Die "typische" Langzeityacht

von Bobby Schenk

Natürlich gibt es die "typische" Langzeityacht gar nicht, ebensowenig wie die "ideale" Fahrtenyacht nur als Artikelüberschrift taugt. Trotzdem lassen sich aus Beobachtungen in der Szene gewisse Verallgemeinerungen ziehen. 


Wie sieht eine "typische" Langfahrtyacht aus?

Also, eines ist klar: Kaum eine dieser erprobten (weil schon zigtausend Meilen gesegelten Yachten), könnte bei irgendeinem Schönheitswettbewerb einen Preis gewinnen. Und schon gar nicht entsprechen sie unserem durch Zeitschriften und Werbefotos manipuliertem Bild einer "schönen" Yacht. Aber was bedeuten schon diese künstlichen Ideale? Stellt nicht beispielsweise die kaiserliche METEOR auf einem Foto von Beken oder gar die VELSHEDA  alles in den Schatten, was im letzten Vierteljahrhundert auf den Reissbrettern der geschwindigkeitsbesessenen Konstrukteure - hochdeutsch: "Designer" - entstanden ist. Oder, mal ehrlich, gibt es greisslichere Schiffe als Katamarane, wenn man dem Schönheitsideal der berühmten AMERICA huldigt?

Alle die Fotos auf dieser Seite sind in Häfen oder auf Ankerplätzen entstanden, wo sich fast ausschließlich Weltreiseyachten rumtreiben und wo sich selten mal eine Charteryacht hin verirrt. Das ergibt dann ein komplett anderes Bild als irgendwo im (Binnen-)Mittelmeer, Ostsee sowieso, wo Plastik über alles bei weitem überwiegt und die Yachten doch den Prospektbildern ziemlich ähneln. Alle!

Was zuallererst auffällt in Marinas oder Häfen mit Langzeityachten, also solchen, die mindestens einen Ozean überquert haben, ist die Tatsache, dass Massenprodukte aus Frankreich oder gar aus Deutschland fast völlig fehlen. Was nicht heißt, dass es sie auf den Weltmeeren gar nicht gibt. Gleiches gilt für die Größe der Yachten: Selbstverständlich gibt es Fünf-Meter-Kähne, aber auch 50-Meter-Dampfer. Trotzdem kann man feststellen, dass "unsere" Zeiten (1970), wo ein 34-Fuß-Kreuzer auf vielen Ankerplätzen das größte Schiff war, vorbei sind. Eine Reiseyacht mit 15 Metern ist heute jedenfalls nicht besonders "groß", während schöne Yachten unter 12 Meter in der Masse der größeren durchaus untergehen. 

Interessant ist beispielsweise eine der hier gezeigten Marinas, ein Neubau. Fast alle Boxen sind rund 16 Meter tief und haben eine Breite von 18 Metern, bilden also genügend Platz für 2 Katamarane mit 15 Meter Länge (oder noch größer). Besucht man eine Marina in Spanien, die vor ein paar Jahrzehnten entstanden ist, dann gibt es keine Boxen für zwei Katamarane nebeneinander(!), und die meisten Plätze sind für Yachten bis 12 Meter und darunter ausgelegt.  

Vergleicht man nun die Langfahrtyachten auf diesen Seiten mit den Urlaubsyachten in unseren Gewässern, dann macht man leicht den Fehler, auch von gleichen Segelgewohnheiten auszugehen. Hier liegen aber die wesentlichen Unterschiede, die letztlich auch zu anderen Yachten geführt haben: Während man sich als Urlaubssegler das ganze Jahr über auf den Segeltörn in den Ferien, sich also aufs Segeln an und für sich, freut, so legen die Langfahrtsegler viele tausend Meilen an einem Stück zurück, um sich dann wochen- oder monatelang des Hafenlebens zu erfreuen. Was übrigens auch seinen Reiz hat, auch wenn ein Chartersegler das kaum begreift.

Der ganz wesentliche Unterschied im Aussehen der Yachten rührt also daher, dass Langfahrtsegler, damit meine ich auch Weltumsegler, ständig auf dem Schiff leben, die Yacht ihr "swimming home" (Eric Hiscock) ist, die Ansprüche an den Lebenskomfort ähnlich sind, wie Landratten sie zu Hause in der Wohnung oder ans eigene Haus stellen.

Es ist nun mal so, dass sich Lebenskomfort und gute Segeleigenschaften nicht gerade ergänzen, ja sich - je nach Schiffsgröße - widersprechen. Je größer das Schiff, desto leichter lässt sich auch nebenbei "Schönes Wohnen" verwirklichen. Je kleiner, desto mehr Kompromisse, entweder bei den Segeleigenschaften oder beim Wohnkomfort, werden der Mannschaft abverlangt.

