Blauwassersegeln pur

Blick hinter die Kimm nach 1500 Tage Weltumseglung!


Blauwasser-Segeln verändert die Sicht auf die Welt! Diesen Prozess durchliefen Stephan (57) und Kerstin (52) Domes während der ersten Hälfte ihrer Weltumsegelung. Die seglerischen Herausforderungen an Bord ihres NEEL 47 Trimarans „Trinity“ auf dem Weg von La Rochelle in Frankreich bis nach Neuseeland machten sie zu erfahrenen Hochsee-Seglern. Das Kennenlernen von fremden Kulturen auf zum Teil entlegenen Inseln hatte ihr Weltbild geändert.
Hans Schubert

Mutation vom Industriedirektor zum freien Hochseeskipper
von Stephan und Kerstin Domes

Was mag der Häuptling?

Insbesondere die letzten vier Monate in Vanuatu waren eine überwältigende Erfahrung, die abgelegensten Inseln zu erkunden und wochenlang keine anderen Segelboote, geschweige denn „Weiße“, zu sehen. Einige indigene Kinder haben noch nie Weiße gesehen und geraten in Panik – andere sind neugierig und berühren deine Haut und Haare. Ein außergewöhnliches Erlebnis. Und ratet mal – fast alle Kinder ab der Grundschule tragen Macheten oder große Messer bei sich, denn wenn sie Hunger haben, steigen sie auf einen Baum für eine Kokosnuss, Papaya, Grapefruit usw., und niemand wird verletzt. Messer sind also offensichtlich nicht das Problem. Wenn wir in einer neuen Bucht ankern, ist es obligatorisch, sofort den Häuptling zu besuchen, als Respekterweisung - oft mit einem Geschenk. In Fidschi beispielsweise ist die Kava-Wurzel als Mitbringsel Brauch.

Gelegentlich gibt es eine kleine Zeremonie und danach darf man ankern, das Dorf zu besuchen und vielleicht sogar in der Bucht mit der Harpune fischen. Wenn wir Ressourcen der Indigenen nutzen, bieten wir technische Reparaturunterstützung für Batterien, Motoren und Solarleuchten an, weil wir die Werkzeuge und mehr technische Kenntnisse haben. Man sollte stets freundlich und hilfsbereit bleiben, auch wenn bereits das 10. Einbaum-Kanu am selben Tag für einen Handel oder eine Reparatur an den Ankerplatz kommt. Es könnte eine der wenigen Gelegenheiten sein, bei denen sie im ganzen Jahr Köder, Kleidung, Messer usw. eintauschen können.

Immigration-Offizielle mögen keine Tricks!

Sobald man in einen neuen Inselstaat einreist, befolgt man alle Regeln der Immigration, des Zolls, der Biosicherheit usw. und ankert nicht in irgendeiner hübschen Bucht, bevor man im offiziellen Einreisehafen einklariert hat. Wenn man sich nicht an diese Regel hält, könnten das Boot konfisziert, man selber und die Crew im Gefängnis landen und mit einem Einreiseverbot belegt werden, nachdem man des Landes verwiesen wurde. Dies ist gerade dieses Jahr wieder 2 Booten in der Lau-Gruppe in Fidschi passiert, und es ist gut so – es sind ihre Inseln und die Regeln sind bekannt. Wenn die Bio-Security-Krankenschwester in den Pass schaut und aufgeregt sagt "Deutsch - Great - Ado… Hi..." zeigt man trotzdem Respekt, lässt sie nicht als dämlich dastehen und erklärt unaufgeregt, dass man und die große Mehrheit ihn eben nicht mehr mögen und warum. Indigene lieben Besucher, die zuhören und ihnen keine Werte und Erkenntnisse aufschwätzen – schon gar keine feministischen in einem Land, wo arrangierte Ehen der Standard sind. Man bedenke die Kolonialgeschichte. Die Ureinwohner wissen aus Erfahrung, wie gnadenlos der Ozean ist und respektieren deswegen Hochseesegler ohnehin, wenn man es nicht vermasselt.

