Nur so geht "richtig Ankern"!
Ankern ist beim Blauwasserleben wichtiger als Segeln
Betrachtet man die Vorbereitungen zukünftiger Langstreckensegler, dann fällt auf, dass sich viele davon
um alles in der Welt kümmern, angefangen von der Waffenproblematik über die Wahl
des richtigen Schiffes bis zur Besegelung, dass sich die
Wenigsten aber Gedanken um's Ankern machen. Das gilt besonders für unsere
Freunde von der Ostsee, die ja gelegentlich ganz erstaunt sind, wenn man ihnen
vorhält, dass ein Beiboot und desssen zweckmäßige Unterbringung unverzichtbar ist. Kein
Wunder, denn dort ist es ja nicht ungewöhnlich, von Hafen
zu Hafen zu skippern. Dabei ist
richtiges Ankern um ein Vielfaches wichtiger als gutes Segeln. Denn auch der ahnungsloseste
"Segler" wird schon irgendwie vorwärtskommen, auch wenn die Segel schlecht
stehen, oder mal zuviel, mal zu wenig Segelfläche gesetzt ist.
Ohne
sichere Beherrschung der richtigen
Ankertechnik wird ein Blauwasserleben nur von kurzer Dauer sein. Die
Gefahr, sein Schiff zu verlieren, ist ständig präsent. Marinas rund um
den Erdball sind nicht so dicht gesät wie in unseren
heimischen Gewässern. Das heisst, um's Ankern kommt der Segler nicht herum. Und
daraus folgt, dass er es wie nichts anderes auf Blauwasserfahrt beherrschen
muss. Hier ein einziger Fehler und das Vermögen ist weg! Viele Mittelmeersegler,
meist auf Charteryachten, haben das
schon erleben dürfen und manche Weltumsegelung, auch deutsche, endeten hoch und
trocken, nur, weil der Anker nicht gehalten hat.
Dabei ist die
Aufgabenstellung so einfach:
Erstens: Das Schiff muss am Ankerplatz unbeschädigt
bleiben. Und das setzt eben voraus, dass unter allen zu erwartenden Wetter- und
örtlichen Bedingungen der oder die Anker halten
Zweitens -
Heuzutage, bei dem dichten Schiffsverkehr auch auf den Ankerplätzen
rund um die Welt, muss der Skipper in der Lage sein, jederzeit, untertags oder
auch nachts den Ankerplatz einen anderen sicheren Platz zu belegen oder garplötzlich zu verlassen, sei es, weil das Wetter entgegen allen
Erwartungen nicht gehalten hat, sei es aber auch, und das ist der häufigste Fall
weil das Ankerfeld schlicht durch weitere Ankömmlinge zu voll geworden ist, um
einen anderen sicheren Platz zu belegen oder gar den Ankerplatz mit neuem Ziel
augenblicklich zu verlassen.
Gerade Ziffer zwei spielt in der
Praxis auf überfüllten Ankerplätzen, insbesondere an den Hotspots der
Blauwassersegelei, ein große Rolle. Das Ankergeschirr und die Technik müssen also
so ausgelegt sein, dass jederzeit ein Ankeraufgehen möglich ist - und zwar
manchmal so schnell als möglich. Sei es, weil das Wetter umschlägt, der Schwell
plötzlich unvermittelt von der offenen Seekommt, oder, sehr
wahrscheinlich, weil ein weiterer Kollege, der der Ankertechnik wenig Ausmerksamkeit
schenkt, sich rücksichtslos in unseren Schwojkreis gelegt hat - nicht selten zu
beobachten. Ungeübte Chartersegler oder Angehörige einer bestimmten Nation
rangieren auf der Rangliste der rücksichtslosen Ankerplatzbenutzer ganz oben!
