Ein halbes Jahr Australien - das reicht. Sollte man
meinen. Tatsächlich war es für die Thalassa ein lohnender Aufenthalt. Aber
heute ist es nicht mehr so leicht, irgendwo länger zu bleiben. Die
Bürokratie...
Juni 2004 -
der große Bogen ums Barriere-Riff
Also, die übliche Planung von Langfahrtseglern,
die für die Hurricanezeit aus der Südsee nach dem Süden, nach Neuseeland oder Australien
ausweichen, lautet: Auto oder Wohnmobil kaufen, Land erforschen, Auto verkaufen
(möglichst mit Gewinn) und wieder "rauf" in die Tropen. Das alles
schien uns zu stressig. Schließlich hatten wir Zeit, und mussten nichts "erledigen".
Gegen Neuseeland hatten wir uns entschieden, weil
es uns immer wieder angepriesen worden war als "so schön wie Bayern".
So blieb Australien übrig, und wir bereuten es nicht. Obwohl wir
kein Auto kauften und obwohl wir nicht "das Land erforschten". Aber
wir bekamen einen guten, sympathischen Eindruck vom Land und von den
Australiern. Und wir genossen es, eine Zeitlang in einer Marina zu sitzen,
nämlich in Redcliffe in der Moreton Bay. Und wir schätzten die Stadtnähe zu
Brisbane, mit dem Zug bequen im 90 Minuten zu erreichen.
Langweilig? Nein, eher stressig. Denn im Oktober
flogen wir zum Ecker-Cup, um ihn als Schiedsrichter auf dem Vollschiff KHERSONES zu
begleiten. Für mich war es eines der größten Segelerlebnisse, zuzuschauen,
wie das fast 110 Meter lange Schiff von 90 Mann Besatzung unter Segeln mit 14
Knoten bewegt wird. Wobei für die 2700 Quadratmeter Tuch keine Winsch oder
Klemme zur Verfügung steht. Der Bootsmann beherrscht den Stoppersteg, den Rest
machen je Mast 25 Kadetten. Das ist Seemannschaft in Perfektion!
Zurück in Australien machten wir einen Wochenend-Ausflug nach Melbourne zum Formel1-Rennen. Schon eindrucksvoll, wenn 120
Tausend Menschen einem Deutschen zujubeln und ehrfürchtig die Hymne dazu
hören.

Ja, ganz plötzlich hatte in der Marina das
Rennfieber um sich gegriffen. Renee und Martina vom Katamaran Windpocke hatten
eine Kart-Bahn entdeckt und bald fielen die Yachties dort ein. Am ehrgeizigsten
war der fast 70-jährige Amerikaner Ron (rechts) von der Gemini, der schon bald einen
Trick fand, wie der Vergaser der Mietautos mittels Wäscheklammer so verstellt werden konnte, dass man
ein paar kmh aus dem Kart mehr rauskitzeln konnte. Im Gegensatz zu Melbourne hatten wir aber
keine Zuschauer bei unseren Rennen. Halt, so ganz stimmt das nicht. Als Karla
frühmorgens eine schnelle Runde drehte, stand in der Kurve ein leibhaftiges
Känguruh. Carla rutschte vor Schreck in die Reifenstapel.
Die Crews der
Windpocke und der Menevado entdeckten
noch ein zweites Hobby. Sie lernten auf einem nahe gelegenen Flugplatz Fliegen
mit diesen sirrenden ultraleichten "Nähmaschinchen". Außerdem flogen Renee und
Martina nach Neuseeland und waren begeistert von diesem ursprünglichen Land mit
seinen herzlichen Menschen. Kerstin, Bernd und die kleine Luca
(rechts)
besuchten
ebenfalls Neuseeland. Dort hatten sie einen (unverschuldeten) Unfall mit ihrem
Mietwagen, eiskaltes regnerisches Wetter und größte Probleme bei
der Zimmerbeschaffung, weil Neuseeland wegen dem Film-Epos "der Herr der
Ringe" touristisch völlig überlaufen war. Für sie ist Neuseeland
erledigt. Wenn zwei dasselbe tun...
