in den Wind gesprochen (83)

Gäste, Freunde an Bord

Für jeden, der eine Blauwasserreise, gar eine Weltumsegelung plant, ist dies die große Versuchung: Man versinkt derart in Optimismus und Begeisterung für das neue Schiff, für die große Reise, für den neuen Lebensstil, dass man sich auch sehnlichst wünscht, seine Familie, seine Freunde an der großen Unternehmung teilhaben zu lassen. Was liegt da näher, als seine Freunde und Verwandten bald, am besten nach der ersten Etappe auf die Yacht "für ein paar Tage" einzuladen.

Ich kenne einige Fälle, wo das gehörig schief gegangen ist, weil die "Landratten" eben ganz andere Vorstellungen von einem Leben im (angeblichen) Müßiggang auf einer Yacht, als der Eigner, der nach den ersten 1000 Meilen oder so, häufig nicht mehr der gleiche Träumer ist, als, als der er losgesegelt war. Die Realitäten haben hat ihn eingeholt.

Unser Freund ist so seltsam geworden?

Gleiches spielt sich vielleicht ab, wenn der zukünftige Weltumsegler schon einige Zeit, vielleicht Jahre lang unterwegs ist, und dann seine Freunde von zu Hause früher schon eingeladen hat. Vielleicht haben sich die Weltumsegler durch ihre bisherige Reise schon so verändert, dass Freunde und Crew sich schon entfremdet haben. Gar nicht so selten!

Aber es müssen nicht nur gute Freunde sein, die einen auf der Yacht besuchen wollen, es können auch unternehmungslustige Bekannte sein, die für eine Etappe die Yacht auf ihrem Weg zur Umrundung der Welt begleiten wollen.



Interessen sind nicht mehr die gleichen.

Warum solche Unternehmungen oft nicht in ein unvergleichlichen Erlebnis für beide Teile münden, liegt daran, ganz simpel, dass Skipper und Gäste verschieden Vorstellungen von so einem Urlaub haben. Und es ist wichtig, sich das mal vorher klarzumachen: Während der Skipper, die Crew der Yacht zu 100 Prozent Büromensch, der "mal so richtig" urlauben möchte ganz andere Erwartungen an das Leben auf der Yacht haben. Die Gäste wollen sich vergnügen, die Mannschaft dagegen ist zum großen Teil mit dem Schiffsunterhalt, den notwenigen Reparaturen (die immer anfallen) beschäftigt. Und das nächste Törnziel wird in erster Linie nach Sicherheitsüberlegungen ausgesucht und nicht nach Erlebniswert.

Yacht wird zum Gefängnis

Besonders problematisch wird das Zusammenleben im "Urlaub", wenn die Yacht vor Anker liegt. Man denke daran, dass die Eigner ihre Yacht als ihr zu Hause ansehen, die Besucher schon nach kurzer Zeit aber als Gefängnis, wenn sie nicht ohne Umstände, wann immer sie wollen, an Land können. Voraussetzung ist dann mindestens ein leicht zu bedienendes effektives Beiboot mit bequemen Landemöglichkeiten. Wenn ich an viele "Hafentage" vor Anker zurückdenke, dann konnte es schon mal passieren, mehrere Tage nicht an Land zu sein, sondern die Tage damit zu verbringen, Muscheln zu suchen, Reparaturen zu erledigen, am Sender als Funkamateur täglich mit anderen Freunden in der Welt Kontakt zu halten, oder eben an dieser Webeseite zu arbeiten, um die dann per Iridium zu updaten. Eine wunderbare Zeit für Carla und mich, für Gäste wäre es der Horror, so eingesperrt zu sein.



Dass hier Unmut, spätestens nach den berühmten "Gäste nach drei Tagen" aufkommt, leuchtet ein. Aber während bei einem üblichen Urlaub der halt jederzeit abgebrochen werden kann, müssen die Gäste wegen der Flüge, mangels Hotel etc bleiben.Das ist nur zu vermeiden nur durch entsprechende deutliche Aufklärung von dem Törn. Und ganz klar: Nicht der Skipper hat sich beim Leben auf einer Yacht an die Gäste zu halten, sondern umgekehrt. Das den neu angekommenen Freunden unmittelbar nach ihrem Ankommen in aller Deutlichkeit klar zu machen, ist erste Voraussetzung zu einem harmonischen Urlaub.

In Bora Bora hatte ich mal (nette) Gäste an Bord, die verwundet waren, nicht mit Süßwasser duschen zu dürfen. Und als ich Sie darauf hinwies, dass wir per Kanister und Beiboot das Wasser vom Dorf holen müssten, gab es gleich eine leichte Missstimmung. Urlaubsabbruch? Nein, das Leben an Bord hat sich dann schon irgendwie eingeränkt.

