Ungeziefer und andere ungeladene Gäste an Bord


Von Kakerlaken und Konsorten

Die Inselwelten, in denen wir umherwandern, sind meistens Oasen der Ruhe und des Friedens. Trotzdem gibt es kleine Störenfriede, die uns das Leben manchmal recht vergällen können. Ich spreche von Ungeziefer in jeder Form, dessen Existenz man in den sterilen Hochhäusern unserer Großstädte schon fast vergessen hat. Wir sollten uns dieses Übels bewusst sein, denn nur dann können wir entsprechend Vorsorge treffen beziehungsweise unsere Yacht wieder davon befreien.

Weevils

Woher diese kleinen (ein bis zwei Millimeter) unscheinbaren schwarzen Käfer letztlich kommen, ist rätselhaft. Fast immer sind sie plötzlich da, und zwar vor allem in Getreideprodukten, also in Mehl und Suppen, Nudeln und Reis.  Eigentlich harmlos, machen sie allein durch ihr zahlreiches Auftreten Nahrungsmittel unappetitlich. Selbst in plastikverpackten Nahrungsmitteln, die optisch einen sauberen Eindruck machen, sind sie nach ein paar Monaten plötzlich in großen Scharen auszumachen. Einzige Ausnahme waren Spaghetti in Französisch Polynesien, deren Verpackungsfolie den Angriffen der "Bohrkäfer" offensichtlich widerstanden hat.

Wenn es denn schon passiert ist, wird empfohlen, Nudeln und Reis in kaltes Wasser zu geben, wonach die toten Weevils (Yachty-Jargon: "Extra-Protein") oben aufschwimmen und abgeseiht werden können. Die Spagetti  munden anschließend aber nur noch dem, der die hundert toten Weevils vorher nicht gesehen hat.

Mosquitos, Stechmücken

Von Mosquitos und Stechmücken bleibt man fast immer verschont, wenn man nicht zu nahe am Ufer ankert. Interessanterweise kommen sie nicht etwa dann angeflogen, wenn der Wind von Land her weht, sondern gerade umgekehrt, wenn sie nämlich durch den Wind Witterung vom Menschen bekommen. Wie wir vom Urlaub wissen, kann man gegen Mücken Tabletten (Vitamin B1) nehmen, sich einreiben, elektrische Summer betreiben und was es sonst noch für todsichere Mittelchen gibt. Freilich, ein Mosquitonetz über der Koje ist dicht, aber wer hält das in tropischer Hitze schon aus. Ganz zu schweigen von den Mosquitonetzen unter den Lüftern, die natürlich auch ein geschlossenes Luk voraussetzen.

Die elektrischen Summer haben bei mir nie funktioniert, aber vielleicht habe ich immer, aber auch wirklich immer gerade jene seltene Mückenart erwischt, die nach der Angabe auf der Verpackung unempfindlich gegen diesen deutlich hörbaren und nachts störenden Summton ist. Einreiben hilft mäßig, aber man kann sich während seines Blauwasserdaseins schließlich nicht jeden Tag einreiben.

Eine wirksame Waffe gegen diese Plagegeister sind Spiralen („Coils“), die angezündet über ein paar Stunden hinweg vor sich hinglimmen und dabei einen aromatischen Duftstoff abgeben, der die Mücken in der Nähe wirkungsvoll vertreibt. Sie werden auf der ganzen Welt unter verschiedenen Firmennamen – meist „made in China“ – verkauft, sind also überall erhältlich, wo es Mosquitos gibt, was beweist, dass sie sich über Jahrzehnte hinweg bewährt haben. Ihr schwerwiegender Nachteil ist, dass sich ihr Rauch spürbar auf die Lunge legt, und zwar so, dass auch Nichtraucher frühmorgens zehn Minuten lang von „Raucherhusten“ geplagt werden. Als Nichtraucher vor die Wahl gestellt, entscheide ich mich gegen die Mosquitos und für das Husten.

Seit ein paar Jahren sind in den mückenverseuchten Gegenden elektrische Zerstäuber im Einsatz, die nach unseren Erfahrungen äußerst wirkungsvoll sind. Sie werden unter anderem unter dem Firmenzeichen von Bayer verkauft. Wobei bei Nachfüllpackungen Preise mit runden 5 bis 10 Euro doch recht happig sind. Allerdings reicht man auch damit bei normalen Gebrauch bis zu drei Monaten. Die Chemikalien scheinen sich nicht auf die Lungen zu legen, obwohl sie derat wirken, dass sie die Mosquitos zum Absturz und letztlich zum Verenden bringen. Sie halten also die Plagegeister nicht etwa ab, sondern vergiften sie.