Es folgt zwangsläufig: Kompromisse beim Wohn- und Lebenskomfort, man sehe sich die Yachten auf den Bildern genauer an, werden ungern gemacht, eher bei den Segeleigenschaften. Ganz logisch: Fast alle Weltreiseyachten verbringen ungleich mehr Zeit im Hafen oder vor Anker als unter Segeln. Eine durchschnittliche Weltumsegelung  ohne Hetze - nein, von den Ellen Mc Arthurs ist hier nicht die Rede, das gehört mehr zum Racing a la Formel1 und hat mit "meinem" Segeln absolut nichts zu tun! -  dauert drei bis vier Jahre und erstreckt sich so auf 25000 Meilen (Größenordnung). Nimmt man nur einen Schnitt von 100 Meilen pro Tag (=Etmal), dann ergeben sich also gerade mal 250 Tage, das heißt rund fünfmal soviel Tage liegt die Yacht vor Anker oder in einer Marina, beziehungsweise im Hafen. Wer solche geringen Tagesdurchschnitte nicht akzeptieren kann, der soll alles mal mit 150 Meilen rechnen, dann verbringt er achtmal soviel Hafentage oder vor Anker!

Man sieht es den Yachten an: Der Kampf gegen die Hitze in den Tropen zeigt sich am deutlichsten beim Äußeren der Yachten. Große Sonnensegel oder Biminis prägen das Äußere und oft ist darunter gar nicht zu sehen, ob eine Yacht nun mal eigentlich schnittig ist.

Unverkennbar zeichnen auch Solarpaneele Fahrtenyachten aus, denn oft steht Landstrom nicht zur Verfügung und so muss der Strom mit Bordmitteln erzeugt werden. Gleiches gilt für den Windgenerator, der so viele Silhouetten von Fahrtenyachten verunstaltet.

Könnte man unters Wasser sehen, dann würde man dort wahrscheinlich die größten Unterschiede zu modernen Charteryachten feststellen. Denn kaum eine Charterfirma kann es sich noch leisten, einen Langkieler anzubieten. Denn die Kunden möchten ja im Segelurlaub möglichst schnell die 12 Seemilen von Göcek nach Fethye absegeln. Oder auf der Ostsee, den Hafen möglichst mittags schon erreichen, damit noch ein Plätzchen am Steg frei ist. Haben sie sich dafür die geruhsame Vorwärtsbewegung des Segelns als Hobby ausgesucht?

Betrachtet man sich die Angebotspalette neuer Yachten in Europa oder schlendert man in Düsseldorf über die BOOT, dann fragt man sich: Ja, gibts denn überhaupt noch Langkieler? Doch, nicht nur Neubauten in den USA oder gemäßigte Langkieler aus England sind eine Quelle für die Liebhaber solcher gutmütigen Schiffe - meist mit hohem Wohn- und Lebenskomfort (riesige Tanks, Bilge, etc). Schätzt man den Anteil von Langkielern, damit meine ich auch "gemäßigt lange Kiele" unter den Einrumpfyachten, von denen hier die Rede ist, dann kommt man in die Nähe der 50 Prozent. Wohl nicht ohne Grund. Denn die bekannt eingeschränkten Manövriereigenschaften von Langkielern spielen ja nun keine Rolle am Ankerplatz und fallen auch nicht ins Gewicht, wenn man alle paar Wochen nur den Hafen mal verlässt oder nach einer Ozeanreise einläuft.

Damit sind wir bei den Herkunftsländern der Yachten, nein, nicht ihrer Besatzungen. Ein paar Verallgemeinerungen gefällig: Franzosen mit ihrem bekannten Blick fürs Praktische (siehe deren Autos) sind oft mit Alu- oder Eisenschiffen unterwegs, deren Aussehen unserem Auge nicht gerade wohl tun. Amerikaner bevorzugen sichtlich schöne GFK-Langkieler aus eigener Produktion. Asiaten kommen vielfach auf Formosa-Bauten daher und Engländer fahren häufig ältere Schiffe - ebenfalls Langkieler- die sichtlich auf der Insel entstanden sind. Und die Deutschen,  Österreicher, Schweizer? Die übrigens allmählich die zahlenmäßig stärkste Gruppe unter den Blauwasserseglern darstellen? Da lässt sich keine einheitliche Linie feststellen. Vom Stahlschiff mit langem Kiel (immer noch beliebt) bis zum deutschen oder schwedischen Kunststoffschiff ist alles dabei. 

