Der Auftakt der Saison 2003 war also mit dem
Mini-Shakedown-Cruise von Tahiti nach Huahine, lediglich 100 Meilen, nicht sehr
vielversprechend. Auch der "schaurige" Törn von Huahine über 1300
Meilen nach Vavau war nicht gerade das, was sich der Segler erträumt. Herrscht
jetzt endlich Zufriedenheit auf der THALASSA? Offensichtlich ja, denn sonst
wären die Schenks nicht schon seit zwei Monaten im Königreich Tonga.
August 2003 - der lange
Abschied von der Südsee
Acht Wochen auf einem Fleck? Warum nicht, wenn es
so schön ist wie in Vavau. Seit jeher war es Segelphilosophie auf der THALASSA:
Lange Tripps, lange Aufenthalte. Besonders auf einem größeren Schiff, wie es
der fast 15 Meter lange Katamaran ja ist, zahlt sich das aus. Denn die meiste
Arbeit kommt auf die kleine Crew beim Absegeln und Ankommen zu. Wenn eine
Langfahrtyacht ankerauf gehen will, dann können die Vorbereitungen hierzu an
die zwei oder drei Stunden in Anspruch nehmen - ohne Verproviantierung und
sonstige Landgänge wohlgemerkt. Zunächst muß einmal das Beiboot
"abgebaut", der Außenborder verstaut und schließlich der oder die
Anker eingesammelt werden. Das ist einer der Gründe, warum eine Langfahrtyacht
nicht "mal schnell" nach dem Frühstück segeln geht.
Ganz
anders ist es hier in Vavau. Aus der Not hat man hier eine Tugend gemacht. Weil
in der großen Hafenbucht, Port of Refuge, kaum ankerbare Tiefen für Yachten
vorhanden sind - das Echolot zeigt fast überall über 40 Meter an - wurden von
den ansässigen Tauch- und Segelfirmen jede Menge starker Murings ausgelegt.
Ankern entfällt somit.
Und das Beiboot? Die zwei Dutzend Ankerplätze im
Umkreis von rund 12 Meilen sind alle innerhalb der Inselgruppe, also übers
windgeschützte Wasser zu erreichen, sodass das Beiboot bei guter Wetterlage
(wie meistens) schon mal nachgeschleppt werden kann. Nicht schön, aber
praktisch!
Nur zweieinhalb Stunden brauchten wir bis zur
"Anchorage Nr.16" - eine perfekte Ankerbucht. Vor allem, weil eine
Pier fürs Beiboot vorhanden war. Denn beträgt der
Tidenhub nur rund eineinhalb Meter, aber dies macht doch bei einem flach
abfallenden Ufer einen Fußmarsch (mit dem Beiboot) von fast zweihundert Meter
aus, wenn man bei Hightide angelandet ist und bei Lowtide heimfahren möchte.
Vor allem aber gab es, oben auf dem Hügel eine
nette Kneipe, die der Österreicher Bernie bewirtschaftet. Wenn Fleisch aus
Neuseeland erhältlich ist, kann er sogar Schweinebraten österreichischer Art
anbieten. Aber das muß nun mal nicht sein, bescheideten wir uns. Was uns nicht
schwer fiel, weil zufällig beide Flugzeuge, die das Fleisch bringen sollten,
kaputt waren. Warum nicht eines der unendlich vielen tonganischen Schweine
dafür verwendet werden kann, habe ich nicht rausgefunden.
Bernie
ist seit Jahren mit einer Tonganerin verheiratet, mit der er auch schon
Nachwuchs hat. Die beiden haben auf uns einen zufriedenen Eindruck gemacht,
obwohl es sicher nicht so leicht ist, an einem derart abgelegenen Platz, nur
erreichbar mit dem Schiff, eine Existenz zu finden. Strom muß an Ort und Stelle
mit Generator und Solarzellen hergestellt werden, ebenso Wasser. Es ist
schon eine beachtliche Leistung, unter solchen Umständen zu leben und eine
Familie zu ernähren.
In diesem Teil der Welt wird man ja immer wieder
mit Aussteigerträumen ("kleine Insel mit ein paar Palmen")
konfrontiert, die ja meist schiefgehen, weil die wenigsten die notwendige
Energie und den Fleiß für ein Leben in der Einsamkeit mitbringen. Diejenigen,
die es wirklich "geschafft" haben, verfügen - wie Bernie - über zwei
unabdingbare Charaktereigenschaften (die eben die meisten Träumer nicht haben),
nämlich über Fleiß und Zielstrebigkeit.
