Elektrizität an Bord - Segen oder Fluch?

 


Diesen Bericht muss man nicht lesen, wenn man ein neues Schiff von einer renommierten Werft sein eigen nennt und die Werft die Yacht auch absolut vollständig ausgerüstet hat. Doch, wer auch nur nachträglich ein Notebook in seine Yacht einbaut oder einbauen lässt, oder sich ein second-hand-Schiff zulegt, für den ist die nachfolgende Lektüre unter widrigen Umständen lebenswichtig...

von Bobby Schenk


Schöne Überraschung!

Als der Skipper nach einigen Tagen Abwesenheit auf seinen Katamaran zurückkam, stellte er diesen eigenartigen Verbrennungsgeruch fest, der ihn Verdacht schöpfen ließ, dass "es auf dem Schiff gebrannt habe". Nach längerem Suchen im Motorraum entdeckte er auf der Rumpfinnenseite eine rußige Stelle. Zunächst fand er aber keinen Brandherd, bis er hinter der Leitungsröhre kleine Metallkügelchen aufspürte, die unter der verrußten Oberfläche rötliches Kupfer zeigten. Als er seinen Blick nach oben wandte, sah er auch in der Nähe der Landstromversorgung eine kleine Kupferplatte, die offensichtlich angefressen war. Da erst ging dem Skipper ein Licht auf und er bekam nachträglich noch weiche Knie. Welch unerhörtes Glück hatte er gehabt!

Die eigentliche Ursache für das geschmolzene Kupfer war in einem elektrischen Gerät entstanden, wo sich auf Grund eines Defekts ein so hoher Strom in der Elektroinstallation entwickelt hatte, dass offenbar ein kleines Kupferteil geschmolzen war, welches dann das flüssige Kupfer heruntertropfen ließ. In diesem Fall waren nicht Basteleien des Skippers die Ursache des Fast-Unglücks, sondern ein ungeklärt gebliebener Installationsfehler.

Allerdings zeigt diese Begebenheit, welch katastrophale Folgen so ein Fehler in der elektrischen Installation haben kann - und sollte uns zu größter Vorsicht mahnen, wenn wir selbst versucht sind, an der Elekroinstallation herumzubasteln (ehrlich: Wer ist noch nicht dazu verleitet worden, ein "unbedingt notwendiges" elektrisches Zubehörteil irgendwie an die 12-Volt-Leitung ranzuhängen?)

Ok! Das kann ja mal passieren. Aber schauen wir uns das Foto rechts genauer an: Da ist jedenfalls flüssiges Kupfer herabgetropft und um Millimeter wurde die Dieselleitung gerade so mal verfehlt. Die wenigen Millimeter, die das Kupfer "daneben" ging, haben das ganze Schiff, einen riesigen Katamaran gerettet. Kupfer hat nämlich eine Schmelztemperatur von über 1000 Grad. Und nur durch ein Riesenglück wurde die flexible Dieselleitung nicht vom Kupfer getroffen. Denn dann wäre ein Leck in der Treibstoffleitung entstanden. Diesel entzündet sich bei Teperaturen zwischen 220 und 300 Grad. Mehr braucht wohl nicht gesagt werden.

Zwar sind die Werften um einiges professioneller geworden als noch noch vor einem Jahrzehnt. Hat man vor vielen Jahren irgendwelche Elektriker - oder welche, die sich einfach so nannten - mit dem Lötkolben rumbraten lassen (wie ich es in einer extrem teuren sogenannten "Edelwerft" selbst beobachten konnte), so werden heute für die Elektroinstallation Fachfirmen beauftragt, die exakt planen und nach den anerkannten Regeln des Elektrohandwerks die Installation vornehmen.