Anker-Erlebnisse einer Weltumseglerin
Die
deutsche Weltumseglerin Mareike Guhr, die, bemerkenswert einen großen Kat mit
wechselnder Besatzung um die Welt geskippert hat (siehe
who-is who), hat dies
in einem Ihrer News-Letter, aus dem der Geist guter Seemannschaft
spricht, eindrucksvoll geschildert, während sie wegen der Corona-Krise in der Karibik
festgehalten wurde. Ich empfehle ihrem Bericht Aufmerksamkeit zu schenken, und sich zu fragen,
ob man selbst allein auf einem doch recht großen Katamaran in der Lage wäre,
diese Manöver so locker zu fahren wie Mareike:
"Das große Q!
Q wie Quarantäne. Ich sitze gerade meine zweite ab. Nicht dass ich krank oder ansteckend wäre, aber die Sicherheitsvorkehrungen hier sind streng. Irgendjemand warf die Frage auf, wer am Ende der Corona-Zeiten wohl die meisten Q’s gesammelt haben wird.
Ich bin mittlerweile im großen Grenada-Q, nachdem ich auf dem Weg nach Süden, von Antigua kommend, in Martinique bereits zwei Wochen absolviert und sogar einen Covid19-Test gemacht habe. Das interessiert hier aber keinen - also nochmal von vorne: Schwimmen nur rund ums Schiff, keine Nachbarn besuchen und schon gar nicht an Land! Die Coast Guard fährt ständig Patrouille. Da ich ja bereits in Antigua drei Monate isoliert auf dem Schiff gelebt habe, ist das für mich keine große Sache mehr, wenn nur der Ankergrund nicht so schlecht
wäre, hier vor St. Georges, der Hauptstadt Grenadas. Leider sind wir dazu verdammt genau hier zu ankern, auf dem Korallengeröll, in dem kein Eisen hält. Mittlerweile habe ich fünf mal umgeankert, eine heftige Schauerfront mit 45 Knoten nur überstanden durch Gegenhalten unter Motor und normalerweise würde ich hier keine Nacht freiwillig bleiben.
Dabei hatte ich zwei Tage lang
schönsten Sand unter
mir und besten Halt - aber da hat mich die
Coast Guard weggescheucht: "Ausserhalb der Q-Zone", sagten sie.
Solo ist das kein Spass, ehrlich. Alleine die Kette hochzuholen braucht Geduld, wenn Dir 20 Knoten Wind entgegen stehen und hinten keiner Gas geben kann. Wenn sie dann fast oben ist, muss ich rennen, damit ich die Nachbarn nicht umfahre, da Moana natürlich sofort abdriftet.
Und dann erneut eines der ganz wenigen unbesetzten winzigen Sandfleckchen zu suchen, um den Anker genau dort zu platzieren - fast unmöglich, wenn ich 14 Meter weiter hinten am Ruder stehe. Einen mobilen Autopilot habe ich zwar, aber mir fehlt noch die Fernsteuerung für den Gashebel! Zu zweit wäre das deutlich einfacher…. Derzeit hat sich der Anker hinter einem Stein verhakt, so dass ich nicht weiss ob ich ihn je wieder befreien kann. Aber es hält ;-) Dafür bin ich jetzt im Süden, wo es zur Hurricane-Zeit deutlich sicherer ist,
als in Antigua. Das ist es wert. Ob mein nächstes Ziel, die ABC Inseln im August
immer noch ein Q verlangen, werden wir dann sehen."
Mich hat diese
Schilderung schwer beeindruckt, denn da steht eigentlich alles drin, was einem
auf einer Blauwasserfahrt beim Ankern zustoßen kann. Wirklich eindrucksvoll: Ankern
scheint die einfachere Tätigkeit zu sein, schon weil dabei selten die Zeit
drängt. Wichtiger ist die Fähigkeit,
plötzlich Ankerauf zu gehen. Doch wie gesagt, diesem Teil der Ankertechnik wird häufig viel zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet.
Gerade zu typisch und sehr nachdenklich stimmen sollte ist der ehrliche Bericht von Tom mit
seinen leidvollen Erkenntnissen bei
der Vorbereitung seiner Weltumsegelung sein, der hier
abgedruckt ist.
