in den Wind gesprochen (84)
Lange stints, kurze stints
Sie wissen nicht, was ein "Stint" ist?
Logisch, das kann ja nur wissen, wer sich unter uns Seglern auch für Formel-1-Rennen interessiert. Die Länge eines Stints entscheidet oft das Rennen. Aber auf das Langfahrtsegeln lässt sich die Frage, wie lange die einzelnen Törns dauern sollen, also wie lange eine Segelyacht draußen bleibt, auch ganz gut für den Verlauf der Weltumsegelung anwenden.
Wer auf Langfahrt geht, wird diese auch planen, obwohl es einigermaßen vorhersehbar ist, dass dieses Vorhaben dann später anders verläuft. Schließlich sind wir mehr als andere Wandersleut in erster Linie vom Wetter abhängig. Aber auch politische Veränderungen, nicht zuletzt auch monetäre, ja, auch gesetzliche Gründe - man denke hier an Ausrüstungsvorschriften - fordern oft Abweichung vom erträumten Reiseverlauf. Aber über eines sollte man sich von vorneherein klar sein: Will man all die schönen Plätze, die auf dem Weg liegen, auch anfahren, was natürlich bei der scheinbar endlosen Strecke um die Welt reizvoll sein könnte, oder eben an tollen Zielen vorbeirauschen?
Weil wir nach den ersten Erfahrungen auf dem Blauwasser oft vor dieser Entscheidung standen, kamen wir schon während unserer frühen Weltumsegelung zur Einsicht, dass für uns sich lange Stints, also die Zeit, die man auf hoher See verbringt, am besten eignen. Unser Motto hieß somit: "Lange Strecken, langer Aufenthalt an und im Land".
Ohne jemand diese Einsicht aufdrängen zu wollen, glaube ich dass fast alle Blauwassersegler mit der Zeit zur gleichen Philosophie gelangen werden.
Kurze Stints auf einer Weltumsegelung kosten nämlich viel Zeit!

Niemand soll glauben, auch, wenn sein Schiff noch so wohnlich ist, die Werft für ihr swimming home noch so berühmt ist, dass das Wohnen an Bord im Hafen mit den ersten Segelmeilen nahtlos gemütlich auf das Woohnen auf hoher See gemütlich übergeht. Nein, draußen auf dem Meer hat man keinen Landstrom mehr, der nervende Lärm in der Koje vom Rigg her, die krachenden Seen am Rumpf stehlen mal zunächst den dringend notwendigen Schlaf. Die Bordfrau - meistens, ist halt so! - wird zur Trapez- und Balancier-Künstlerin, um das Essen auf den schrägen mit rutschfesten Gummis-Untersetzern versehenen Tisch zu bringen. Eine Nacht lang Durchschlafen geht sowieso von Gesetzes wegen und vor allem auch aus Sicherheitsgründen nicht. So wird die Crew ständig mehr zermürbt. Und vor allem die Seekrankheit kann die ersten Tage zur Hölle machen, denn absolut unempfindlich gegen diese Geißel der Seefahrt ist niemand. Erst nach ein paar Tagen auf See lässt sie allmählich nach.
Nur zögerlich im Laufe der Zeit normalisiert sich das Leben an Bord, aber ohne, dass eine Sorglosigkeit wie im Hafen zurückkommt. Man kann es in den meisten Büchern und Berichten von Weltumseglern nachlesen. Der Titel des wahrscheinlich besten Buches über eine Weltumsegelung "Hundeleben in Herrlichkeit" von Elga und Ernstjürgen Koch (gibt es antiquarisch - ein Muss für die Bordbibliothek) meint ganz bestimmt mit "Hundeleben“ die ersten Tage oder Wochen auf See.
Was aber spricht dagegen, wenn man bei vielen kurzen Törns auch mehrere Länder und besuchenswerte Plätze kennenlernt? Nehmen wir mal eine Strecke von 3000 Seemeilen, die man mit zehn Stopps oder auch mit einem Landfall (Anker oder Hafen) durchsegeln könnte. In der ersten Alternative wird man dieses Hundeleben nur einmal durchleiden müssen, im zweiten Fall verliert man ein Menge Zeit und Nerven mit Einklarierungs-Behördengängen, Verproviantierung für die nächste Strecke und so fort und den berühmten Eindruck von "Land und Leuten" gewinnt man höchst oberflächlich oder auch gar nicht.

Bei unserer Philosophie der langen Stints und langen Aufenthalte an Land kann ich nicht mit dem Besuch von vielen hundert Ankerplätzen aufwarten. Wesentlich weniger waren es, dafür allein in Fiji sechs Monate auf der Stelle. In Australien dümpelten wir sechs Monate im Hafen, in Malaysien (Langkavi) noch länger, in Südafrika waren wir ebenfalls ein halbes Jahr auf dem Fleck, in den Marquesas vier Monate vor Anker und so fort. Wenn nun der zukünftige Globetrotter unter Segeln meint, dass er soviel Zeit ja gar nicht hat, dann werden ihn Wetter und Jahreszeiten eines Besseren belehren
Und das waren unsere "langen" Strecken:
Namibia - Azoren: 56 Tage/5500sm
Las Perlas (Panama) - Marquesas: 23Tage/4000 Meilen
Tahiti - Mar del Plata (Argentinien): 55 Tage/ 5500sm
Mar del Plata - Malaga: 72/Tage/7200 sm.
Tunesien - Türkei 8 Tage:/1200sm
Türkei - Smia(Marokko): 17Tage/1750
Nur einmal mussten wir von unserer Regel "lange Törns, lange bleiben" eine Ausnahme machen. Das war mit unserer 10-Meter-THALASSA von Lorenzo Marques (damals Portugal) nach Kapstadt mit dem Agulhasstrom. Das Wetter ist dort unberechenbar, Sturmhäufigkeit sehr hoch. Aber es ist nicht der Sturm alleine, sondern er trifft dort gegen den Agulhasstrom, was zu verheerenden Seen führren kann. Ein 10Tsd-Tonner ist dort mal vermutlich von Freak Waves versenkt worden. So war es notwendig, kurze Wetterpausen zu nutzen und die Strecke von Maputu (Mozambique, Durban, East London, Port Elisabeth, Mossel Bay) in kleinen Schritten abzusegeln. Ging auch – irgendwie…
Schon öfters erlebt: Nicht wenige Yachties sind im Laufe einer weiten Segelreise auf meine Philosophie umgeschwenkt. Warum wohl? Für diejenigen war das nicht in den Wind gesprochen.
Bobby Schenk

zur
Home-Page
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is: https://www.bobbyschenk.de/n004/inwi82.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|
|