Stadtmenschen haben oft kein Verständnis für die Erfordernisse auf einer Yacht

Ein anderes Beispiel, das viel über dieses Problem aussagt: Da wurde eine deutsche Yacht, die einen zahlenden Gast aus Deutschland in Australien rumskipperte, anonym im Internet - wo sonst? - angeschwärzt, weil die Skipperin ihn angeblich offensichtlich schikaniert habe, weil er von ihr angewiesen wurde, die Butter nach dem Frühstück in den Kühlschrank, und zwar - wichtig - ganz vorne hinzulegen. Seine Beschwerde in einem dieser unsäglichen Foren fand von den ahnungslosen Besserwissern Beifall im Netz, während die arme Skipperin sich gegen die anonymen Stimmen nicht wehren konnte. Dabei wird jeder Blauwassersegler sofort erkennen, dass diese "Manie" der Skipperin durchaus einen Grund hatte: Denn Strom auf einer Yacht ist immer Mangelware, kann aber eingespart werden, wenn der Kühlschrank nur kurz geöffnet werden muss, um zur Butter vorne zu gelangen.

Also, man kläre die Neuankömmlinge von vorneherein umfänglich auf, was man von Ihnen erwartet. Wem das zu "peinlich" ist, seine Freunde und Gäste ernsthaft zu belehen, hilft vielleicht dieser Trick weiter.

Klare Regelung: Mitsegler oder Chartergast!

Fehlt diese Instruktion, kann es passieren, dass unwissende Gäste einen Komfort erwarten, wie er auf großen Charteryachten "mit Crew" geboten wird: Also zum Gin Tonic Eiswürfel, und mehrmals am Tag bekocht zu werden, während die Gäste mit Sonnenöl eingeschmiert auf dem Vorschiff in der Sonne liegen. Schnell ist die Skipperin zur Stewardess degradiert.

Auch klar: Jeder Gast ist verschieden: Die einen sind "Nichtsegler", die auch einmal auf einer Yacht Urlaub machen wollen, die anderen sind begeisterte Fahrtensegler. Und dann sind da noch Segler, die das Abenteuer suchen und mal eine ganze Etappe mitsegeln wollen und dann natürlich die seglerische Laien, die auch mal auf einer Yacht übers Meer fahren wollen. Aber, wie gesagt, gar nicht so selten, enden solche von beiden Seite gut gemeinten Unternehmungen ins Ende der Freundschaft, meistens aber in einen zerstörten Urlaubstraum und mancher Skipper, wir sich fragen: Wie konnte das passieren?

Klar gestellt: Hier ist nicht die Rede von einem üblichen Chartertörn, sondern von einem Abenteuer, wo beide Seiten zunächst den Traum vom perfekten Urlaub träumen.

Der Skipper segelt das Schiff, nicht die Gäste!

Gleichgültig, ob Segler oder Nichtsegler, Freunde oder gute Bekannte, mit oder ohne Kinder: Der Skipper bleibt der Skipper. Ich halte nichts von der sich so edel anhörbaren Idee, sich auszusprechen, wer was möchte, welches Manöver zu fahren ist, ja, auch wie der Kühlschrank zu benutzen ist und so fort. Schließlich haben die Skipperin oder der Skipper in allen Dingen das letzte Wort, wenn es um sachliche Entscheidungen während des "Urlaubs" geht. Schließlich ist der Skipper allein für die komplette Funktion einer Yacht der (einzige) Verantwortliche, selbstverständlich auch von Gesetzes wegen. Und das gilt auch während des Urlaubs, auch von den allerbesten Freunden, gleichgültig wie altmodisch diese über die ganze Menschheit hinweg bewährte Hierarchie auf einem Schiff, auf eine Yacht sein möge. Wenn wegen des gemeinsamen Urlaubs Schwierigkeiten auftreten, dann liegt das häufig daran, dass die Schiffsführung nicht deutlich auf die Funktion des Skippers gegeben hat.

Wenn Sie nicht mutig genug sind, ihre Gäste oder Freunde entsprechend zu Törnbeginn - oder besser noch: Zuhause - aufzuklären, hilft vielleicht Ihren Freunden und Gästen, die Lektüre dieses "Aufsatzes" vor dem Törn, am besten noch in der Heimat, aufzugeben.

Noch eins: Was Segler in der Heimat nicht realisieren, dass nach vielen tausend Seemeilen die Segelleidenschaft der Crew einer Langfahrtyacht nachgelassen hat, also nicht mehr im Vordergrund des Blauwasserlebens steht. Es trifft vielleicht auf Unverständnis bei den Gästen, wenn nicht sogleich der Anker gelichtet wird, um die hundert Meilen von Moorea nach Bora-Bora abzurauschen. Und selbst, wenn der Skipper nachgibt, bleibt Unzufriedenheit zumindest bei einem Teil übrig. Ich erinnere mich noch sehr gut an ein paar hämische Kommentare, als am Ankerplatz auf einer anderen Yacht plötzlich große Taschen und gar Koffer vom Beiboot eingeladen wurden: "Die armen Segler dort drüben, die müssen morgen segeln."

Das sollte nachdenklich machen: Ein Amerikanischer Yachty - die Amis haben einen guten Sinn fürs Praktische - hat für diese ganze Problematik einen sehr treffende Regel: Freunde können gern aufs Schiff kommen. Sie können auch bestimmen, wann sie kommen. Oder wohin sie kommen. Aber niemals: "When AND Where?". Aus diesem Satz, den der Autor bedingungslos unterschreibt, spricht die lange Erfahrung eines Weltumseglers, wahrscheinlich aber auch negative Erfahrungen. Ob all dies wohl für Skipper und Gäste in den Wind gesprochen war?

Bobby Schenk



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