seines Lebens bestens vorbereitet. In der Zeit vom 30.3.- 2.4.03 hatte er bei einem ebenfalls von Eckeryachting veranstalteten Katamaran-Skippertraining unter Skipper Peter Talas teilgenommen. Gründel, nunmehr wohnhaft Wien Würfelgasse, zeigte sich bei diesem Lehrgang nicht gerade von der geselligen Seite. Eine Beteiligung an der üblichen Bordkasse lehnte er rundweg ab, mit der Begründung, er würde sich gesund ernähren und trinken würde er ohnehin nur und ausschließlich Wasser. Was in österreichischen Seglerkreisen zwar aussergewöhnlich ungewöhnlich ist, aber auch nicht gerade geeignet, sich verdächtig zu machen. Auch eine andere Eigenheit von Gründel fiel erst später auf. Zu spät. Er verstand es meisterhaft und ausdauernd, nicht fotografiert zu werden, um auch nicht zufällig auf eines der zahlreichen Erinnerungsfotos zu geraten. Mit gutem Erfolg, denn das einzige Foto, auf dem man später Gründel identifizieren konnte, war von höchst mäßiger Qualität (links).

  

Ganz offensichtlich war Katamaransegeln nach dem Gusto von Michel Gründel. Denn er unterschrieb am 8.04.02 einen Chartervertrag über die nagelneu Pantarhei vom Typ Privilege 465 ab Puntaldia für den Zeitraum 24.8.- 3.9.02 (10 Tage).

Der Erlebnistörn begann also für den Wiener am 24.8.02. am Ecker-Stützpunkt Punaldia. Auffällig war, dass Gründel alleine zu diesem Törn eintraf. Ist die Pantarhei (Bild unten zeigt ein Schwesterschiff) doch ein Riesenschiff, allemal gut für acht Leutchen für einen gemütlichen Chartertörn!

Wenn hier von "auffällig" gesprochen wird, dann wird schon etwas vorweggenommen, denn tatsächlich war alles an diesem Törn etwas merkwürdig, allerdings nur dann, wenn man heute die Wahrheit kennt. Das Fehlen der Crew fand eine vernünftige Erklärung. "Die Crew" hatte nämlich schon vorher angerufen, sie habe die Fähre versäumt, man möge das dem Skipper ausrichten. Gründel gab sich auf diese Nachricht sehr verärgert, war aber trotzdem bester Dinge, denn er erkundigte sich gleich noch, ob er den Kat ein paar Tage länger chartern könne, Er wolle sich das unterwegs überlegen und dann per Handy Bescheid geben.

So mußte also Gründel ohne seine Crew von der Eckeryachting-Stützpunktmannschaft eingewiesen werden. Leider. Auffällig war, wiederum rückblickend, dass Gründel ein auffälliges Interesse am Watermaker zeigte und sich die Mimik in allen Einzelheiten erklären ließ, was bei üblichen Chartertörns von 10 oder 14 Tagen ja nicht von großer Bedeutung sein kann.

Gegen 9 Uhr wartete Gründel immer noch auf die Crew und die Mitarbeiter Eckers gingen in den wohlverdienten Feierabend. Als am anderen Morgen um 8 Uhr die Pantharei weg war, wunderte sich niemand, denn offensichtlich war nächtens die Crew eingetroffen und entsprechend den üblichen Charterunsitten die Yacht im Wert von einer Million (Mark) sofort in See gestochen.

Die Pantharei war also weg. Dass dies wörtlich zu nehmen war, dämmerte den Ecker-Mitarbeitern erst am 6.9.02 als auch die "14 Tage" vorbei waren. Am nächsten Tag wurde aus dem Verdacht Gewissheit und die Polizei in Olbia verständigt. Dass man das auch 24 Stunden vorher schon machen hätte können, spielt beim weiteren Fortgang der Geschichte nicht die geringste Rolle, denn Gründel hatte ja, recht clever, einen Vorsprung von 14 Tagen "herausgesegelt".