Gibt es einen bestimmten Schiffstyp, der sich häufiger findet? Beim Baustoff lässt sich sagen, dass nach wie vor Stahl gut im Rennen hinter Kunststoff liegt. Betonboote, ihre "gute" Zeit war in den 70er Jahren, sind völlig von der Bildfläche verschwunden. Aber dies gilt auch für Holzschiffe, die heute eher den Sonderstatus "liebenswerte Charakterschiffe" haben und kaum noch anzutreffen sind.

Kristallisieren sich bestimmte Marken als typische Langfahrtschiffe heraus? Ehrlich, die Firmenmarken, die mit dem Attribut "geeignet für weltweite Fahrt" werben, lassen sich jenseits des Panama-Kanals kaum noch ausmachen, vielleicht gehen sie auch in der Masse unter? Eine Werft ist jedoch die Ausnahme: Amel ist auffällig häufig anzutreffen und ihre Skipper (aller Nationen) äußern sich meist "hochzufrieden"  - übrigens auch zum Service der Werft nach vielen Jahren.

Und die Mehrrumpfschiffe: Trimarane sind zu Exoten geworden. Aber Katamarane sind  von ihrer Zahl her nicht zu übersehen. Würde man hier in manchen Yachthäfen nur Schiffe jünger als 10 Jahre berücksichtigen, so könnte man den Anteil von Katamaranen aus Französischer, Neuseeländischer, Südafrikanischer und Australischer Fabrikation auf mehr als 30 Prozent gegenüber Monos schätzen.

Es sind aber nicht die herausragenden Geschwindigkeitsvorteile, die für die Beliebtheit der Kats in diesen Kreisen verantwortlich sind, sondern der überragende Lebenskomfort gegenüber Monos - siehe oben. Im übrigen hängt die Speed eines Katamarans in allererster Linie von seinem Gewicht ab, sodass davon nicht mehr viel Überragendes übrigbleibt, wenn man seinen ganzen Haushalt, gar noch mit einem dritten Motor als Generator mitschleppt. Aber von der Lebensqualität her sind sie nicht zu schlagen - insbesondere auf Ankerplätzen.

Das Budget bestimmt meist das Boot

Noch eine Verallgemeinerung: Fabrikneue Schiffe, die gerade für die Weltumsegelung gekauft wurden, sind jenseits des Panamakanals (der ja doch wie ein Filter wirkt) selten. Irgendwie sieht man es den Booten an (ist es ihr Alter?): Nahezu alle "Charakterschiffe" sind aus zweiter Hand - mindestens - angeschafft worden. Was gleichzeitig bedeutet: Aus der Portokasse sind die Yachten alle nicht bezahlt worden. Erkennbar ist das Bestreben ihrer Eigner(-Ehepaare), für nicht all zu viel erspartem Geld, einen möglichst großen Wohnraum zu besitzen, der möglichst sicher über die Weltmeere geskippert werden kann. Wenn ich mir beispielsweise  die RED PEGASUS (Foto), ein schöner 14-Meter-Rundspanter aus dänischem Stahl mit mäßigem Langkiel anschaue, dann kann ich mir überlegen, ob ich für 135000 Euro dieses 15 Jahre lang auf den Weltmeeren bewährte Fahrtenschiff oder eine gleich große "Plastik-Schüssel" für den vierfachen Preis kaufe (wobei dann noch nicht einmal das umfangreiche Sonderzubehör für Langfahrt eingeschlossen ist). In den meisten Fällen würde bei der zweiten Alternative die Weltreise mangels Cash gestrichen werden müssen.

Irgendwie, das mein ich nicht negativ, sieht man es den "typischen" Langfahrtschiffen an, das sie nach dem Geldbeutel angeschafft wurden: Ein wie großes Schiff können wir uns leisten, um auf Langfahrt oder Weltumsegelung zu gehen? Sehr häufig wird bei der Schiffslänge (und damit Schiffsgröße) ans finanzielle Limit gegangen. Manchmal auch an die Grenze, was eine kleine Mannschaft - fast immer ein Paar - noch handhaben kann. Nein, nicht beim Segeln, sondern beim tatsächlichen Unterhalt. Manchmal kann man auf einem Ankerplatz die beiden Extreme beobachten: Das eine 15-Meter-Schiff ist in einem so glänzenden, auch technischen Zustand, als ob das Schiff demnächst auf die HISWA oder auf die Hanseboot geschickt würde, während ein anderes daneben, dem zwar noch Jahre entfernten, aber schon geahnten Untergang entgegenschwimmt.