Der Zerstäuber arbeitet mit 220 Volt, verbraucht aber so wenig (weniger wie eine Lampe), dass er im Dauerbetrieb eingesetzt werden kann. Bei einigem handwerklichen Geschick ist auch ein Umbau auf 12 Volt möglich.

Wer es ohne Chemie probieren möchte, wird sich über einen Besucher freuen, der sich manchmal am Schiff einfindet, ohne dass man draufkommt, wie diese Geckos nun an Bord gekommen sind. Sie leben von Mosquitos und jagen sie. Freilich nur dann, wenn sie Appetit haben, und nicht dann, wenn die Insekten angreifen. Geckos hinterlassen selbstverständlich auch Spuren, sind aber ansonsten völlig harmlos: Wir freuen uns jedenfalls immer wieder, wenn wir an Bord eines dieser liebenswerten Tierchen entdecken.

 

Nonofliegen (Sandfliegen)

Auch die Nonofliege hat einen Dienstplan, der meistens am späten Nachmittag beginnt und am frühen Abend endet. Sie ist nur ein oder zwei Millimeter lang und sieht aus wie eine Miniaturausgabe unserer Hausfliege. Ach, wäre sie das doch! Es gibt kaum schlimmere Plagegeister als die Nonos. Ihr Stich ist nur wenig schmerzhafter als der einer Mücke, aber das fast unerträgliche Jucken nachher bleibt für Tage. Mit Einzelangriffen geben sie sich kaum zufrieden; ehe man es richtig merkt, ist man schon dutzendemal gestochen worden. Man kann das Tage später noch nachzählen, weil die Stiche meistens etwas nacheitern.

In manchen Gegenden (Marquesas Inseln) ist die Nonofliegenplage so schlimm, daß sich die Bewohner mit ihnen arrangieren mussten. Pünktlich, wenn die Nonos kommen, wird ein Feuer aus Kokosfaser entfacht, das die Fliegen abhalten soll.

Nonofliegen gibt es auf vielen Inseln des Südpazifiks, und vor allem da, wo in die Ankerbucht ein Süßwasserbach mündet. Eigenartigerweise kann die Nachbarinsel wieder völlig frei sein. Auf die Yacht kommen sie praktisch nie, man müsste dann wohl auch einen anderen Ankerplatz suchen.

Ameisen 

Man glaubt nicht, wie lästig diese uns bekannten Tierchen sein können. Dabei braucht es sich nicht einmal um die berüchtigte Feuerameise zu handeln, auch die uns vertrauten kleinen Ameisen können ganz schön nerven. Weil man sie nur noch schwer loswird, wenn sie einmal Besitz von der Gegend um die Pantry ergriffen haben. Ein deutscher, durchaus penibler, Weltumsegler hat schließlich beim monatelangen Kampf gegen diese schwarzen Plagegeister resigniert und hat von da an per griffbereiten Staubsauger mit Papierpropfen drauf nur noch Teilschlachten geführt.

Wir hatten nach Monaten Frust dadurch Erfolg, indem wir verdorbenes Fleisch in der Pantry auslegten und beobachteten, wohin die fleißigen Tiere die Fleischreste schleiften. An diesen "Pfaden" wurden sodann Köder ("Ant-Rid") ausgelegt, die so konzipiert sind, dass die Ameisen nicht gleich daran eingehen, sondern das Gift in ihre Nester schleppen, wo es dann aktiv wird. Man sei nicht verunsichert, wenn der Erfolg zunächst - scheinbar - ausbleibt. Es kann Monate dauern, bis man obsiegt.

Kakerlaken

Kakerlaken sind besungene („La Cucarracha“) und bemerkenswerte Tiere. Es gibt sie in verschiedenen Ausführungen: von fünf Millimeter (wie unsere Schaben) bis zu zehn Zentimeter Länge. Sie sind eigentlich harmlos, das heißt, sie beißen und zwicken nicht und sind ungiftig. Was sie so unbeliebt macht, ist die Tatsache, dass sie in unvorstellbaren Massen aufkreuzen, wenn man sie einmal ungebetenerweise an Bord gelassen hat. Untertags verbergen sie sich ganz dezent, aber nachts schwärmen sie aus. Es gibt Yachten mit soviel von diesem Getier, dass die Kajütwände schwarz davon sind, wenn man das Licht andreht. In einer solchen Situation ist es längst zu spät, mit ihnen einen Krieg mit konventionellen Waffen wie Sandalen oder Fliegenklatsche zu führen.