Von Bernies Resort aus hat man einen wunderbaren
Blick aufs offene Meer, wo gar nicht so selten Buckelwale mit ihren Jungen
auszumachen sind. Nach der anderen Seite öffnet sich der Blick auf die paar
Yachten, die hier manchmal, nicht immer, vor Anker liegen. Es ist übrigens ein
Irrtum zu glauben, dass die "ganz einsamen" Buchten die Traumbuchten
sind. Das wird einem spätestens nach ein, zwei Tagen langweilig. Man segelt ja
auch, um Bekanntschaften am Ankerplatz zu machen.
Neben
uns lag ein Charterkatamaran. Bei Bernie, während des Abendessens, lernten wir
die australische Familie näher kennen: Ein Ehepaar mit vier netten und vor
allem aufgeweckten Jungs, die kein Hehl draus machten, dass sie nur am
Schnellsegeln interessiert seien. 12 Knoten seien sie heute schon gelaufen.
Ein wenig hab ich mich schon gewundert über das
doch recht einseitige Interesse der Jungens. Aber als wir später an Bord des
Kats waren, ging mir ein Licht auf. Der Apfel fällt nicht weit...
Der sportliche Vater der vier, Simon, erzählte da
- so nebenbei - dass er den Geschwindigkeitsweltrekord unter Segel halten
würde. ??? Wie schnell? "Über 46 Knoten" lächelte Simon. Und
tatsächlich: Später entdeckte ich im Internet im Guinness-Buch der Rekorde
folgenden Eintrag:
"On 26 October 1993 the trifoiler* Yellow Pages ENDEAVOUR reached a speed of 46.52 knots (86.21 km/h or 53.57 mph) while on a timed run of 500m (547 yards) at Sandy Point near Melbourne, Victoria, Australia. This is the highest speed ever reached by any craft under sail on water. The craft has a 12m high sail and three short planing hulls. It was designed by Lindsay Cunningham and piloted by Simon McKeon and Tim Daddo, both from Australia."
Einer der Vorteile von längeren Liegezeiten, ist
der engere Kontakt zu den Einheimischen. Was mit Tonganer nicht schwierig ist.
Vielleicht lassen sie sich nicht so vordergründig die Lebensfreude merken wie
die "französichen" Polynesier, was sicher auch dem Einfluß der
Kirchen zuzuschreiben ist. Aber Ihre Liebenswürdigkeit steht den Tahitianern
nicht nach. Den Taxifahrer in seinem verrosteten Van hörte ich "Three"
sagen. Worauf ich leise protestierte, denn beim letzten Mal hatte ich 1 Pa' anga 50
(ein halber Euro) bezahlt. Worauf der mir unbekannte Taxifahrer mein
Mißverständnis aufklärte: "Not three, free - I give You a free ride!"
Keine Ahnung, warum!
Tonga
ist preiswert, vor allem wenn man aus Französisch Polynesien kommt. Was dazu
führt, dass die Küche an Bord oft kalt bleibt. Es gibt eine Reihe von Lokalen,
deren Essen akzeptabel ist. Das Essen beim Dancing Rooster ist dagegen Spitze,
was natürlich am Eigentümer und gleichzeitig Küchenchef liegt. Und es ist -
wiederum - sicher kein Zufall, dass Günter Schnell ein Europäer, nämlich ein
Schweizer (aus Basel) ist.
Dass er sein Handwerk in Europa gelernt hat, merkt
man, man fühlt sich wie beim Haubenkoch. Seine gegrillten Lobster sind
ungewöhnlich zart, sein Sashimi vom Mahi mahi oder Wahoo zergeht auf der Zunge
und - für jeden Geschmack etwas - sein Schweinebraten (vom Neuseeländischen
Schwein?)ist so kross, als säße man in München beim Franziskaner.
Wenn
man jetzt noch bedenkt, dass Tonga schon am Ende der Welt liegt und das Dorf Neiafu mit seinen 1000 Einwohnern erst recht, dann kann man vielleicht ermessen,
wie schwierig es ist, eine solche Küche anzubieten und das Ganze zu einem
Preis, dass einige deutsche Yachten bei Günter zu Stammgästen geworden sind.
Freilich, wo kann man denn schon zu einem Spitzenkoch mit dem Beiboot 300 Meter
hinmotoren, um am restauranteigenen Steg anzulegen.
