"Monsterwellen fressen Boote auf"

Heute, am 30.12.2024, etwas mehr als 20 Jahre nach einer der größten Naturkatastrophen, bei der ein Tsunami über 200.000 Menschen das Leben kostete, erschien bei Focus Online folgende Meldung :

"Die nordwestliche Küste Perus wird seit Tagen von außergewöhnlich starken Wellen heimgesucht... Unerwartet hohe Wellen haben seit Mittwoch die gesamte Küste der peruanischen Region Piura und der nördlichen Nachbarregion Tumbes heimgesucht. ...Spektakuläre Clips zeigen, wie die Monsterwellen ein vor der Küste liegendes Boot nach dem anderen mit sich reißen. Schließlich gleicht der gesamte Strandabschnitt quasi einem Bootsfriedhof."

Wenn Sie erleben wollen, was mit dem Fischerboot von der Größe einer kleineren Yacht in der nächsten Sekunde passiert, dann klicken Sie hier.

Was tun bei einem angesagten Tsunami, um Mannschaft und Yacht zu retten?

Ich glaube, es ist nicht verfehlt, die Ursache für diese außergewöhnlichen Wellen an der peruanischen Küste in einem mehr oder weniger starken Seebeben oder auch in einer Erdplattenverschiebung zu suchen, das möglicherweise einen Tsunami ausgelöst hat.

In den letzten zwei Jahren war oft von Angriffen durch Orcas auf Yachten die Rede. Sie sind beängstigend, aber glücklicherweise sind Todesfälle seltene Ausnahmefälle. Die Folgen eines Tsunamis können ungleich verheerender sein. Die Wahrscheinlichkeit, nicht nur seine Yacht zu verlieren, sondern auch sein Leben, ist um ein Vielfaches höher.

Tsunamis entstehen durch eine Schockwelle im Meer, die von einem oder mehreren See- oder Erdbeben unter Wasser ausgelöst wird und sich dann mit schwer vorstellenbarer Geschwindigkeit von mehreren hundert Knoten ringförmig ausbreitet. Interessanterweise thematisierte bereits Erik Hiscock in seinem Buch „Segeln über sieben Meere“, das vor einem halben Jahrhundert erschien, die Ursache von Tsunamis. Nach meiner Erinnerung erklärte er, ein Tsunami sei ein Seebeben, das Wellen auslöst, die weniger als einen Meter hoch sind und auf hoher See von Yachten kaum bemerkt werden. Das hörte sich damals noch recht harmlos an.

Doch diese vermeintlich kleinen Wellen haben es in sich: Sie sind gigantische Schockwellen, die Boden unter sich oder ein sonstiges Hindernis spüren und brechen, was dann an der Küste zu den bekannten Katastrophen führt.

Meine Frau Carla und ich waren am Rande von dem tötlichen Tsunami 2004 betroffen, als wir dringend eine Marina in Langkawi (Malaysia) suchten, um dort für einige Zeit zu bleiben. Was wir jedoch erfuhren, war wenig ermutigend: Neben der Stadtmarina war die von uns bevorzugte Marina Rebak, von der wir viel Gutes gehört hatten, zu 100 % zerstört. Zwar fanden wir einen Platz zum Ankern, aber es gab keine Stege mehr und nur noch wenige Yachten.

Wir waren während des Tsunamis in der Nähe von Singapur, bekamen davon jedoch erst etwas mit, als uns aus Deutschland besorgte Mails erreichten. Es ist kaum zu glauben, dass nur wenige hundert Meilen von uns entfernt eine der größten Katastrophen der Menschheit stattfand.

Die Frage, die sich stellt, ist, wie man die Gefahr für Leben und Eigentum vermeiden oder zumindest minimieren kann.

Es gibt einige Möglichkeiten, sich zu schützen. Unsere Freunde von der SY Menevado erlebten den Tsunami im Kerngebiet, allerdings in einer Marina, die so gut geschützt war, dass der Tsunami dort nicht wirkte. Das war jedoch die Ausnahme.

In der Telaga Marina auf Langkavi (links), die durch zwei vorgelagerte Inseln geschützt schien, richtete der Tsunami dennoch so verheerende Schäden an, dass von einer vollständigen Zerstörung die Rede war. Dabei hätte man die drohende Gefahr frühzeitig erkennen können, denn, wie ein Foto aus einer Drahtseil-Gondel beweist, war der Tsunami vor der Marina durch Brecherstreifen (rechts) durchaus wahrnehmbar. Glücklicherweise gab es dort keine Todesopfer. Die Marina und die meisten dort liegenden Boote wurden jedoch zu 100 Prozent zerstört.

Ein amerikanischer Segler, der in der zerstörten Marina war, erklärte mir, dass er den Tsunami unbeschadet überstanden habe, weil er die ersten Anzeichen erkannt und sofort die Marina verlassen habe. Seine Yacht blieb als einzige unversehrt. Woher er diese Weisheit hatte? In den USA erlebte er Jahre zuvor schon mal einen schwächeren Tsunami.

