Der Auftakt der Saison 2003 war also mit dem
Mini-Shakedown-Cruise von Tahiti nach Huahine, lediglich 100 Meilen, nicht sehr
vielversprechend. Auch der "schaurige" Törn von Huahine über 1300
Meilen nach Vavau war nicht gerade das, was sich der Segler erträumt. Herrscht
jetzt endlich Zufiredenheit auf der THALASSA?
Juni 2003 - Yachty-Paradies
Vavau
Dass Vavau ein Geheimtipp ist, das war den Tonganern
schon vor über 200 Jahren bewusst. Als nämlich der große Entdecker James Cook
in den tonganesischen Gewässern navigierte, lernte er den Häuptling von Vavau,
Finau, kennen. Als der nach Vavau zurückmusste, wollte James Cook ihn mit
einem seiner Schiffe begleiten. Finau, der Fuchs, aber log dem großen Entdecker
vor, man könne nach Vavau nicht mit dem Schiff, denn es besäße keinen Hafen.
Und so segelte Cook schließlich an einem der perfektesten Naturhäfen der
ganzen Welt vorbei, ohne ihn kartografiert zu haben.
Um es vorweg zu nehmen,
Finau hatte recht, dieses Kleinod von Hafen vor der Welt zu verbergen. Denn, Vavau
ist nahezu perfekt, speziell für Yachtsleute auf Langfahrt.
Wenn nämlich jemand glaubt, der Weltumsegler würde immer nur von einsamen
Ankerbuchten träumen, dann liegt er mit der Vermutung ziemlich daneben. Denn
die sogenannten paradiesischen Ankerplätze sind nicht nur auf die Dauer
langweilig, sondern schon nach ein paar Stunden. Unter diesem Gesichtspunkt
können wir Vavau nur jedermann weiterempfehlen, vielleicht sogar einen Urlaub
hier zu verbringen.
So haben sich die Manager einer gigantischen
amerikanischen Charterfirma auch gedacht, als sie ausgerechnet im abseits
gelegenen Königreich Tonga, eben hier auf Vavau einen Stützpunkt mit ungefähr
20 Yachten errichteten, die Hälfte davon übrigens Katamarane. In einem,
natürlich deutschem, Weltumseglerbuch hat die Autorin dies moniert und dem
Sinne nach gemeint, so würden Südseeparadiese für die "richtigen"
Segler, die Weltumsegler, verdorben.
Dem Urteil kann ich nicht folgen. Denn, wenn
ich Vavau als einen "Super-Platz" für Langfahrtsegler bezeichne, dann
haben wir das auch dieser Charterfirma und dem damit verbundenen Yacht-Tourismus
zu verdanken. Denn ohne Yachten wäre Naiafu, ein besseres Dorf mit vielleicht
1000 Einwohnern, praktisch ohne Einnahmen und damit jenseits der Armutsgrenze,
selbst bei niedrigsten Ansprüchen an den Lebenskomfort.
Die Vorteile für Weltreiseyachten werden schon bei
der ersten Einreise augenscheinlich. Die Reede von Naiafu ist zwar ein
Postkartenmotiv schlechthin, vor allem bei Südost-Passat, wo sich auf dem
geschützten Ankerplatz kein Wellchen kräuselt, doch täuscht die Idylle. Beim
steilabfallenden Ufer und folgenden Tiefen von mehr als 40 Meter wäre ein
Ankern kaum möglich. So aber findet der vom langen Ozeantörn müde Segler
zahlreiche Murings vor, die eben meist den paar Touristikunternehmen am Ort
gehören und gerne für 5 Euro pro Nacht vermietet werden.
Der Tidenhub hier beträgt zwar kaum mehr als einen Meter,
doch wäre das Anlanden mit dem Beiboot am Ufer auch bei diesen Unterschieden im
Wasserstand ziemlich ungemütlich. Von Schwimmstegen träumt der Yachtsmann dann
und tatsächlich findet er die vor. Nicht einen, sondern gleich ein paar.
"Cafe Anas Dhingy Dock" klärt uns ein Schild vor einer zünftigen
Kneipe am Wasser auf. Wer möchte da nicht schnell auf dem Weg zur
"Stadt" eine Kola trinken?
Auf
einem anderen Schild steht "Rubbish" und ein Pfeil weist den Weg, wo
man seinen Abfall los wird. Ein kostenloser Service eben dieser Charterfirma
für alle Yachtsleute, die in der Bucht anlanden. Gleichzeitig ein gelungenes
Beispiel. wie auch den braven Einheimischen klargemacht wird, dass der
Yachttourismus Vorteile hat, vom Bewusstmachen der Umweltproblematik den
Tonganern gegenüber mal ganz abgesehen. Obwohl dies bei der geringen
Bevölkerungsdichte und dem gänzlichen Fehlen jeder Industrie kein sehr
brennendes Problem sein dürfte. Dass die paar Yachtfirmen am Ort notfalls auch
mit Werkzeugen, Fachwissen oder gar mit einfachen Ausrüstungsgegenständen
offensichtlich weiterhelfen, ist schon erwähnenswert und trägt sicher auch zum
guten Verhältnis zwischen Charterern und Langfahrtseglern bei. Und Infos holt
man über dieses Revier, welche Ankerplätze gut zum Schnorcheln sind, finden
sich ebenfalls in der Broschüre, die die Charterfirma ihren Kunden mitgibt und
den Yachties verkauft - obige Geschichte vom Häuptling und dem Entdecker Cook
ist übrigens auch diesem Heftchen entnommen.