Bei der Schiffsgröße lässt sich übrigens eine Beobachtung fast verallgemeinern: Yachten aus Australien oder Neuseeland sind manchmal besonders groß, kommen auch schon mal an die 20 Meter ran. Alle Achtung, vor allem wenn man bedenkt, dass viele davon Eigenbauten sind! Dies lässt auch vermuten, dass die Eigner (und Erbauer) mit dem Unterhalt solcher Riesendinger nicht überfordert sind. Sie sind fast immer aus Metall und stecken meist voller orgineller Ideen, die den Sinn fürs Praktische seitens der Schiffsbauer bezeugen.

Mit diesen Beobachtungen will ich selbstverständlich niemand entmutigen, mit einem 8-Meter-Schifferl auf Weltreise zu gehen. Meinetwegen auch mit Kindern. Aber ich möcht schon aufzeigen, wies "draussen" wirklich aussieht. Denn Bilder aus dem Mittelmeer, wo doch tausende von Charteryachten das Bild in den Marinas prägen, oder auch von unseren Ost- und Nordseeküsten erwecken einen falschen Eindruck. Auch Teilnehmerlisten von der ARC (Atlantic Rally for Cruisers) sind bei diesem Thema bei weitem nicht repräsentativ. Denn diese spiegeln ja nur die Schiffsdaten von Booten wieder, die 20 Tage auf einer Vorwindstrecke unterwegs sind, um dann - von Ausnahmen abgesehen - wieder auf dem Wasserweg heimtransportiert zu werden. Yachten zu obigen Thema aber werden jahrelang ununterbrochen bewohnt und belebt.

Die Mannschaft muss langfahrttauglich sein!

Auch Berichte von Weltumsegelungen, in denen die eigene Fahrt ja verständlicherweise im Mittelpunkt des Buches steht, beleuchten das Thema häufig schief. Schlüsse aus einer(!) Weltumsegelung zu ziehen, dieses oder jenes Boot sei fürs Langfahrtsegeln ideal, sind bestimmt unrichtig. Letztlich kommt es immer noch auf die Mannschaft an. Eines lässt sich aber sagen: Je kleiner das Boot, umso mehr Sportlichkeit verlangt es, körperlich wie geistig. Eigentlich dann ganz logisch: Je älter die Mannschaft, desto größer das Boot - bis die Grenzen durch den tatsächlichen Unterhalt der Yacht gezogen werden.

Den Autor erreichen immer wieder Zuschriften, ob dieses oder jenes Schiff sich für eine Weltumsegelung eignet. Die (letztlich meist schon getroffene) Kaufentscheidung soll also abgesegnet werden. Es ist kein Akt der Unhöflichkeit, wenn solche Mails unbeantwortet bleiben. Denn wie soll die eigentliche Frage aus der Ferne beantwortet werden. Ob nämlich der Briefschreiber für das Leben auf dem Wasser geeignet ist? Darauf kommt es nämlich an. Vor einiger Zeit wurde seitens eines Rechtsanwalts angefragt, ob die schlechten Am-Wind-Eigenschaften eines recht bekannten und erfolgreichen Langfahrtschiffes dem Second-Hand-Käufer gute Prozessaussichten gegen den prominenten Vorbesitzer der Yacht einräumen würden. Der segelblinde, doch mit gesundem Menschenverstand ausgerüstet Richter würde doch nur die Frage stellen, wieviele tausend Seemeilen die Yacht auf den Weltmeeren schon gesegelt habe. Und damit wäre der Prozess auch schon entschieden.

Zwei Beobachtungen zu guter Letzt: Wenn Langfahrtsegler nach einigen Jahren und vielen tausend Seemeilen ein ehrliches Resumee ziehen, dann kommen sie relativ häufig zu dem Schluss, dass das nächste Schiff größer sein müsse. Und tatsächlich: Wenn einige Jahre später eine neuerliche Langfahrt unternommen wird, dann ist die neue Yacht meist größer. Klassische Beispiele: Ehepaar Koch, Ehepaar Hiscock u.s.w.

Nimmt man das empfehlenswerte (leider nur noch antiquarisch erhältliche) Buch "Segeln über sieben Meere" von E. Hiscok zur Hand, in dem eine Reihe von erfolgreichen Fahrtenyachten aus den 50er und 60er Jahren vorgestellt werden, dann muss man im Vergleich mit jüngeren Yachten aus den 80er Jahren bis jetzt, auch aus Serienfertigungen (um es ganz genau zu sagen: auch aus deutschen Serienfertigungen), feststellen, dass nahezu alle neueren Yachten in jeder Hinsicht - Sicherheit, Zuverlässigkeit, Lebenskomfort und Fahrteneigenschaften -  den "Hiscock-Yachten" weit überlegen sind. Man kann heute also mit nahezu jedem Boot auf Langfahrt gehen.

Wenn man's kann!

 

zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/n002/welt.html

Impressum und Datenschutzerklärung