Dann helfen nur noch Maßnahmen, die eigentlich für die Grosschiffahrt gedacht sind: Die Yacht wird von einer Spezialfirma ausgeräuchert. Das ist eine ziemlich einschneidende Sache, denn es müssen alle offenen Lebensmittel beseitigt werden; außerdem muss man das Schiff für ein oder zwei Tage verlassen. 

Wie aufwendig das "fumigating" ist, zeigen die beiden Bilder, auf denen ein Katamaran ausgeräuchert wird. Bis zur Mastspitze wird die Yacht eingehüllt. Der ganze Spaß kostet runde 2500 Euro. In Australien, wo die diesbezüglichen Vorschriften besonders penibel sind, ist das Ausräuchern einer Yacht übrigens obligatorisch, wenn sie importiert wird, was immer eine Voraussetzung ist, wenn man die Yacht dort verkaufen möchte.

 

 

Noch teurer wurde der "Spaß" für den Amerikaner Mike. Aus Krankheitsgründen musste er seine Weltumsegelung in Australien unterbrechen und stellte sein Yacht ICHI für drei Jahre aufs Trockene. Als er nach Australien zurückkam, fand er seine schmucke 45-Fuß-Yacht zwar äußerlich in einem einwandfreien Zustand wieder, doch innen hatten unbarmherzig Myriaden von Kakerlaken das Regiment übernommen. Fumigating war die unvermeidbare Konsequenz.

 

Als Mike die Rechnung fürs Ausräuchern und die notwendigen Nebenlasten - immerhin waren fünf Mann tagelang beschäftigt - vorgelegt wurde, fiel er fast vom Stuhl. 15 Tausend Dollar musste er berappen, um die Tierchen loszuwerden.

Man sollte jedoch versuchen, die Kakerlaken mit weniger einschneidenden Mitteln auf einem bestimmten Level zu halten. Ihre totale Ausrottung ist allerdings meistens nicht mehr möglich, es sei denn, man segelt in kalte Gebiete.

Rezepte gegen Kakerlaken werden unter Yachties wie Kochrezepte weitergereicht. Zum Beispiel: Eine Mischung aus Kakao und Borax wird auf mehrere Schüsseln verteilt, die im Schiff aufgestellt werden. Ich habe jedoch schon Kakerlaken-Völker erlebt, denen das offensichtlich hervorragend schmeckte, ohne dass sie Schaden nahmen. Ein anderes, angeblich todsicheres Mittel soll eine Mischung aus Puderzucker und Ammonium Carbonicum (Pulver) im Verhältnis 1:1 sein.

Es gibt nur ein einziges wirksames Mittel gegen Kakerlaken an Bord: Sie nicht an Bord kommen lassen. Freilich, auch das ist schwer genug. Denn sie sitzen gerne in Bananenstauden und ähnlichen Verstecken. Bananenstauden kann man, bevor man sie an Bord nimmt, ins Wasser tauchen, worauf die Tierchen gleich sichtbar werden, aber mit Kartons aus dem Supermarkt lässt sich das nicht machen. Da hilft nur eines: alle Kartons noch im Beiboot auspacken.

Die größten Exemplare kann man sich auf diese Weise vom Halse halten, freilich nicht mehr dann, wenn sie angeflogen kommen, was zu bestimmten Jahreszeiten geschieht. Doch die wird man vergleichsweise einfach wieder los, weil man sie wegen ihrer auffälligen Größe leicht erwischt. Den etwa einen Zentimeter langen Tieren gegenüber ist man dagegen auf die Dauer machtlos.

 

Ratten

Es gibt viele Yachten, die nur aus dem Grunde nie an der Pier liegen, weil die Crew Angst hat, daß Ratten an Bord kommen. Man erfährt es meistens erst, wenn man die ersten beschädigten Gegenstände oder Rattenkot findet. Eine Ratte an Bord ist eine ernstzunehmende Gefahr für das Schiff – oft schlimmer als Rost und Elektrolyse. Denn diese Nager gehen an alles heran, ob fressbar oder nicht. Kunstfasersegel, Seekarten und vor allem Elektrokabel scheinen sie anzuziehen.

Leider lässt es sich nicht immer vermeiden, an einer Pier zu liegen. Dann aber sollte man es Ratten so schwer wie möglich machen, an Bord zu kommen. Rattenabweiser lassen sich meist mit Bordmitteln basteln (Plastikflaschen, Deckel von Seilrollen etc). Es muss darauf geachtet werden, dass alle Landverbindungen mit einem Abweiser versehen sind, also auch Wasserschlauch und Stromkabel. Die Gangway sollte bei Nichtgebrauch hochgezogen werden können. Trotzdem: Als eine Französin auf der Nachbaryacht meine Versuche, Rattenabweiser zu basteln, sah, meinte sie deprimiert: "They come, when they want!" Womit sie sicher auch ihre Bewunderung für die unglaublich hohe Intelligenz dieser Tierchen ausdrücken wollte.