Der weisse Exot

Weiß zu sein bedeutet oft, dass du ein absoluter Exot bist und jeder dich fragt, woher du denn kommst, weil die Einheimischen eben wirklich interessiert sind. Wir haben diesen Türöffner schon immer geliebt und uns nie diskriminiert gefühlt, weil wir aufgrund unserer Hautfarbe beurteilt wurden. Wenn Einheimische Dir lokalen Schmuck, Blumen für die Haare, handgefertigte Körbe usw. schenken oder eingetauscht haben, trage sie stolz und zeige ihnen, dass Du ihre Kultur schätzt. Es handelt sich nicht um kulturelle Aneignung. Katholisch zu sein, erleichtert den Zugang ungemein. Da die Liturgie identisch mit den Anglikanern ist, nehmen die Einheimischen schnell wahr, ob Du auch praktizierender Christ oder seltener Tourist bist. Nach fast jeder Messe sollten wir uns vor der ganzen Gemeinde vorstellen und vor der Kirche mit dem Priester allen Gemeindemitgliedern die Hände schütteln, um anschließend in Familien zum Essen oder Feiern, wie Hochzeiten oder Vatertag, eingeladen zu werden. Wenn man den Unabhängigkeitstag mit Indigenen feiert, stolz ihre Nationalfarben trägt und mit einer großen Flagge auf dem Boot seine Nationalität zeigt, ist das kein Nationalismus und wird wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Keine Wokeness und kein Gendern

Ich denke, es ist für den Leser zwischen den Zeilen offensichtlich, dass wir viele Entwicklungen in der Heimat nicht unterstützen. Zwei Saisons auf pazifischen Inselgruppen mit den warmherzigsten Menschen zu verbringen, die häufig von Zyklonen überrollt werden und immer noch so positiv und tolerant in ihrem Überlebensmodus sind, lässt einen die Wokeness und Gender-Indoktrination zu Hause absolut lächerlich erscheinen. Niemand auf den Inseln identifiziert sich als Fuchs oder verschwendet Zeit an Pronomen. Nirgendwo sonst haben wir so viele Schwule gesehen wie in Französisch-Polynesien. Große kräftige Männer mit lackierten Finger- und Fußnägeln, geschminkt, in Kleidern und mit Blumen im Haar sitzen zwischen uns in der Gemeinde der katholischen Kirche und singen und feiern gemeinsam fröhlich die Messe. Sie sind seit Jahrhunderten voll integriert und akzeptiert – und sie zeigen stolz ihre Schönheit statt mit "lautem Dragqueen-Gedöns" zu nerven. Wir haben nicht erlebt, dass sie versuchen, anderen ihre Weltanschauung aufzudrücken. Ist gegenseitiger Respekt vielleicht der Schlüssel zur Akzeptanz?

Flüchtlinge unerwünscht!

Bei der Überquerung des Ozeans zwischen Vanuatu oder Neukaledonien nach Neuseeland oder Australien müssen Segler nicht auf in Seenot geratene Flüchtlingsboote achten. Kein Flüchtling stirbt hier. Und wir trafen so viele extrem arme Inselbewohner, die ernsthafte Gründe zur Flucht hätten. Aber da jeder weiß, dass man nur mit Visum einreisen kann – ansonsten wird man von der Küstenwache und Marine in den sicheren Tod auf dem Ozean abgewiesen – startet niemand ein Selbstmordkommando. Die Indigenen erhalten ohnehin relativ leicht ein 6-monatiges Arbeitsvisa für Neuseeland und Australien, wenn sie es in ihrem Land beantragen.

Zurück im zivilisierten Downtown Auckland aktualisierten wir unsere Website (www.sailing-trimaran-trinity.com) mit all den beeindruckenden Bildern/Erlebnissen und telefonierten mit vielen Freunden. Das übliche Feedback ist Interesse an unseren Abenteuern und oft, dass sie das nie tun könnten. Warum eigentlich nicht?

Nun – es gibt gute Gründe, warum nicht einmal Einer von einer Million Menschen im Jahr eine Weltumsegelung startet. Ozeane zu überqueren bedeutet, dass man auch bei guter Vorbereitung früher oder später in schweres Wetter gerät und es keinen Spaß macht, wenn brechende Wellen im Stockdunkeln über das Boot schlagen und das Boot die Wellen hinunter surft. 24 Stunden lang, tagelang mit lauten Wellenschlägen heftig durchgeschüttelt zu werden, ist auch nicht amüsant. Ganz zu schweigen davon, auf ein Riff zu laufen – was gerade guten Freunden passiert ist, die ihr Boot verloren haben. Auf der anderen Seite erreicht man die atemberaubendsten Orte der Welt und muss sie mit niemand anderem teilen.