Daraus ziehe ich folgende Schlüsse:

Bei einer Tsunami-Warnung oder ersten Anzeichen sollte man, wenn möglich, auf die offene See hinausfahren.

Befindet man sich in einer engen Marina oder einem Hafen, sollte man das Schiff verlassen und sich an einen sicheren Ort, also in ein möglichst hoch gelegenes Hotel begeben.

Die Anzeichen eines Tsunamis sind nicht immer leicht zu erkennen, doch bei der Katastrophe vor 20 Jahren zog sich das Meer in Phuket sehr weit zurück – ein untrügliches Zeichen, welches von vielen nicht ernst genommen wurde. Wer hatte damals schon Erfahrungen mit diesen schrecklichen Wellen? Stattdessen gingen Menschen auf den freigelegten Meeresgrund, um Muscheln zu sammeln (wie in zahlreichen Fotos dokumentiert), nur um wenige Minuten später von der zurückkehrenden Schockwelle getötet zu werden.

"Selten sind wir so mit Schreckensmeldungen aus Sri Lanka, Indien, Indonesien, Thailand, Malaysien und Somalia eingedeckt worden. Die Zahl der Toten hat sich in zwischen auf über 200 Tausend erhöht. Als die ersten Meldungen von der Katastrophe hier in Malaysien durchkamen, hielten wir die Yachten, die in Phuket vor Anker lagen, für verloren. Gott sei Dank hat sich das im Wesentlichen nicht bestätigt. Und es mag, bei aller Tragik, den Blauwassersegler beruhigen, dass er auf hoher See wahrscheinlich bei einem Tsunami in Sicherheit ist."

So jedenfalls die Lehre, die hier zum Beispiel aus einem Bericht der deutschen Yacht Menevado gezogen werden kann.

Oder auch aus dem Bericht des deutschen Weltumseglers Kaio Roos. 

Kajo Roos (siehe auch hier) befand sich mit seiner Bavaria-Yacht kurz vor seinem Ankerplatz in der Nähe von Phuket (roter Pfeil) und konnte das zerstörerische Werk des Tsunami vom 26.12.2004 aus nächster Nähe beobachten:

Wir hatten die Nai Harn Bucht verlassen und waren gerade am Einlaufen in die Nachbarbucht Kata Beach als die Flutwelle zuschlug. Wir haben in sicherer Entfernung vom Boot aus zugesehen wie die Wellen über den Strand rauschten und alles, aber auch alles, mit sich rissen. Boote wurden auf den Strand geworfen, Autos in die Häuser und Hotels geschwemmt, sogar zwei Traktoren am Strand hat es umgeworfen. In kurzer Zeit waren wir von schwimmenden Liegestühlen, Sonnenschirmen, Kühlboxen, Stühlen etc. aumringt. Das war so um 10 Uhr 30 Ortszeit. Sind am Nachmittag kurz an Land und am Strand und dahinter war alles verwüstet.

Heute sind wir nach Patong gesegelt um einzukaufen und dort ist alles viel viel schlimmer. Der Strand ist total verwüstet und blank gefegt. Longtails und auch große Boote liegen am Strand oder sind gesunken. Die neue Promenade hinterm Strand total zerstört, alle Strandlokale zerstört, die Läden und Restaurants über der Strasse sind alle hinüber, Autos, Motorräder und Lastwagen in den Häuserruinen, zum Teil zwei bis drei übereinander - Speedboote oder was davon übrig blieb daruntergemischt. Aber nicht nur die erste Häuserreihe hat es erwischt, auch dahinter noch jede Menge Zerstörung! In der Bangla zum Beispiel sind bis weit über die Mitte zur nächsten Strasse Geschäfte und Bars beschädigt und voll Sand und Schlamm. Eine Katastrophe!

Fazit:

Aus den bisherigen Erkenntnisse gibt es nur zwei Möglichkeiten, die Yacht und eventuell sein Leben zu retten: Im Falle einer Tsunamiwarnung - nach diesem verheerenden Tsunami und dem in Fukushima 2011 wurden zahlreiche Warnsysteme eingerichtet, wenn auch mit begrenzter Wirksamkeit - oder aber bei sonstigen Anzeichen für einen drohenden Tsunami, sollte man sich so verhalten:

a) auf hoher See:

Ist nichts veranlasst, denn man wird den Tsunami gar nicht spüren

b) am Strand oder am Ankerplatz:

So schnell wie möglich auf die offene(!) See hinaus segeln

c) In einer Marina oder in einer rundum geschützten Bucht:

Hochgelegenes Hotel oder Übernachtungsmöglichkeit an Land aufsuchen.

Denn wenn der Tsunami mit voller Strömungsstärke eine enge Räumlichkeit (Marina, Ankerbucht) erreicht, vermag Menschenhand nichts auszurichten, wie nachstehende Amateuraufnahme von dem schrecklichen Tsunami 2004 in der Marina von Telaga (Malaysien) beweist.

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