Günter
ist, vielleicht ein Grund für seine offensichtliche Zufriedenheit, mit einer
gütigen Tonganerin verheiratet und hat mit ihr zwei Söhne. Der vierjährige
spricht übrigens neben seiner Muttersprache tonganisch auch die Vatersprache
fließend, die in der großen Familie sonst niemand versteht: Schwyzerdütsch.
Der Bruder, von Günters Frau hat vor ein paar Tagen geheiratet und Carla und
ich waren zur Hochzeit eingeladen.
Obgleich die Trauung katholisch erfolgte
unterschied sich die Hochzeitsmesse doch beträchtlich von europäischen
Verheiratungen, wo sich die Aktivitäten des Brautpaars in der Kirche ja auf das
gegenseitige "Ja" mehr oder weniger beschränken. In Tonga wirkt das
Brautpaar ganz offensichtlich sehr aktiv an der Gestaltung der Messe mit, was
der Feier einen sehr natürlichen Anstrich gibt.
Noch
natürlicher aber ist die nachfolgende Hochzeitsfeier mit Festessen. Ganz
offensichtlich ist die Ausrichtung der Feier eine ausgesprochene
Prestige-Angelegenheit. Obwohl der Bräutigam als Angestellter in einem
"Supermarkt" nicht gerade eine Spitzenstellung einnimmt, sprengte die
Hochzeitsfeier in unseren Augen das Vorstellbare.
Rund 250 geladene Gäste, teils in tonganischer
Tracht, hatten sich zum Festessen eingefunden. Mehrere Haushalte hatten
sich in die Aufgabe geteilt, das Festessen vorzubereiten. Der ganze - neue -
Hausstand des Brautpaars wurde auf kleinen Lastwägen zum eigens
errichteten
Festzelt gekarrt. Vom Brautbett angefangen bis zur neuen
Schrankgarnitur.
Günter
erzählte, dass es für jede Familie ganz wichtig sei, eine großartige Hochzeit
auszurichten. Meist ginge das alles ohne Bankkredit nicht und tatsächlich
würden sich viele auf lange Zeit hinweg verschulden. Oft würde dies auch
tragische Ausmaße annehmen. Denn wenn zur Unzeit wieder eine großes Fest
fällig würde (so bei einem Todesfall), müssten sich die braven Leute ein
zweites Mal verschulden, was oft die finanziellen Kräfte einer Familie
überfordern würde.
Wir konnten die vielen Reden, vielleicht ein
Dutzend, nicht verstehen, aber es war schon beeindruckend, wie hier zum
Teil offensichtlich einfache Menschen ohne zu räuspern, ohne Manuskript, ohne
zu stottern den richtigen Ton fanden, die Menschen zu rühren. Reden scheinen
bei den Tonganern eine wichtige Bedeutung zu haben, denn alle lauschten den
Worten, des Brautvaters, des Bräutigams, des Pfarrers, des Familienchefs mit
großer Aufmerksamkeit und oft, sehr oft, brachen Redner und 250 Zuhörer wie
auf Kommando in Tränen aus.
Das
Essen zu beschreiben fällt schwer. Denn es ist nur ein despektierlich
klingender Ausdruck angebracht: "Fresserei".
Ich hab alleine am oberen
Tisch mit den offensichtlich etwas wichtigeren Gästen 10 gegrillte Schweine
gezählt. Nicht gerechnet, die Schweine, die im Umo, dem Erdofen zubereitet und
in portionsgerechte Stücke zerteilt waren. Daneben: Eine Kuh war geschlachtet
worden, unzählige Hühner mussten daran glauben und herrliche Fische waren
meist zu Ota ika (roher Fisch) verarbeitet.
Eine Besonderheit (und eigentlich schade): Als
Getränke wurden ausschließlich Softdrinks, also Limonaden und Fruchtsäfte
gereicht, kein Bier, kein Wein, Schnaps sowieso nicht. Und das, obwohl Tonganer
berauschenden Getränken gegenüber keineswegs abgeneigt sind.
Unsere Tage in Tonga sind gezählt. Den Südsommer
über wollen wir uns Australien gönnen. So sollte die nächste Station
Neukaledonien sein, bevor wir nach Brisbane kommen. Ausklariert ist schon, aber
ein Trog über Tonga mit Westwinden will uns noch ein paar Tage in Neiafu
behalten. Wir werden sehen...
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