Die Uhr tickt

Also nicht weiter warten, den eigenen Traum zu leben, sondern jetzt vorbereiten – gestern zu beginnen, wäre besser gewesen. Die Zeit tickt. Der Wechsel vom Vertrieb zum Marketing bedeutet nicht wirklich, die Komfortzone verlassen zu haben. Wenn man groß denkt, wird man von sich selber überrascht, welche neuen Fähigkeiten und Fertigkeiten man hat und entwickelt und dass die Limits ganz woanders liegen. Wir haben erst mit Anfang 40 mit dem Chartersegeln begonnen. Ohne praktische Erfahrung, mit dem Lesen des Buches "Sailing for Dummies" - und jetzt umrunden wir den Planeten.

Die Planung eines großen Traumes ist wie Projektplanung – einfach diese Fähigkeiten mal für sich selbst nutzen. Man benötigt 3 Voraussetzungen: Zeit, Ressourcen und Gesundheit. Fast alle Träumer scheitern daran, dass sie sich hinter den Ausreden "noch nicht genug Zeit" oder "noch nicht genug Geld" verstecken – und wenn dann viel später der angedachte Zeitpunkt der Traumerfüllung kommt, spielt die Gesundheit nicht mehr mit – Surprise, Surprise. Wir haben so einige Segler getroffen, die scheitern, weil sie zu spät aufgebrochen sind. Es gibt nie den PERFEKTEN ZEITPUNKT, aufzubrechen ... Arbeit... Kinder... Eltern... Haus... Vereinsengagement ... Freunde... sind einschränkend. FREIHEIT IST NICHT GRATIS. Man muss dafür kämpfen und es gibt einen Preis.
Wichtig ist, niemandem vom Traumplan zu erzählen bis die Immobilien für Liquidität verkauft sind, bis die berufliche Karriere oder das Geschäft monetarisiert wurde, um eine starke Verhandlungsposition zu schützen. Wer wird wohl einen guten Preis zahlen, wenn jeder weiß, dass das Haus, das Auto oder das Geschäft jetzt verkauft werden muss? Man will auch keine „Lame Duck“ werden!

Freunde verlieren? Na und!

Es sollte auch erwogen werden, einige spießige Freunde zu verlieren. Wir bekamen zum Beispiel die Frage gestellt: "Wie kannst du deine Kinder verlassen?" Wie bitte? Alle vier Kinder sind aus der Schule und stehen voll im Leben! Andere Freunde sind einfach zu schlicht und mit deiner Metamorphose überfordert. Die allermeisten Freunde haben wir natürlich noch. Bezüglich der Verlorenen kein Problem – man lernt auf der Reise noch viel mehr wirklich interessante Persönlichkeiten kennen, mit den ausgefallensten Lebensgeschichten und Ansichten. Von Lebenskünstlern mit kleinstem Budget auf alten Stahlbooten bis zu vermögenden Unternehmern ist alles dabei, wobei der Großteil der Weltumsegler sich aus der Mittelschicht rekrutiert. Der Absprung ist eine hervorragende Möglichkeit, der heimischen polarisierten Szene zu entkommen, wo man sich seit Covid zunehmend nur noch in der eigenen Blase aufhält und alle anderen für Schwachmaten hält – egal aus welchem Lager man kommt. Wir lassen uns in keine Schublade stecken.

Lebe deinen Traum jetzt - versuch es zumindest!

Sich die Zeit nehmen, die schönsten Erfahrungen und Leidenschaften notieren und den eigenen Traum definieren – aufhören, klein zu denken. Wenn sich der Traum dann als abenteuerlich und komplex herausstellt, benötigt man jahrelange Vorbereitung. Wir haben 2015 beschlossen, dass wir definitiv unsere Weltumsegelung im Jahr 2020 beginnen werden und von da an hatten wir nur EINE Priorität, ohne jegliche Kompromisse.

Groß denken – nicht zögerlich sein. Wie isst man einen Elefanten? Stück für Stück!

Keine feste Planung mehr für uns – wir evaluieren Optionen, wissen aber noch gar nicht, wohin wir nächstes Jahr segeln. Vielleicht Vanuatu ... Salomonen... Papa Neuguinea ... Indonesien... vielleicht Südafrika. Bei Reiseantritt war unser Plan, keinen Plan mehr zu haben, und diese unbegrenzte Freiheit wollen wir weiterleben.

Grüße aus Auckland:

Immer gerne in Kontakt bleiben - Erfahrungen und Visionen teilen - Niemand weiß alles am besten – zuhören, erleben, lernen und teilen!

zur Home-Page

Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/n003/weltbild.html

Impressum und Datenschutzerklärung