700 Meilen lagen noch vor der THALASSA auf ihrem
Weg nach Australien. Ein Wetterfenster war ihnen versprochen worden, das trotz
der noch nicht sehr günstigen Jahreszeit Schiebewinde aus Südost verhieß...
September 2003 -
endlich Australien, das gelobte Land?
Der falsche GPS-Standort wiederholte sich nicht
mehr, mindestens haben wir es nicht gemerkt. Denn bei kleinen Fehlern würde er
ja nur auffallen, wenn man simultan ein zweites Navigationssystem benutzen
würde, Und das müsste in der Genauigkeit schon gleichwertig sein, was es
derzeit noch nicht gibt. Auf offener See spielen kleine Ungenauigkeiten ja in der Praxis keine Rolle,
soweit man nicht nahe an Riffen oder sonstigen Untiefen rumnavigiert. Und
solche, das war das Angenehme an der Strecke von Neukaledonien nach
Brisbane/Australien, gab es hier nicht. Zog man einen Kursstrich bis zur Einfahrt
in die Moreton Bay, die unserem Ziel Scarborough vorlag, so streifte der
Bleistiftstrich in der Karte lediglich eine auffällige Untiefe mit 10 Metern.
Der musste man bei wirklich schlechtem Wetter wegen der Gefahr von Grundseen
schon aus dem Weg gehen. Laut Wettervorhersage brauchten wir aber damit nicht
rechnen.
Südost-Wind hätten wir haben sollen, aber davon
war nichts zu spüren. Unser Motor schnurrte, wir konnten das Ziel anlegen,
was bei Flaute immerhin ein Vorteil ist. Würde Wind von vorne kommen, würde es
sehr schnell ziemlich schlecht aussehen. Denn mit einer Maschine und Flaute
laufen wir fast sechs Knoten, hält der Wind nur mit 25 Knoten dagegen, geht die
Geschwindigkeit wegen des großen Windwiderstandes des Katamarans sehr schnell
auf 2 Knoten zurück. Das heißt, motoren lohnt dann nicht mehr.
Und genauso kam es. Ja noch schlimmer. Trotz der
Wettervorhersage "variable Winde" wehte bald ein steifer Wind mit 30
Knoten genau von vorne. Es mag wohl die Ungemütlichkeit dieser Art von
"Segeln" eine Rolle gespielt haben, jedenfalls musste sich Carla
während des ganzen Abendessens einen Vortrag anhören über die generelle
Unzuverlässigkeit von Wettervorhersagen. Da stehen den Wetterdiensten heute
riesige Computer und jede Menge scharfäugiger Satelliten zur Verfügung, doch
die Qualität der Prognosen ist, nüchtern betrachtet, derart mies, dass man dazu auch das Kartenlesen
, das Schätzen oder die althergebrachten Wetterregeln ("Regen nach dem
Wind..." oder "Abendrot...") benutzen könnte. Die Trefferquote
ist ähnlich wie bei einem Zeitungshoroskop. In einem sind die
Wetterfrösche allerdings Spitze: Im Erklären, warum das Wetter so und so
geworden ist.
Tatsächlich
stimmte die Vorhersage während dieses ganzen Törns nicht ein einziges Mal,
obwohl wir täglich mindestens zweimal das Wetter einholten, einmal über Funk
und einmal mit Hilfe von Pactor von Brisbane. Wenn die Wetterfrösche sich
mindestens zu unseren Gunsten geirrt hätten! Nein, der versprochene Wind aus
Südost verkehrte sich in einen ausgesprochen bösartigen 30-Knotenwind aus
Südwest, also aus unserer Zielgegend.
Es wurde ungemütlich. Ein angeblicher Nachteil von
Katamaranen ist ja seine schlechte Amwindleistung. Das kann ich nun wirklich
nicht bestätigen. Die Windlupe zeigte Werte an, die ich hier lieber nicht
wiederhole, weil sie sonst in Zweifel gezogen würden. Jedenfalls läuft er
sicher höher am Wind als unsere frühere THALASSA II, eine Sloop. Der Haken ist
ein ganz anderer. Wegen der zwei Rümpfe, die hier gegen die Wellen krachen,
wird es an Bord so ungemütlich, jedenfalls für uns, dass man freiwillig die
Geschwindigkeit reduziert. Und das geht nur übers Segelverkürzen, also reffen
- bis es erträglich ist. Logisch: Das Gegenanbolzen mit einem Mono ist schon
unbeliebt, und da ist für die Tortur nur ein einziger Rumpf verantwortlich.