Viel konnte dem Vercharterer eigentlich nicht passieren, denn so eine Yacht, von der es weltweit keine 20 Stück gab, sollte ja nicht irgendwo versteckt werden können, kann nicht vom Erdboden verschwinden. Aber sie tat es.

Die Yacht war versichert. Nicht nur gegen Diebstahl, denn das hätte nichts genutzt. Die Yacht war ja nicht gestohlen worden, sondern sie war ja dem Gründel ausgehändigt worden, was die Juristen eben nicht als Stehlen ansehen. Rechtlich gesprochen war die Yacht "unterschlagen" beziehungsweise "veruntreut" worden, und genau dieser Fall war von der Versicherung abgedeckt. Trotzdem: Der Eigner der Pantharei hatte seinen Kat noch nicht einmal gesehen und die Versicherung würde auch nicht für den Charterausfall und ähnlichen Schaden aufkommen, sondern eben nur für den Wert der Yacht, in diesem Fall den Neuwert - logisch, denn die Yacht war frisch aus der Werft gekommen.

Also, was besonders Feines hatte sich der Gründel da unter den Nagel gerissen. Michel Gründel? Der Name war, man ahnt es schon,  gefälscht und die Michaelastraße und die Würfelgasse waren reine Postadressen. Auch sein Handy war nicht sehr auskunftsfreudig, denn es war offensichtlich nur für die paar Gespräche mit Eckeryachting angemeldet worden.

Aber so ein Kat muß doch in jedem Hafen auffallen? Über eine Agentur, die sich mit vermißten Schiffen beschäftigt, wurden 3500 Marinas allein im Mittelmeer benachrichtigt.

Ebenfalls wurde Amateurfunk für die Suche benutzt. Fachkundige segelnde Radioamateure benachrichtigten mit Hilfe von Pactor alle(!) Funkamateure auf Yachten im Mittelmeer, Kanarischen Inseln, Westindien und in Südamerika - einschließlich Panama. Denn spätestens im Nadelöhr des Panama-Kanals musste die Yacht doch auffallen, zumal im den dortigen Yachtclubs die Fahndungsplakate hingen.

Jetzt weiß man es: Die Fachleute lagen allesamt daneben.

Im Stützpunkt ärgerte man sich derweil, dass das Satelliten-Ortungssystem von  Tracecare (das regelmäßig den Eigner zu Hause über die Position seines Schiffes unterrichtet und gerade einen solchen Vorfall verhindern soll) zwar angeliefert worden, aber wegen Zeitmangels nicht mehr eingebaut worden war.

Die Pantharei war weg. "Schwarzes Meer", "Mafia", das waren die Spekulationen, die das Verschwinden des fast 15-Meter langen Katamarans erklären sollte.

Alle Fahndungsmöglichkeiten wurden ausgeschöpft bis hin zur Auswertung von Wettersatelliten-Fotos, auf denen Schiffe bis zu Frachtergröße zu erkennen sind. Nix, die Pantharei war weg.

Dabei wäre die Frage, wo die Pantharei hingeraten war, jedenfalls, welchen Weg sie genommen hätte, mit Hilfe des Computers, auf dem jetzt diese Zeilen entstehen, leicht zu lösen gewesen. Ja, hätte man den Namen des Täters gewußt. Denn Gründel war natürlich nur ein Alias-Name.

Schon am 19.11.2001 hatte ein Sepp Hopfensberger aus Wien (Name aus datenschutzrechtlichen Gründen geändert) an diese Webseite folgendes Mail geschrieben:

"Sehr geehrter Herr Schenk!