Renee
und Martina (links) hatten ebenfalls Pech. Ihr frisch gekauftes Auto wurde
ihnen gestohlen. Und als man es wiederfand, war die Polizei zu faul, sie zu
verständigen. Derweil hielten sie sich einen Mietwagen und als sie endlich Ihr
eigenes Auto zurückerhielten, knöpfte man ihnen noch ein paar hundert Dollar
"Parkgebühr" ab. Renee schwärmt nicht besonders von Australien.
Unsere Marina war erstklassig, wenn man mal davon
absieht, dass das Wasser viel zu dreckig war, um mal reinzuspringen. Stattdessen
fuhren wir täglich zum Schwimmen - in ein Schwimmbad (dank der Großzügigkeit
von Martina und Renee, die uns ihr Auto liehen - wie peinlich, das hatten wir
uns erspart!). Die Australier sind ja
geradezu leidenschaftliche Schwimmer, das ist so eine Art Volkssport. So traf man
früh am Morgen Freizeitschwimmer
jeden Alters, die endlos ihre Bahn durchs chlorierte Wasser zogen. Damit es mir
nicht zu langweilig wurde, nahm ich bei einem 1,90-Athleten - Typ
Kleiderschrank ("my profession is swimmer") - eine
"Lektion in Freistil": Tatsächlich verbesserte ich meine Zeit um 8
Sekunden auf 40,8 Sekunden über die 50-Meter-Bahn. Als ich meinen "Coach" nach
seiner Zeit fragte, meinte er trocken: "fourtyseven". Auf 100 Meter
wohlgemerkt. Das ist schneller als es der Mark Spitz je konnte.
Einen Schrecken jagte uns ein Besucher aus
Deutschland ein, der
sich mit den Worten ankündigte: "Könnte ich Sie zu einem Schlag am
Nachmittag überreden!". Der Zufall half. Beide Propeller am Saildrive
waren abmontiert (wegen Anodenwechsel), und so brauchte ich nicht lange nach
einer Ausrede suchen. Denn die Thalassa ist kein Schiff, mit der man mal so vor
die Türe segelt. Ja, wenn ich eine Crew von acht Burschen hätt, die ich
rumkommandieren könnt, vielleicht! Aber auch nicht in der Moreton Bay vor
unserer Marina. Denn das
ist kein Revier zum Spazierenfahren. Und so sah man unter den Langfahrtseglern
auch niemand in der Hafeneinfahrt - monatelang.
Unser Motto mit diesem großen Schiff ist: Lange
Schläge, lange Hafenaufenthalte! Im übrigen ist auf so einem Schiff immer was
zu tun. Beispiele gefällig: Die Gelbatterien (Scheißdinger) flogen nunmehr zum zweiten
Male raus und wurden gegen richtig gute, weil billige, Batterien ersetzt. Der
bedächtige Mechaniker Jim (Stundenlohn 40 Euro) wurde praktisch zum
Dauerangestellten. Am Ende kassierte er einen fünfstelligen
Dollarbetrag. Wofür allerdings nur ein Umstand was konnte, und das war der
"schwarze Tod", wie die Australier sagen.
In den Gesellschaftsinseln
waren beide Maschinen stehen geblieben, weil die Treibstoffleitungen vom
Tagestank zu den Maschinen mit einem
baatzigen, teerähnlichen Stoff blockiert
waren. Mikroorganismen sind das, wie mich Jim aufklärte. Und das, obwohl ich
ohnehin im Treibstoff immer einen Zusatz verwendet hatte, der gerade deren
Bildung verhindern sollte. Jim überredete mich zum Einbau von sechs(!) zusätzlichen
Filtern in den Treibstoffleitungen, davon zwei "Decontaminatoren", die
mit starken Magneten diese Mikros so zerkleinern sollen, dass sie die Maschine
verarbeiten
kann. Theoretisch?
