Auch nach mehreren Jahrzehnten Messebesuchen wird man auf der
Düsseldorfer BOOT, der größten Bootsmesse der Welt, erschlagen. Das Angebot ist, nicht nur von der Größe der
Yachten her, überwältigend. Und wer nicht ein paar Tage Zeit zur Verfügung
hat, der kann nur einen groben Überblick bekommen, wenn er sich nicht auf ein,
sehr enges, Programm konzentriert.
Wobei man als Fahrten-Segler wohl ohnehin die Motorboote, die
Speedboote, die Hausboote, die Jollen auslässt. Trotzdem ein kurzer Blick auf
die Megayachten mit den tausend PS - tschuldigung: mit den vielen "KWs"
- im Motorraum ist doch in jedem Fall eindrucksvoll, wobei man sich fragt, warum
das Geschäft mit diesen Wohnmonstern, die die Geissenyacht aus dem Fernsehen als kleine
Hundehütte erscheinen lassen, immer noch offensichtlich blüht, wo doch
angeblich nahezu alle Steuerschlupflöcher geschlossen sind. Es sei gegönnt,
obwohl Neidgefühle schon aufkommen, wenn Kunden mit dem Maybach vorgefahren
werden, statt wie wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln.
Aber auch bei den Segelyachten stünde den Kunden die Edelmarke
von Mercedes gut zu Gesicht, wenn Sie sich auf ihre Zweitwohnung in Form einer
Segelyacht für bis zu 6 Millionen chauffieren lassen. Wobei ich mich frage,
warum ich in dieser Preisklasse überhaupt noch unter Segel mit all den
Einschränkungen, die diese Fortbewegungsartmit sich bringt, unterwegs sein
möchte. Denn direkt in den Wind kann ich doch trotz Hydraulikwinschen,
vollautomatischer Segel und sonstiger Hightec-Hilfen nicht segeln. Da muss dann
schon der Diesel mit ran. Wie bei uns in den "kleinen" Yachten auch.
Der Wind ist der Gleichmacher. Schön!
Trotzdem, ein Genuss ist es schon, von einer solchen Yacht
mindestens zu träumen, wenn man hinter den Ruderrädern der 82-Fuß-OYSTER
steht, und sich vorstellt, wie sich der weit entfernte Bug der 25-Meter-Yacht
bei raumem Wind hebt und mit leichtem Rauschen in die See senkt, während
die zahlreichen Speedo-Anzeigen wohl um die 15 Knoten plus anzeigen. Nebenbei, ein typischer Düsseldorfer Superlativ:
Die Möglichkeit, diese Traumyacht in der warmen Halle zu besichtigen, ist eine logistische Meisterleistung:
Es ist die größte Segelyacht, die jemals in einer Halle ausgestellt wurde.
Etwas kleiner, aber immer noch finanziell unerreichbar (für
unsereiner) ist die 64er Hallberg Rassy. Da läßt es sich schon eher
vorstellen, auf einem Ankerplatz in der Südsee bei Aircondition und
geschlossenen Luken zum Schutz gegen die Mosquitos im edlen Salon den letzten
Bondfilm zu konsumieren. Und es ist schon denkbar, dass man dorthin mit eigener
Kraft gekommen ist. Werftchef Rassy erklärt einem Dutzend Millionären im
Salon,
wie man diese immer noch riesige Yacht auch per Knopfdruck zu zweit über die
Weltmeere segeln(!) kann. Und im Hafen? Kein Problem meint er, das vollautomatische Bug- und (!) Heck-Strahlruder würden das Problem schon lösen,
auch bei ablandigem Wind. Und die Unterhaltskosten? Rassy spricht von "ein
bis zehn" Prozent, wobei ich mir kaum vorstellen kann, dass auch der
lässigste Millionär so eine Traumyacht unversichert lässt, und dann liegen
wir in der Südsee schon bei zwanzig bis dreißig tausend Euro. Im Monat!
Bleibt also ein Traum. Ein Detail im riesigen Salon allerdings nicht, das ist der
versenkbare Fernseher, auf den man, so man will, auch die Seekarten mit aktueller
Position zaubern kann. Rassy: Das ist ein ganz normaler Fernseher, auf den der
Ausgang des Plotters geschaltet wird. Käme also auch für meine Yacht in Frage
- und das nagende Thema Vestas wäre endgültig ein Thema von
gestern.
Ansonsten: Alle Namhaften waren da und genaugenommen gibt es da
nichts zu berichten, wenn man von dem Kleinkram (helles Holz, Center-oder
Achterkabine etc mal absieht). Für mich überraschend, dass die französische
Spitzenfirma Amel immer noch an dem uralten Konzept eines Zweimasters (Ketsch)
festhält. Warum? Die werden ihre guten Gründe haben, aber im Jahr 2015 erschließen sie
sich mir nicht mehr.
Die Zahl der Mehrrumpfboote scheint zugenommen zu haben, aber
die Multi-Hull-Szene ist noch weit genug davon entfernt, das Kommando bei den seegehenden
Yachten zu übernehmen. Gut so, denn Einrumpfyachten werden auch in hundert
Jahren ihre Daseinsberechtigung haben. Suum cuique!