Keine besonderen Vorkommnisse sonst. Keine Delphine
und auch sonst keine Lebewesen um uns herum, von einem riesigen Buckelwal mal
abgesehen. Aber die Technik sorgt schon dafür, dass es einem bei einem
Ozeantörn nicht langweilig wird: Immer wenn wir einen Motor abstellen, wird
sein Ölstand etc überprüft und die Motorbilge mit der Taschenlampe
kontrolliert. Doch was war das? Staubtrocken sollte sie sein! Tatsächlich
schwappten viele Liter Wasser hin und her. Nach der ersten Schrecksekunde die
Geschmacksprobe: Süßwasser, also keine größeren Schwierigkeiten zu erwarten.
Trotzdem: Eigentlich hätte die automatische Bilgepumpe anspringen und mit
Pfeifton Alarm geben müssen. Hat sie aber nicht getan, vielleicht deswegen,
weil sie noch nie in Funktion war. Eine einfache Erklärung fanden die 30 Liter
Wasser in der Motorenbilge: Die Frischwasserpumpe, die alle Wasserhähne im
Schiff (Pantry, Toiletten) mit Süßwasser versorgen sollte, war undicht
geworden (Membrane perforiert) und hatte bei jedem Anlaufen ein paar Liter
Süßwasser unter den Motor gepumpt.
Das bedeutete eigentlich, dass es keine Möglichkeit mehr gab, an die 700 Liter in
den Süßwassertanks ranzukommen, was dramatischer klingt als es ist. Denn
auf einer normal ausgestatteten Fahrtenyacht gibt es die Gefahr des Verdurstens
gar nicht, weil die vorhandenen Flaschen mit trinkbarer Flüssigkeit (Wasser,
Cola, Bier) mindestens ein halbes Jahr ausreichen würden, um solch eine Gefahr zu
bannen. Aber Körperwäsche, und so, ist nicht. Wäre nicht mehr, wenn ich nicht
zusätzlich Fußpumpen (Gusher) auf den Toiletten und in der Pantry einbauen
hätte lassen, was beim Bau des Kats in der Werft etwas belächelt worden ist.
Merke: "Was auf einem Segelschiff kaputtgehen kann, wird auch
kaputtgehen..."
Wir hatten auch jede Menge anderer Flaschen an
Bord, was uns etwas Sorgen machte. Denn in jedem Hafen, indem wir einen
Schiffshändler vorfanden, nutzten wir die Gelegenheit, uns zollfrei mit
Spirituosen einzudecken, vor allem im Hinblick auf die hohen Preise im Pazifik.
"You must have a very big boat", hatte die Schiffshändlerin in
Gibraltar meine Bestellung quittiert. Tatsächlich sind wir dann später auch etwas
erschrocken über die hohe Anzahl der Bottles, die sich nach diversen
Hafenstopps in den zahlreichen Schubladen und Schränken auf der THALASSA
angesammelt hatten. Früher haben die Zollbehörden fast aller
Länder das sehr locker gesehen, aber in Tahiti und in Neukaledonien waren
unsere Schnapsvorräte verplombt worden. Von den australischen Behörden hatten
wir gehört, dass sie besonders kleinlich sein sollen.
Mühsam
knüppelten wir gen Südwesten, pro
Tag keine 100 Seemeilen. Und als am achten Tag Brisbane nahe sein musste, hatten
wir bis jetzt ein einziges Etmal mit über 100 Meilen verzeichnet. Das sind eben die Realitäten beim
Blauwassersegeln. Ich mag die Frage "so ein Kat ist sicher sehr
schnell?" schon gar nicht mehr hören.
Was uns auch beschäftigte, waren die zu
erwartenden Einreiseformalitäten in Australien. Ein Visum hatten wir uns im
Internetcafe in Tonga übers weltweite Web besorgt - was es nicht alles im
Internet gibt! In Noumea hatte uns der Hafenkapitän eine Tüte mit den
Formularen der australischen Behörden in die Hände gedrückt - nebst
Kugelschreiber des australischen Zolls und dem Hinweis, dass Suchhunde unser
Schiff durchsuchen würden. Na, bitte! Vor allem aber war da eine Aufforderung,
unsere Ankunft 48 Stunden vorher dem australischen Zoll anzuzeigen, per Fax,
Telefon oder Email. Frage: Was macht eine Yacht, die über diese Möglichkeiten
auf hoher See nicht verfügt? Wir meldeten uns per Email an: "ETA Friday
noon, depending on wind/weather."