Und so war das Innere der THALASSA
monatelang ein fast
unbewohnbares Chaos, etwas, was ich bei dieser Schiffsgröße nicht mehr für
möglich gehalten hätte.
Es war nicht nur die Marina mit ihren Annehmlichkeiten
(Internet an Bord), die unseren Aufenthalt verschönert hat. Es waren auch die
"Bewohner" der Marina. Viele von ihnen sind Dauerlieger, leben also an
Bord. Und sind fast immer begeisterte Yachtsleute. In der Marina fand ich die
vielleicht schönsten Eigenbauten, die mir je begegnet sind. Mein Nachbar Ernie
hatte sich gleich einen 43-Fuß-Katamaran gebaut (und ihn auch schon nach Fijii
und Vanuatu gesegelt), wie er schöner in Europa nicht angeboten wird (Bilder
oben).
Auf seiner Jaguar ist alles vom feinsten. Aber er
hat auch graue Haare über dem jahrelangen Bau bekommen. Schließlich mussten er
und sein Freund, der gleichzeitig einen Katamaran baute, zunächst mal eine
Halle erstellen. In Australien herrscht eben noch Settlermentalität, da gibt es
keine unüberwindlichen Hindernisse.
Howard
hatte in 5000 Arbeitsstunden ein Juwel von 7-Meter-Schiff aus Holz (links) gezimmert.
Komplett bis zu den Fendern selbstgebastelt!
So an die 50 Blauwassersegler sind es wohl gewesen,
die übers Jahr in der Marina waren. Und so ergab sich ein Veranstaltungsrhytmus,
der die Monate kurzweilig vergehen ließ: Jeden Montag veranstaltete Fletsch,
selbst Weltumsegler und Inhaber des Schiffszubehörgeschäfts in der Marina einen
BBQ für die "cruising people", Mittwoch dann Abendessen beim RSL und Sonntag
stand "der Chinese" für die Yachties auf dem Programm.
RSL? Ein Veteranenclub. Eine vorteilhafte, doch
sonderbare Einrichtung. Du wirst Mitglied für einen Jahresbeitrag von 3 Euro.
Damit erwirbst Du das Recht, nicht nur im Club verbilligten Schnaps einzukaufen,
sondern auch im Restaurant zu essen, wobei es eine besonderer Attraktion am
Mittwoch gab: Das Essen für eine Begleitung kostete nichts, sodass die 20
Yachties sich für je vier Euro mit einem dreigängigen Menü inklusive
Nachspeisenbuffet mit Eiscrem aus der Maschine den Magen vollschlagen konnten.
Allerdings: Pünktlich um 6 p.m. war das Essen zu unterbrechen zu einer Gedenkminute für gefallene australische Soldaten - begleitet von einem
Trompetensolo bei abgedunkeltem Licht. Andere Länder, gute Sitten! Im Jahresbeitrag ist zudem ein kostenloses Geburtstagsmenü (mit Drink von der Bar)
eingeschlossen. Wie rechnet sich das, fragt der misstrauische Deutsche? Eine
Antwort könnte vielleicht der Nebenraum im RSL geben, vollgestopft mit Pokies (Spielautomaten).
25 Prozent all dieser einarmigen Banditen auf der Welt stehen in Australien.
Trotz RSL, Schwimmen und Gokart
- unsere Zeit lief
ab. Vor allem das Visum. Australien hat wohl die strengsten Einreisebedingungen.
Logisch, ein Land mit soviel Platz und hoher Lebensqualität ist attraktiv. Für
viele! Die meisten Deutschen, die wir in Queensland trafen, sind inzwischen
Australier, wie der TO-Stützpunktleiter Elmar Haag. Elmar hat selbst die Ozeane
der Welt besegelt und lebt jetzt zusammen mit seiner japanischen Frau in
Cleveland, eine Bahnstunde von Brisbane entfernt. Und wie! Sein Haus liegt
direkt am Wasser mit Steg für eine 15-Meter-Yacht vor der Haustüre. Dieser
Lebensstil scheint in Cleveland Standard zu sein.