In dieses
Inselreich verirren sich selten mehr als 50 Fahrtenyachten, die sich die Reede
vor Neiafu und die zahlreichen Ankerplätze teilen. Im genannten
Weltumseglerbuch mokiert man sich, dass die Charterfirma, typisch amerikanisch
eben, in ihrer Broschüre die tonganischen Namen für die Ankerplätze durch
leicht aussprechliche Zahlen, "Nummer eins" bis "Ankerplatz
sechzehn", ersetzt hat. Na und? Immerhin haben die örtlichen Taxifahrer
nunmehr keine Schwierigkeiten, Touristen zum großen tonganischen Fest auf Anchorage
Six zu fahren. Denn einige der Traum-Ankerplätze im Umkreis von
maximal 15 Meilen sind mit den klapprigen alten Blechkisten zu erreichen. Oder
nach ein paar Stunden Segeln in geschützten Gewässern. Ist es nicht schön, in
einem Revier unterwegs zu sein, wo man statt des Ölzeugs getrost auch den
Regenschirm mitnehmen kann?
Bedenken hatten wir bei der Auswahl von Vavau als
Reiseziel wegen der angeblich schlechten Versorgung. Kein besonderer Anreiz
nach dem sündteuren Polynesien! Nur "staples" (schlecht übersetzbar
mit "Basis-Waren") solle es in Naiafu geben, stand in den diversen
Reise- und Yachtführern, die Carla durchstudiert hatte. Wir sahen uns schon
Säcke mit Zucker oder Reis ins Dhingy schleppen. Aber die Überraschung war
angenehm, was sicher auch den beiden Charterfirmen zu verdanken ist. Es gibt
"alles". Natürlich findet man nicht den Spezial-Blauschimmelkäse vom
Italiener oder den Jamon Serano, doch liegen in den Regalen der stickigen Läden Käse
oder Schinken in Dosen, und in den Kühlschränken gibts auch Anchor-Butter,
jedenfalls sehr oft. Und dann die Preise - für uns Ex-Polynesier unfassbar.
Hatten wir noch vor ein paar Wochen für eine Handvoll Tomaten aus dem
Kühlschrank acht Euros bezahlt, so löhnten wir hier für die gleiche Menge
gerade mal 50 Cents.
Die Warenmengen auf dem Markt sind groß, die Auswahl
überschaubar. Melonen, Bananen, Taro, Tomaten, Paprika, Yam, Tapioka, Zwiebeln und
Kartoffeln, das ist alles was der Markt an heimischen Erzeugnissen hergibt.
Eingeflogen wird nichts, wir sind begeistert.
Das einzige, was wir zunächst nach der langen Zeit
in Polynesien vermissen, ist das französische Baguette. Aber bald darauf
hatten wir es schon vergessen. Denn es gab was viel besseres, nämlich Brot und
zwar richtiges Schwarzbrot mit schöner knackiger brauner Kruste. Mindestens
zehnmal wurden wir schon am ersten Tag von den Einheimischen voller Stolz
aufmerksam gemacht, dass sie einen Bäcker hätten. Zwar keinen deutschen, aber
einen österreichischen. Immerhin. Gleich hinter der Kirche sei er.
Tatsächlich, kaum dass wir die, wie alle Kirchen
in der Südsee, etwas zu groß geratene Mini-Kathedrale hinter uns hatten, stieg
uns schon der süße Duft nach frischem Brot in die Nase. Und, dem Duft folgend,
kurz darauf standen wir bereits vor dem "Lighthouse Cafe -Austrian
Style".
Joe, gelernter Bäcker und Konditor, hat es schon
vor 10 Jahren aus der Salzburger Gegend hierher nach Tonga verschlagen. Warum
ausgerechnet Tonga? Suche nach dem Paradies und so? Das wischt er mit einer
kurzen Handbewegung zur Seite. "Nein, es sollte nur möglichst weit weg
sein!"
Den Ofen hat er sich selbst gebaut, wie er stolz
vermerkt. Er ist mit einer Tonganerin verheiratet, eine andere hilft ihm im
Geschäft.
Joe macht einen etwas müden, aber auch zufriedenen
Eindruck: "Wenn Du ein Handwerk gelernt hast und arbeiten willst, kommst
überall durch!" Wie schön altmodisch.