80 Meilen vom Ziel entfernt, motorten wir wieder einmal durch ein
Flautenloch, als ein Brummen unseren Perkins übertönte. Eine großes graues
Flugzeug mit 2 Motoren zog um uns eine Schleife, verschwand am Horizont -
und kam nach einer halben Stunde nochmals. Wie wir später erfuhren, versuchte
der Coast-Guard-Pilot mit uns über Kanal 16 Kontakt aufzunehmen, aber wir
hatten ja nicht im Traum daran gedacht, dass der Besuch uns galt, deshalb war
auch das VHF nicht eingeschaltet.
Vor der Ansteuerung Scarboroughs, einer der wenigen
zugelassenen Landeplätze für Neuankömmlinge aus dem Ausland, waren wir etwas nervös
gewesen. Denn weit, 20 Meilen oder so, vor der Marina ist die Morton Bay
vorgelagert, die wegen des flachen Wassers nicht so ohne weiteres auf direktem
Weg überquert werden kann. Damit wir noch zu den Dienstzeiten ankommen
würden, hatten wir errechnet, dass wir mit dem ersten Tageslicht die
Ansteuerungstonne zum Nord-Ost-Kanal erwischen sollten. Kein Kunststück mit dem
GPS. Bei Sonnenaufgang hatten wir die Tonne auf dem Radar, es war gerade hell genug, um die
Kennung "N2" ablesen zu können.
Die
Windstille war durchaus in unserem Sinne, denn so konnten wir die Tonnen in
Ruhe abmotoren. Trotz der guten Betonnung war das
unentbehrliche GPS eine große
Hilfe wegen der zusätzlichen Sicherheit. Allerdings wies die Ansteuerungskarte
in großen Buchstaben darauf hin, dass GPS-Positionen nach dem Vermessungssystem
WGS84 nicht in die Karte übertragen werden dürfen. Aber die heutigen
GPS-Empfänger sind ja praktisch ausnahmslos so üppig softwaremäßig
ausgestattet, dass es nur ein paar Tastendrücke bedurfte, um auf das
Australische Vermessungssystem umzustellen.
Bisschen nervig waren die geringen Wassertiefen
schon, vor allem, wenn das Echolot unter die 4 Meter ging, denn man verlässt
sich ja mangels Landmarken in Sichtweite ausschließlich auf die Richtigkeit von Zahlen auf dem Papier. Eine
Beruhigung war dann jeweils, wenn das Sonar voraus keine Hindernisse anzeigte.
Riesige Sandstrände passierten wir später, an denen man
Badende trotz der geringen Wassertemperatur von 19 Grad (immerhin kamen wir aus
den Tropen) im Fernglas beobachten konnten. Als uns im Fahrwasser die ersten
"Biggys" entgegenkamen, fassten wir mehr Zutrauen zu den Angaben in
der Karte, die uns ermutigten, ein paar Abkürzungen zu fahren. Denn schließlich
hatten wir steigende Tide (Tidenunterschied knapp 2 Meter), wie wir aus dem weltweiten Tiden-Computerprogramm (WXTide32 - Freeware) wussten.
Es hätte also nicht viel passieren können.
In die Marina selbst führte nochmals ein schmaler
Tonnenweg mit einer garantierten Wassertiefe von mindestens zwei Meter während
Low Tide. Dann waren wir in Scarborough.
Über
Kanal 67 bekamen wir den Weg zum Quarantänedock gezeigt, das doch ziemlich
respekteinflössend war. In allen Ländern der Welt reicht das Setzen der gelben
Flagge bei der Einreise völlig, dann gehst Du in die Stadt zum Zoll u.s.w.
Nicht in Australien! Das Quarantänedock war mit einem starken Gitter hermetisch
sozusagen gegen Australien abgeschottet, mit vielen Verbotschildern dran (Tiere,
Waffen, Krankheiten etc!). Es hätten ohnehin keine Möglichkeiten bestanden,
das gelobte Land zu betreten, denn das Schloss zur Marina war ausbruchssicher
abgesperrt. Gut gelaunt, weil angekommen, warteten wir ein paar Stunden, bis zwei
Uniformierte das große Türschloss aufsperrten - bewaffnet mit Schubkarren, "Quarantäne"-Absperrbänder,
einem Dutzend gelbe Abfalltüten (groß) und einer Taschenlampe.
Für was denn der Schubkarren sei, wollten wir
wissen. Der sei für die beschlagnahmten Lebensmittel. Aha!
Alle(!)