So weit so gut. Aber: Mit welchen Schiffen gehen wir denn auf Langfahrt ? Die Regel sind doch keine Neubauten aus erstklassigen Werften, ja nicht einmal aus bekannten Serienwerften. In 80 Prozent aller Fälle kaufen wir gebrauchte Schiffe oder - seltener - bauen unser Schiff selbst. Im letzten Falle wären wir noch ganz gut dran, da kennen wir die elektrische Installation wie unsere Westentasche. Aber ansonsten? Selbst, wenn wir ein nagelneues Schiff erworben haben, garantiert uns in ein paar Jahren niemand, dass wir da nicht mit Pfusch im Schiffsbauch rumsegeln. Denn die Praxis sieht doch so aus: Nach einiger Zeit kommt weiteres Zubehör aufs Schiff und wenn man den Schiffshändler fragt, wie es mit dem Einbau steht, dann kriegt man garantiert die Antwort: "Einfach irgendwo an die 12-Volt-Leitung hinhängen!"

Die Praxis zeigt es: Das Notebook hängt bei der Navigationsbeleuchtung mit dran, schließlich ist ja nur selten eine Leitung für diesen Zweck von der Werft gelegt und auch frei. Der berühmte Zigarettenanzünder ist schon von der neuen Kühlbox belegt und das moderne Satellitenradio mit seinem sparsamen Verbrauch wurde noch an die Leitung zu den Leselampen geklemmt. In den heißen Gegenden merkt man plötzlich, dass auch ein elektrischer 12-Volt-Ventilator aus dem Autohaus nützlich wäre, worauf der sich - elektrisch - zur Kajütbeleuchtung gesellt. Jedem Ingenieur., der mit VDI-Vorschriften groß geworden ist, würde es schlecht, wenn er Röntgenaugen hätte und durch die Rohre und den Schaumstoff hindurch die "Zusatzinstallation" überblicken könnte. Und uns würde auch übel, wenn wir realisieren würden, wie riskant solche Basteleien sind, auch wenn es sich nur um den so harmlosen 12-Volt-Strom handelt, wo man ja schadlos Plus und Minus in die Hand nehmen kann.

Ein Fall aus der Praxis. Da motorte eine 10 Jahre alte 42-Fuß-Segelyacht bei Flaute Richtung Hafen. Plötzlich kam Rauch aus einem Schrank, in dem sich die Sicherungen befanden. Dann spielte schon der Steuerautomat verrückt und es verbreitete sich der beißende Geruch, den wir alle kennen, wenn wir mal ein Elektrogerät an die falsche Spannung angeschlossen oder die falsche Spannung gewählt hatten.

Dem Skipper war jetzt der Ernst der Lage klar, denn jeder weiß (sollte es zumindest wissen), dass ein Kabelbrand so ungefähr das Bösartigste ist, was einem das Schicksal auf einer Yacht bescheren kann. Übrigens nicht nur auf einer Yacht, man denke an das Unglück auf dem Düsseldofer Flughafen am 11. April 1996. Dort war es die schmelzende Isolierung, die 17 Menschen das Leben kostete.

In diesem Falle hatte der Skipper nochmals Glück. Obwohl schon die Flammen aus der Elektrik schossen, brachte er, bereits im Hafen, das Feuer gerade noch unter Kontrolle.

Was war die Ursache für die Beinahe-Katastrophe? Es war ein ganz gewöhnlicher Ventilator, dessen Lager gefressen hatte und, das war die Hauptursache, der von der namhaften Werft(!!) nicht eigens abgesichert war. Eigentlich logisch. Jeder Laie hat es schon gesehen: Auch unsere "harmlosen" 12-Volt-Batterien, die uns nicht einmal einen Schlag, höchstens ein Prickeln versetzen können, sind immerhin so energiereich, dass sie einen Anlasser mit mehreren Pferdestärken oder auch eine kräftige Ankerwinde betreiben können. Oder, wenn wir die Drähte sich nur berühren lassen, unter sprühenden Funken, das Metall der Drähte zum Schmelzen bringen können. Wenn es nun einen Kurzschluss gibt, der nicht sofort durch das Ansprechen von entsprechend dimensionierten Sicherungen unterbrochen wird, entstehen so hohe Ströme, dass der Draht zu glühen und schließlich mitsamt Umgebung unter Abtropfen der Isolierung zu brennen beginnt. Das Problem beim Löschen: Der oder die Drähte glühen auf der ganzen Länge, der Brandherd ist nicht mehr einzugrenzen. Fast immer ist ein Totalverlust der Yacht die Folge, der Mann im obigen Beispiel hat unverschämtes Glück gehabt.