Vorm Tresen, über die Joe Kümmelbrot,
Schokoladenhörnchen, Kipferl oder das 10-Körnerbrot schiebt, liegen auf dem
Schrank zwei Dutzend alte Spiegelausgaben rum, ein sicheres Zeichen, dass hier
noch mehr Deutschsprachige leben. Und tatsächlich kommt bald Nora,
unüberhörbar eine bodenständige Berlinerin, die ebenfalls vor einem Jahrzehnt
ihr Cafe in Berlin mit einer Kneipe an einem Ankerplatz vertauscht hat.
Klar doch, bald kommt man auf die Aussteiger zu
sprechen. Joe und Nora können ein Lied von Deutschen singen, die nach Tonga
gekommen waren, um den Einheimischen beizubringen, wie man das und jenes macht.
Kurzum, Aussteiger, die auf Kosten anderer leben wollten. Die Tonganer habens
überlebt, die "Palangis" auch, wenn auch nicht in Tonga.
Die Leute mögen die Fremden, ganz offensichtlich.
Auf der Straße wird der "Palangi" nicht nur von den Kindern höflich
gegrüßt.
Man hat ein gutes Gefühl, durch die "Stadt" zu gehen. Die
unaufdringlichen Taxifahrer verlangen gerade mal einen Euro für eine Stadtfahrt
und manchmal
nimmt man sich ein Auto, weil man doch das Gefühl hat, den Umsatz
dieser bescheidenen Geschäftsleute etwas anheben zu müssen. Denn die
Stadt ist nur 500 Meter lang. Das Ortsende wird von der riesigen Kirche
markiert. Symbolträchtig, weil die Kirche offensichtlich das Leben der Tonganer
bestimmt. Dass der Sonntag zu heiligen ist, steht sogar in der Verfassung und der
König ist zugleich oberster Repräsentant der Kirche. Seine Macht steht nicht
nur auf dem Papier. Zwar wird in Tonga ein Parlament mit mehreren Parteien
gewählt, doch muss der König Parlamentsbeschlüsse zu ihrer Geltung erst
genehmigen. Was er auch oft macht.
Tonganer scheinen
ihrer Kirche treu zu sein, man hört es jeden Sonntag. Weit schallen die
wunderschönen Lieder der Polynesier aus der Kirche über die große Bucht. Man
sieht es auch
an der Kleidung. Mädchen, Frauen tragen grundsätzlich lange Röcke und
besondere Lockerheit
scheint es nicht zu geben. Jedenfalls sieht man auch in den
wenigen Schaufenstern nur wenig Abbildungen mit leichtbekleideten Damen. Und wo
es bei harmlosen Reklamefotos nicht ganz zu vermeiden, wird dem Girl mit dem Filzstift eine dunkle Bluse auf die Haut gemalt.
Es ist aber nicht so, dass Tonganer generell trübe
Tassen sind. Sie verstehen es zu leben, was man häufig an ihrer Leibesfülle
sieht, und zu feiern. Sagenhaft sind die Feste, die Umus, dessen Höhepunkt
das "Schwein aus dem Erdofen" ist. Während aber in Polynesien
derartige Festfressereien nur zu den ganz großen Gelegenheiten (Hochzeiten!)
stattfinden, feiern tonganische Familien jeden Sonntag ein Umu, an das sich dann
Tänze der ganzen Familie anschließen.
Ein besonderer Reiz dieses Reviers für Yachten
sind die zahlreichen Ankerplätze auch deshalb, weil eine Reihe von diesen meist
vollkommen geschützten Buchten ein kleines Restaurant oder eine Kneipe haben. So ist man nicht nur auf die "Großstadt"
Neiafu angewiesen. Und man kann den anderen 50 oder 100 Yachten in diesem
Revier aus dem Weg gehen, wenn man unter Platzangst leidet.
Meist freut man
sich, mit anderen Yachten zusammen zu sein, denn, von den Charterern (meist aus
den USA) mal
abgesehen, sind hier alle Yachtsleute weitgereist. Meist sind es Neuseeländer
oder Australier. die man hier trifft. Entsprechend anders als in Europa, sehen die Yachten aus. Typische
Langfahrtyachten sind es meist, Langkieler,
Radar in der Silhouette und mit einem tüchtigen Beiboot mit starkem Außenborder ausgestattet.
Plastikboote aus Massenfertigungen kommen selten aus dem fünften Kontinent
herüber.
Spätestens im November ist die Saison dann hier
zu Ende, die Kiwis und die Aussies segeln wieder heim. Nicht, dass das Wetter
generell zu schlecht
ist, nein, die Hurricane-Saison ist dann angebrochen. Einst galt Vavau - die
Bucht heißt übrigens auf den Seekarten "Refuge Harbour" - als
ausgemachtes Hurricane-Hole, also als Schlupfloch bei tropischen Orkanen. Das hat sich
schlagartig geändert, als vor zwei Jahren ein Orkan genau über Vavau zog. Viele Gebäude haben
die 150 Knoten Sturmgeschwindigkeit überstanden. "Und die Yachten?"
frage ich die tonganische Dame im Büro der Firma Beluga Diving. "They were
all gone" antwortet sie leise.
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