Ankerausrüstung von Mareike Guhr
Betrachten wir mal die Ausrüstung auf Mareikes Kat:
"Hier mein technisches Setup:
- Lofrans Tigris 1500 W
Ankerwinsch - eine Kabelfernbedienung (Quick) vorne - und eine eingebaute
am Steuerstand (MZ Electrics) - Delta-Anker 25 Kg (ich hätte lieber eine
Bügelanker, aber bisher bin ich mit dem Delta auch gut gefahren)
- 100 Meter
verzinkte 10mm-Kette (muss jetzt neu galvanisiert werden) Die Kette ist alle 10
Meter bunt markiert, entweder mit diesen Plastiknupsis, oder mit bunten Bändern.
Die Kette hatte ursprünglich 70 Meter und wurde mit einem Bindeglied um 30 Meter
verlängert bevor ich losgefahren bin. Neulich in Le Marin (Martinique) habe ich
auch mal wieder alles gebraucht. Niroketten gegenüber bin ich skeptisch, vor
allem bei der hohen Wassertemperatur in den Tropen, da man Schäden nicht sehen
kann. - dazu 50 Meter Leine für sehr tiefe Ankerplätze ab 25-30 Meter -
Hahnepot mit Schäkeln (das ist etwas umständlicher zu montieren, fällt aber
nicht raus, wie ein Klaue - wenn das Konstrukt auf dem Boden aufkommt, was ab
etwa vier Metern Wassertiefe passieren kann.) - betrifft nur Katamarane - 50
Meter sehr dicke Schwimmleine / Landleine"
Aus dieser Ausrüstung spricht
die Erkenntnis aus einer Weltumsegelung mit der Erfahrung von zahllosen Ankermanövern. Auf
Grund meiner Erfahrung aus sicher über tausend Ankermanövern ist da nichts
auszusetzen. Die Ausstattung mit dem Ankergeschirr findet sich so ähnlich auf den allermeisten Weltumsegelyachten, die
ich gesehen habe.
Die Quintessenz aus diesem Bericht :
a) Eine elektrische
(oder gar hydraulische) Ankerwinde - ab einer Yacht von 11 oder 12 Meter Länge
ist ein Muss, auch wenn sie ins
Geld geht und nicht einfach einzubauen ist. Der hohe Stromverbrauch fällt
hierbei nicht so
ins Gewicht, denn der wird nicht aus den Batterien gezogen, sondern von den
Alternatoren auf der Hauptmaschine, die - selbstverständlich - bei
Ankermanövern immer mitläuft.
b) Lange Ankerkette als Standardausrüstung, verzinkt.
Mareikes
Einwand, dass Niroketten nicht erkennen lassen, dass die unvermeidbare (!)
Elektrolyse sie angefangen hat zu zersetzen kann ich aus eigener Erfahrung nur
zustimmen.
Mit dieser Ausrüstung ist es möglich, schnellstens einen
Ankerplatz zu verlassen. Vielleicht kommt hier der Einwand der Landleine oder
des zweiten Ankers. Erstens kann man, wenn soviel Zeit zu Verfügung steht, den
zweiten Anker plus Leine (immer!) vor dem eigentlichen Ankeraufgehen in Ruhe per
Beiboot bergen. Und zweitens, wenn es pressiert, die Landleine oder die
Ankertrosse mit Boje zum Wiederauffinden wegwerfen, um sie dann später in Ruhe wieder aufzunehmen.
Ankertechnik - Ankertaktik der Weltumseglerin
Genauso deckt sich die
Schilderung ihrer Ankertechnik als Ankerphilosophie, mit den Erfahrungen fast aller
Weltumsegler:
"Ich bin absolute Verfechterin
von „viel hilft viel" und habe derzeit bei 3,5 Meter Wassertiefe 30 Meter Kette
draussen. Eigentlich mache ich es darunter gar nicht mehr, egal wie tief.
Wichtig ist mir auch langsames einfahren. Wenn ich alleine an Bord bin,
versuche ich mir Plätze zu suchen, wo ich nach hinten genug Freiraum habe, damit
ich beim Aufholen Zeit habe ans Steuer zu kommen, bevor das Schiff driftet.