Ich hatte diesen Vorfall jedenfalls auf meinem Schiff zum Anlass genommen, die gesamte elektrische Installation auf solche Problemherde hin zu überprüfen. Es ist allerdings eine Illusion, zu glauben, dass man die Forderung "pro Verbraucher einen Stromkreis" in der Praxis durchsetzen kann. Das war vielleicht vor 50 Jahren so, als man allenfalls die Positions- und ein paar Leselampen zu speisen hatte, heute finden sich schon bei mittelgroßen Yachten ein paar Dutzend Verbraucher, die nur über Hauptleitungen mit nachfolgenden Verteilerdosen mit Strom versorgt werden können. Und dann wird man eben die erwähnten zugekauften Verbraucher entdecken, die alle ebenfalls separat abzusichern sind, im äußersten Falle, ich betone: im äußersten Falle mit fliegenden Sicherungen, also mit diesen schwarzen Röhrchen, die in der Zuleitung hängen. Trotzdem: Viel, viel besser als gar keine Sicherung!

Insbesondere ist eine solche Untersuchung wichtig nach einem Blitzeinschlag. Vor ein paar Jahren haben sich Berichte über Blitzschäden gehäuft - siehe die Fälle Harlekin und Nathape. Das mag daran liegen, dass viel mehr Fahrtenyachten als früher unterwegs sind, und deshalb auch besonders gewittergefährdete Gebiete häufiger durchfahren werden - Panama, Malacca-Straße und so weiter. Aus der Anzahl von Blitzeinschlägen lässt sich der vorsichtige Schluss ableiten, dass zwar Menschen selten zu Schaden kommen, unsere heute hochspannungsempfindliche Elektronik aber und damit die Kabel häufig Schaden nehmen. Vor ein paar Jahren ist in der Straße von Singapur nach einem Blitzeinschlag eine 60-Fuß-Yacht abgebrannt.

Aber auch, wenn scheinbar nichts passiert ist, sollte man die elektrische Anlage nach einem Blitzeinschlag gründlich überprüfen. Man wird unter Umständen feststellen, dass die Isolierung von ganz ordinären Stromkabeln so beschädigt ist, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis es brennt. Auch die THALASSA hat einen Schlag abbekommen. Aber, so hab ich damals geschrieben, außer dem Windmesser hat sich nichts verabschiedet. Irrtum: Geraume Zeit später wollte der Motor nicht mehr anspringen. Der Grund: Der Blitz hatte offensichtlich die Elektrik des Diesels gestreift - siehe Pfeile. Zunächst nichts Bewegendes! Aber nach einer gewissen Zeit verschmorte als Folge davon die Fassung des kleinen Birnchens aus der Alarmanzeige - mit der Folge, dass der Motor erst nach der fachmännischen Reparatur und Austausch der betroffenen Teile wieder gestartet werden konnte. Die Zeiten sind halt unwiederbringlich vorbei, in denen man einen Diesel mit der Hand starten konnte. In denen Elektrizität überflüssig war.

Die Lehre hieraus:

  • Es darf sich kein einziger Verbraucher an Bord befinden, der nicht separat abgesichert ist.

  • Nach Möglichkeit sollte für jeden Verbraucher ein eigener Stromkreis vorhanden sein, der separat mit einem Sicherungsautomaten für die betreffende Stromstärke abgesichert ist.

  • Werden notfalls fliegende Sicherungen verwendet, so sollten diese an Stellen eingebaut sein, die jederzeit eingesehen werden können.

 

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