Auf dem Zubehörmarkt hab ich kein - aus meiner Sicht -
nennenswertes Produkt entdeckt, das mich überrascht hätte. Erfreut hab gesehen,
dass unter den Entsalzungsanlagen die Echotec aus Trinidad wieder vernünftig
vertreten ist.
Man merkt es dem Konzept dieser Anlage und ihren Leistungswerten an, dass sie
von einem Langfahrtsegler mit viel Herz für die Technik, nämlich dem Deutschen
Michael Bauza entwickelt und gebaut wurde. Angetrieben mit "unseren" 12
Volt bringt sie mit 20 Ampere um die 50 Liter - ungefähr so. Das bedeutet in
der Praxis nicht die albernen Werte "pro 24 Stunden" (wer fährt schon rund um die
Uhr mit Maschine), sondern volle Tanks pro Flautenloch. Und in der
Zuverlässigkeit, das ist der Schwachpunkt generell bei Watermaker, wie ich aus sehr
leidvoller Erfahrung bestätigen kann, dürfte sie vielen anderen
vergleichbaren Anlagen weit überlegen sein. Für mich aber der erwähnenswerte
Clou der in Deutschland vertriebenen Echotec: Importeur und Yachtsegeler Thomas
Logisch (tomlogisch.com) baut die Anlage überall in Europa in die Yacht ein zu einem
durchaus mäßigen Preis, der knapp bei 1000 Euro liegt. Watermaker müssen
nämlich exakt fachgerecht angebracht werden, für einen technisch
versierten Handwerker kein Problem, aber wer unter uns ist das schon? Und die
"local Specialists", an die wir im kleinen Yachthafen bei technischen
Schwierigkeiten so oft verwiesen werden, sind doch häufig nichts anderes als
ehemalige Fischer, die sich bei Aufkommen des Yachtgeschäfts mit einem Werkzeugsatz
aus dem Baumarkt versorgt haben. Finger weg von meinem Watermaker! Wer einen
Hydrogenerator sucht, ein aussenborderähnliches Gerät am Heck, das Strom
erzeugt, ist bei dieser Firma ebenfalls gut aufgehoben.
Die so wichtigen Rettungsmittel sind in ihrer Entwicklung
ziemlich ausgereizt. Vollautomatische Rettungswesten sind Standard (das war
nicht immer so!) und - noch besser - bei 75 Prozent aller in die
Sportschifffahrt ausgelieferten Westen ist der Lifebelt
eingearbeitet. Wenn Du also Dich per lebenswichtiger Lifeline sicherst, trägst
Du auch die Rettungsweste - beim Hochseesegeln die einzig richtige Reihenfolge. Warum
aber der Kunde nunmehr Rettungswesten und Ölzeug in Schwarz, Dunkelblau oder
Dunkelgrau, nächtens doch ideale Tarnfarben, überwiegend wünscht, bleibt
Marktgeheimnis.
Zwei nette Bucherscheinungen sind noch erwähnenswert: Der
neue AEQUAT0R-Verlag hat die ungewöhnliche Weltumsegelungs-Geschichte von
Sebastian Pieters herausgebracht. Es ist die wahre und sehr erfrischende
Geschichte eines 20-jährigen Schülers, der ohne Segelkenntnisse, ohne
Partnerin und praktisch ohne Geld von einer eigenen Weltumsegelung anfängt zu
träumen und das dann auch, freilich mit Hilfe seines Lehrers und einer
Mitseglerin (gefunden im Internet!) realisiert - (siehe auch hier!). Er wird auch noch am zweiten
Wochenende auf der Eventbühne der BOOT von dieser Unternehmung und ihrer Geschichte
erzählen und das preiswerte Buch signieren.
Keine Weltumsegelung - noch nicht - haben die Sailing
Conducters (so heißt auch das Buch aus dem Delius-Klasing-Verlag) zu bieten,
aber gerade deshalb ist ihre Geschichte orginell: Die beiden deutschen
Toningenieue (links und rechts auf dem Foto unten - dazwischen v.l.n.r. ARC-Erfinder
Jimmy Cornell, YACHT-Chefredakteur Jochen Rieker und Bobby Schenk) begeben sich
per 9-Meter-Segel-Yacht von Australien aus auf Heimatkurs und wollen
überall die beste Musik "sammeln". Erfrischend amateurhaft ist die
Herangehensweise an die Hochseesegelei nach der "Try and
Error-Methode", geht schon irgendwie. Professionell dagegen die Musik, die man auf der beiliegenden CD
gleich mal abspielen kann. Ein Tip für Segelvereine: Die beiden sehr lässigen Jungs sind beim gigantischen Delius-Klasing-Branchenabend als
Rahmenprogramm (mit Cello) vor 400 Zuseher aufgetreten, was sich auch für annehmbares Honorar
bei einem Clubabend statt der üblichen Dia-Vorträge eignen würde.
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