Sie hatte nicht unrecht. Eines Tages hatte ich eine Ratte an Bord (wahrscheinlich in einer Reisetasche eingeschleppt), der ich aber schon in der ersten Nacht mittels vier Rattenfallen und Käse Herr werden konnte.

Wenn man eine Ratte an Bord hat, muss nämlich sofort etwas unternommen werden, am besten natürlich Rattenfallen aufstellen. Deshalb gehört eine billige Rattenfalle an Bord einer Langfahrtyacht, weil man anders kaum Chancen hat, das Viech zu erwischen. Mir ist es trotzdem einmal gelungen, und der Leser möge mir verzeihen, dass ich das kurz schildere, obgleich ich sonst jeden warne, sich die Geschichte eines Seglers über eine Rattenjagd anzuhören, weil die Storys jedesmal ermüdend lang werden – je nach Größe des Schiffes und der Anzahl der Schlupfwinkel. Also meine Rattenstory:

Alle Yachties – auch wir – wussten, daß an der Pier in Takaroa (Tuamotus) nahezu sämtliche Yachten von Ratten heimgesucht werden. Aber wer nimmt das schon ernst – und wenn schon.

30 Seemeilen weiter in dem Südseeparadies bemerkten wir die Bescherung: Eine Ratte war an Bord. Natürlich hatten wir keine Falle dabei. Wer denkt schon an so was? Der Versuch, sie in ihrem mutmaßlichen Versteck in der Backskiste mit Insektenvertilgungsmittel aus der Sprühdose zu vergasen, schlug fehl. Also fragten wir auf der Insel, ob man uns eine Falle leihen könne. Fehlanzeige! Ein anderer Yachty erzählte uns, Moitessier sei mit 30 Katzen an Bord als Geschenk für die Einheimischen hierhergekommen, um sie von der Rattenplage zu befreien. Die Katzen waren den guten Leuten von Ahe, dem Nachbaratoll von Takaroa, willkommen – eine nach der anderen landete im Kochtopf. Eine einzige sollte noch übrig geblieben sein. Aber die war für Jägerdienste nicht einzusetzen – einen Tag vor der Niederkunft.

So musste ich mir – Hunderte von Kilometern von der nächsten Stadt entfernt – selbst etwas einfallen lassen. Meine Alarmanlage endete – elektrisch – in einer Fanfare. Wenn die also einen Kompressor für eine Fanfare betätigen konnte, musste sie auch eine Falle schließen können. Also schloss ich statt der Fanfare einen starken Elektromagneten an, der mittels Schnur an einem Schraubenzieher ziehen konnte. Der Schraubenzieher kam unter das Steckschott, so dass dieses vom Schraubenzieher hochgestemmt wurde. Und vor das Steckschott wurde eine Keksdose gebunden, in der unter einem Stück Käse ein hitzeempfindlicher Widerstand lag, der wiederum – der Kreis schließt sich – an die Alarmanlage gekoppelt war.

Der Plan: Ratte geht bis ans Ende der Keksdose zum Käse, Widerstand erwärmt sich durch deren Körperwärme, Alarmanlage schaltet Elektromagneten, der zieht am Schraubenzieher, Steckschott fällt runter, Ratte ist eingeschlossen und wird an Land gebracht.

Nachts gab es alsbald den entsprechenden Lärm. Steckschott war gefallen, hatte Ratte aber das Genick abgeschlagen, weil der Widerstand zu empfindlich war. Immerhin: Bei nächster Gelegenheit erwarb ich für ein paar Cents vier große Rattenfallen, die - nebenbei gesagt - auch bei Einbruchsgefahr am Ankerplatz ausgelegt werden.

Übrigens hat der oben erwähnte Mike von der Yacht ICHI noch Glück gehabt, dass sich bei ihm "nur" Kakerlaken und keine Ratten eingenistet haben. Einer anderen amerikanischen Yacht erging es nämlich ganz schlimm, als sie von ihren Eignern für die Hurricansaison in einer Marina aufs Trockene gestellt worden war. Das Unglück kam von einer Palme, die ihre Krone über das Cockpit der Yacht beugte. Und von dort musste sich eine Ratte (wahrscheinlich mit Familie) heruntergelassen und in der Yacht häuslich niedergelassen haben. Als der Eigner zu seiner Yacht zurückkam, bot sich ihm ein verheerender Anblick: Alles, aber auch wirklich alles war im Schiff angefressen und angenagt. Die Yacht mußte mit der Versicherung als Totalschaden abgerechnet werden!

 

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