Die Eintrittskarte ins begehrte Land, das Visum, kostet nicht nur eine Menge Dollars, sondern es kann
einem schon passieren, dass man zum Arzt für eine Lungenaufnahme geschickt
wird, von der gewünschten Bestätigung der Krankenkasse, dass sie im Fall des
Falles für alles aufkommt, ganz zu schweigen.
Beim Zoll in Brisbane war man extrem freundlich
("wie hoffen, dass Sie mit unserem Service zufrieden waren"). Aber
unflexibel! Denn wohin wir ausklarieren wollten, wussten wir einen Tag vor der
Abfahrt noch gar nicht.
Zwei Möglichkeiten fassten wir ins Auge, einmal zurück nach Neukaledonien,
oder Generalkurs West, also zunächst nach Norden Richtung Barriere Riff. Aber
der Zoll ließ sich darauf nicht ein: "Das gibt es nicht, dass sie nicht wissen,
wohin sie segeln. Sie müssen sich jetzt und hier für ein Ziel entscheiden und
das kommt in Ihre Clearance. Ok, schreiben Sie PNG, Papua Newguinea!"
Dass wir jetzt endlich
lossegeln mussten, hatte
noch einen weiteren Vorteil. So konnte ich Kartfahrer Ron entkommen. Der hatte
nämlich im Internet eine Möglichkeit ausgemacht, im Landesinneren einen Kurs
in einem richtigen Rennwagen zu belegen. Würde auch nur 500 Dollar pro Person
kosten (Benzin eingeschlossen).
"Leider keine Zeit mehr!" Aber Ron hatte schon
herausgefunden, dass es in der Marina von Sebana Cove (Malaysia) eine
Go-Kart-Bahn gäbe. Da
sollten wir uns treffen!
Unter den gestrengen Augen zweier dicklicher
Zollbeamtinnen legten wir die Thalassa ab. Beide Motoren hatten jetzt, so hoffte
ich, extrem sauberen Diesel zum Saufen. Denn Jim hatte gleich noch ein Zusatzventil eingebaut, das gestattete, den Diesel durch die
Filter zu den
Maschinen zu lenken oder ihn, mehrfach gefiltert, zurück in die Tanks zu
schicken. "Polishing" nennen die Australier das, was vor dem "black death"
schützen soll.
Draussen in der Moreton Bay empfing uns Sonnenschein und
bleierne Flaute. Nicht schlecht für Neukaledonien, Aber die Wettervorhersage
lautete schon für morgen "Südost", was Noumea in weite Ferne rücken
würde.
Nach einigem Hin und her entschieden wir uns für
Kurs Nord - wobei die Kart-Bahn in Malaysia keinen Einfluß auf diese
Entscheidung hatte - Ehrenwort!
Unsere Freunde von der
Subeki und Menevado (links im Bild)
waren
schon seit Wochen mittendrin im Barriereriff, aber wir wollten einen Bogen drum
herum machen. Warum? Die meisten unserer Weltumseglerfreunde von früher waren
vom Barriere-Riff enttäuscht gewesen. Anstrengendes Segeln mit täglichen
Ankermanövern verdarben ihnen den Spaß. Allerdings waren das noch GPS-lose
Zeiten, sodass vielleicht die Schwierigkeiten der Navigation einen zusätzlichen Anteil am
Frust verursachten. Ganz bestimmt würden das einige Australier nicht
verstehen. Andererseits sagten mir viele Aussies, dass das Barriereriff grandios
sei, wenn man die Südseeinseln nicht kennen würde.
Jedenfalls Barriere-Riff und unser Motto
"lange Schläge - lange Stopps" vertrugen sich nicht - alles kann man
nicht haben. Und so planten wir, die Riffe links liegen zu lassen. Stattdessen
wollten wir außen rum nach Port Moresby in Neuguinea. Ein Umweg zwar, aber
bequem zu segeln, so hofften wir.
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