Ich gehe nach vorne und lasse den Anker bereits baumeln, bevor es irgendwie eng
wird. Dann fahre ich in das Ankerfeld, suche mir meinen Spot, drehe eine Runde,
damit ich den Schwojkreis gesehen habe. Fahre ganz langsam zur Stelle wo der
Anker fallen soll und stoppe auf. Beim Runterlassen gebe ich nur sehr wenig und
nur ganz kurz rückwärts. Der Wind macht den Rest schon ganz von alleine. Wichtig
ist dass das Ruder mittig steht. Später wenn die Kette liegt und der Hahnepot
montiert ist fahre ich dann schon mit mehr Power ein und wenn möglich gehe ich
dann sofort schnorcheln und gucke mir unter Wasser an wie es aussieht.
Beim Aufholen muss ich leider vorne im Ankerkasten die Kette „verräumen“ da sie
sonst unter der Winsch blockiert. Das ist der Konstruktion des Ankerkastens
geschuldet. Also mit Geduld warten bis Loose auf die Kette kommt und Stück für
Stück ohne zuviel Druck auf die Winsch zu bringen langsam hochholen. Wenn mehr
Crew da ist kann hinten jemand langsam und dosiert vorwärts Gas geben.
Einen Zweitanker setze ich nur im äußersten Notfall. Eher mal eine Landleine.
Und besonders wichtig: Ich habe bei Ankermanövern immer, wirklich immer Handschuhe und feste Schuhe an und lasse auch keinen anderen ohne diesen Schutz an meine Winsch.
Ich habe übrigens heute morgen nochmal umgeankert und ganz unter Land
Sand gefunden.
Dringend
empfehle ich diese Worte von Mareike Guhr allen, die Ihr Schiff, vielleicht gar
ihr Leben auf die "richtige Ankertechnik" setzen. Dann wird die Formel von der
"dreifachen Wassertiefe" bald aus deutschen(!) Segebüchern, nicht der englischen oder
amerikanischen (da gabs die Formel gar nicht), verschwunden sein. Es besteht
auch die Möglichkeit, bei Mareike in Westindien das Ankern zu lernen oder ihren
Newsletter zu bestellen - siehe
hier!
Und noch
was vermisst man in den Ausführungen von Mareike, was durch - deutsche -
Segelliteratur zum Ankern seit jeher geistert. Wie stehts mit Verkatten oder
Vermuren? Gar mit einem "Reitgewicht", nämlich ein schweres Gewicht mit einem Haltebügel, das mit
Hilfe einer Verholleine zum Anker an der Kette entlang hinabgelassen wird, um damit den
Angriffswinkel zu verbessern? Man stelle sich die Ankermanöver von
Mareike vor, wenn sie in größter Eile den Anker raufholen muss, um manövriefähig
zu sein, wenn sie also zusätzlich zum einfachen Ankeraufgehen sich noch um ein
Reitgewicht plus "Schnur" dran oder einen weiteren Anker an der gleichen Kette (=Verkatten) kümmern
müßte. Keine Ankerwinde der Welt schafft es, dieses weitgehend nutzlose
Wuling aus Ankerkette, Anker1, Anker2 und diversen Schäkeln in einem Zug an Deck, oder gar in
den Ankerkasten zu bringen.
Nur der Skurrilität halber möchte ich noch einen Tip zum Besten
geben, den ich ebenfalls in einem deutschen "Lehrbuch" zum Ankern gefunden,
dessen Anwendung ich aber wirklich noch nie gesehen habe. Statt eines zweiten Ankers zum Verkatten
oder statt eines Reitgewichts soll man am Ufer nach großen Steien suchen, die in
einen Sack geben und damit den Anker beschweren. Abgesehen davon, dass selbst
große Steine im
Wasser nicht mehr sehr viel wiegen, bin ich am Ufer noch nie einem solchen
Steinesammler
begegnet.
Übrigens, hier gibt es das Buch
ANKERN
von Bobby Schenk zum Runterladen. Geschenkt - ohne Wenn und Aber!
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
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