Ich plane kommenden Juni mit meiner 14m Yacht, einen Überstellungstörn vom Mittelmeer zu den Seychellen.
Ursprünglich wollte ich durch den Sueskanal und durch das Rote Meer segeln.
Jetzt hat mir aber ein Freund dringend davon abgeraten, da es am unteren Ende des Roten Meeres (Somalia und Jemen) angeblich mehr Piraten als Fischerboote giebt und - so mein Freund - diese Gewässer für eine kleine Yacht viel zu gefährlich seien. Vielmehr solle ich lieber Afrika umsegeln oder meine Yacht in Ägypten auf einen Kontainerfrachter stellen lassen und mich bis in den Indischen Ozean mitnehmen lassen.
Mein Freund ist seit Jahren ein erfahrener Seefahrer und weiß normalerweise wovon er spricht.
Desshalb meine Frage auch an Sie; wie groß schätzen Sie die Gefahr von Piraten ein, bestünde diese Gefahr auch, wenn ich in einem, ohne anzulegen durchsegle.
Oder denken auch Sie, daß es vielleicht besser wäre mich von einen Kontainerfrachter mitnähmen zu lassen und wie viel kann das kosten?

Mit herzlichen Dank für Ihre Antwort und besten Grüßen
Sepp Hopfensberger"  

Sepp Hopfensberger war, aber das wußte zu diesem Zeitpunkt noch niemand, kein anderer als Michel Gründel. Bemerkenswert an diesem Mail sind zwei Tatsachen. Einerseits handelte es sich ganz offensichtlich um einen langgeplanten Coup, andererseits hatte der spätere Täter Angst vor Kriminellen.

Es geht halt nichts über eine gründliche Törnplanung.  An 20.Dezember 2001 meldete sich der Gesundheitsapostel Hopfensberger nochmals auf dieser Webseite mit einem Mail:


"Sehr geehrter Herr Schenk!
Auf Ihrer Homepage haben Sie den Betrieb einer Seewasserentsalzungsanlage beschrieben, die mit 8 A/h 30l Wasser produziert. Ich habe bereits im Internet gesucht, aber über Werte wie 26l bei einem Verbrauch von 40 A/h kam keine Anlage hinaus. Können Sie mir bitte den Hersteller oder die Vertriebsfirma nennen, wo Sie Ihre Anlage gekauft haben.
Mit besten Dank für Ihre Mühe
Hopfensberger Joseph"

Das Wasser, offensichtlich das Hauptnahrungsmittel Hopfensbergers war seine große Sorge, wie sein Verhalten später bei der Einweisung in die Pantharei bewies.

Rückblickend war es also recht clever von Hopfensberger mit falschem Namen zu arbeiten, denn sonst wäre auf Grund dieser Schreiben sicher sein Törn nur von sehr kurzer Dauer gewesen. Denn die tatsächliche Törnroute war in seinem Schreiben mindestens angedeutet: Afrika umsegeln...in einem, ohne anzulegen, durchsegeln...

So aber war die Geschichte zu Ende. Vorläufig jedenfalls

Dezember 2002.

Eine männliche Stimme meldet sich bei Eckeryachting am Telefon und behauptet, zu wissen, wo sich die Pantharei befindet. Für Eckeryachting ist die Geschichte unglücklich zu Ende gegangen, und so wird der Anrufer an die Versicherung verwiesen. Aber dort bleibt die Leitung stumm.

Februar 2003

Wieder ruft bei Eckeryachting ein Mann an in dieser Angelegenheit und wird erneut an die Versicherung verwiesen. Endlich kommt es dort zu einem persönlichen Gespräch mit dem Unbekannten. Dieser gibt sich als ein Bekannter von Hopfensberger zu erkennen. Er kenne Hopfensberger von ihrer gemeinsamen Zeit als Bodyguards bei  der ägyptischen Königsfamilie. Hopfensberger habe ihm erzählt, er habe den Katamaran gekauft und wolle mit ihm nach Thailand segeln, in die Heimat seiner Frau - tatsächlich ist Hopfensberger mit einer Thailänderin verheiratet. Er habe sich zwar gewundert, wo Hopfensberger das viele Geld herhabe, sei aber zugestiegen. Erst als Hopfensberger nach Gibraltar den Schiffsnamen auf Monster I (so lautete nun auch der Name in den Schiffspapieren von Gibraltar) umgeändert habe, sei ihm das alles ziemlich merkwürdig vorgekommen. Nebenbei: "Monster 1" ist ein Begriff aus der Esoterik-Welt.