Schränke und Schubladen inspizierten die beiden ausnehmend freundlichen
Beamten. Dann ein hysterischer Schrei im Stb-Rumpf: "Da ist eine
Ameise!" Wir sahen uns schon draußen an der Quarantäne-Muring hängen.
Das arme Tier wurde mit einem klebrigen Pinsel gejagt und gefangen, in einem
Reagenzglas ertränkt und untersucht. Diagnose: "Its not an ant, its a
mini-spider!" Für das Tierchen zu spät. Alles in Allem: Eine halbe
Zwiebel und ein Käse wurden beschlagnahmt. Gebühren für die Amtshandlung:
Runde 70 Euro. Trotzdem - es war ein Vergnügen mit denen.
Dem
Besuch vom Zoll sahen wir wegen unserer Flaschen mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Ich hatte ein entsprechende Liste vorbereitet, da der Platz auf der australischen Zollerklärung
nicht ausgereicht hätte. Außerdem hatte ich ein weiteres Verzeichnis für das
elektronische Equipment vorbereitet mit Modellnummer etc. Die beiden Zöllner
(Begrüßung: "Guter Tag"), ebenfalls extrem freundlich und
hilfsbereit, waren dankbar für die Liste und meinten, die Fotoapparate müssen
nicht angegeben werden. Mein Angebot, den Schnaps zu verzollen, wurde abgelehnt,
da wir doch nur an Bord das konsumieren würden. Als er allerdings meine Liste
sah , kratzte er sich hinterm Ohr: "Thats much more, that we usual expect!"
Zusammenfassend: Trotz der peniblen Gründlichkeit
ein erfrischend freundlicher Empfang!
Die
nächsten Tage bestätigten, dass Australien ein Volltreffer ist. In Deutschland
hab ich ja gelesen, dass die Wirtschaft Australien ziemlich am Boden ist. Die
Fakten sind aber irritierend: Wachstum vier Prozent, Inflation 1 Prozent. Von
Armut auf den Straßen keine Spur, dabei gehört der Bezirk, in dem die Marina
Scarborough liegt, zu den ärmsten in Australien.
Die Marina bietet alles, was
man sich so wünscht. Und das zum halben Preis wie im Mittelmeer.
Der Schiffspark sieht etwas anders aus als in
Europa. Nicht soviel "aalglatte" Plastikschiffe, dafür viele
Langkieler und vor allem viele große Schiffe, von 14 Meter aufwärts. Auch hier sind Katamarane
sichtbar im Kommen, vor allem aus australischer Produktion. Was für uns interessant
war: Hier trafen wir eine 48-Fuß-X-Yacht (X-482) wieder, ein schneller
Schiffstyp, der ja berühmt ist für seine guten Am-Wind-Eigenschaften. Sie
waren mit starker Mannschaft zur gleichen Zeit wie wir in Noumea nach Australien
abgesegelt und sie brauchten genauso lang wie wir - acht Tage. Aber auf der THALASSA blieben die vollen
Gläser auf dem Tisch stehen.
Ein besonderer Gag hier in der Marina: Es gibt auf
dem Schiff einen schnellen Internetzugang (per Funk zur Antenne auf dem Dach der
Marinaverwaltung und dann per Satelliten! Toll, wenn man auf der Yacht dann den
Computer einschaltet und von bis dahin Fremden so ein Email bekommt:
"Hallo Ihr Beiden,
wenn es Euch passt, holen wir Euch am Donnerstag gegen 0930h ab. Nach Aussie Sitte, bringen wir einen Picknick Korb mit. Wir freuen uns
schon auf ein Kennenlernen.
Bis dann, Ciao (good old Aussie Slang, hah - hah!)
Clem und Ulla"
Der
Ausflug öffnete uns schon ein ganz klein wenig die Augen für dieses
fantastische Land mit seinen 18 Millionen Einwohnern. Allein die Provinz
Queensland ist viermal so groß wie die alte Bundesrepublik. Und deren
Hauptstadt Brisbane ist mit einer Ausdehnung von 120 Kilometern die
zweitgrößte Stadt der Welt. Vor allem aber gibt es jede Menge Strände, einer
ist gar 180 Kilometer lang, und zahlreiche Flüsse, in denen die begüterten Australier
(offensichtlich gibt es derer viele) die Yacht am eigenen Steg liegen haben. Vor
allem aber gibt es das große sagenhafte Barriere-Riff, das wir sicher in
nächster Zeit besuchen wollen. Oder vielleicht segeln wir doch wieder zurück
in die Südsee?
zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/n000/spac17.html
Impressum und Datenschutzerklärung