Nun konnte endlich die Fahndung nach Hopfensberger ausgeschrieben werden, mit Fahndungsfoto (rechts) und Haftbefehl.

Vom erwähnten Zeugen erfuhr man nun den tatsächlichen Verlauf der Reise, die seglerisch recht bemerkenswert ist  - ein Grund, warum die "Fachleute" mit dieser Route nun am allerwenigsten oder eben gar nicht gerechnet haben.

Und manch anderes hat der Zeuge aufgeklärt: Hopfensberger hat die gesamte Navigationselektronik abgeklemmt, um zu verhindern, dass das Schiff über ein versteckt eingebautes Ortungssystem ausgemacht werden kann. Navigiert wurde ausschließlich mit Hilfe eines Hand-GPS und Straßenkarten(!) von Afrika. Unter diesen nautischen Primitiv-Verhältnissen war es nicht weiter verwunderlich, dass es vor Dakar zu einem Fast-Zusammenstoß mit einem Frachter kam. Der Zwischenfall hat letztlich auch dazu geführt, dass dem Zeugen die ganze Sache zu unheimlich wurde und er in Dakar das Schiff verließ, während Hopfensberger - soweit bekannt - den nautisch anspruchsvollen Törn um Afrika herum in der "falschen" Richtung allein fortsetzte - und schließlich Phuket in Thailand erreichte.

Die Reiseroute der Pantharei

Dort, in Phuket, hat dann Hopfensberger verschiedenen Hotels Tagescharter angeboten, von irgendetwas muss der Mann ja leben. Auch wenn, wie vom Skippertraining bekannt, der Lebensstil des esoterisch veranlagten Hopfensberger - er hat über ein solches Thema sogar ein Buch geschrieben - ausgesprochen einfach war.

Selbst als der Aufenthaltsort des Katamarans bekannt wurde, benötigten die neuen Eigentümer, nämlich die Versicherung (nach Bezahlung der Versicherungssumme) noch einige Wochen, bis die Polizei in Phuket das Schiff endlich beschlagnahmt hatte. Wie nicht anders zu erwarten, brachte Hopfensberger vor, er habe das Schiff rechtmäßig erworben, was bei der generell einfachen Eigentumsübertragung an Schiffen in Thailand so schnell nicht zu wiederlegen ist. Nachdem die Polizei endlich überzeugt war, dass es sich schlicht um ein geklautes Schiff handelte, verankerte sie neben der Pantharei (alias Monster I) ein Polizeiboot mit fünf Mann drauf. Jedoch - der Vogel war schon ausgeflogen. Die Rückreise des Hopfensberger war sicher etwas schneller als der Segeltörn, denn kurz darauf stellte er sich in Wien der Polizei, wo er in Untersuchungshaft genommen wurde.

 

Ende gut, alles gut. Sollte man glauben. Leider ist es nicht so einfach. Noch im Wasser liegend wurde die Pantharei ausgeplündert. Nunmehr steht der praktisch fabrikneue Katamaran an Land - in erbärmlichen Zustand. So fehlt zum Beispiel die Steuerbordmaschine. Einfach weg!

Und das ist noch nicht alles. Nachdem Hopfensberger nicht korrekt einklariert hatte, ist dem Zoll eingefallen, dass das Schiff ja unverzollt eingeführt worden war, sodass auch dieses Problem, wenn überhaupt, aus der Welt geschafft werden muss. Die Pantharei steht nun in der Lagoon-Marina Phuket hoch und trocken und wartet...

Damit ist der Törn der Pantharei, der zunächst so viele Rätsel aufgegeben hatte,  wohl endgültig zu Ende. Dass keiner der Fachleute den Verlauf der Reise auch nur annähernd geahnt hatte, erklärt Hopfensberger selbst mit  einem Satz auf der Titelseite seines Buches:

"Es gibt keine Geheimnisse, nur Blindheit..."

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