Käufer einer Yacht, die schon mehrere Jahrzehnte auf dem Rumpf hat, sind oft gut beraten.
Ein Blick auf meine Webseite (Homepage von Kap Hoornier und Weltumsegler Bobby Schenk), auf der sich inzwischen über 100 Weltumsegler versammelt haben, lohnt sich: Man sieht, wie alt deren erfolgreiche Yachten sind; 30 oder 40 Jahre sind keine Seltenheit.
Interessant ist der Vergleich mit den modernen Schmuckstücken, die man auf der Messe „Boot“ bestaunen kann und die oft über eine Million Euro kosten. Denn die Wahrheit ist: Alte Kunststoffyachten mit 30 Jahren oder mehr auf dem Buckel erreichen in etwa die gleichen Blauwasser-Segeleigenschaften wie diese modernen Segel-Ladies. Hat der Yachtbau also keine Fortschritte gemacht? Doch! Heute glänzen die Rigg-Komponenten aus Edelstahl, während vor 50 Jahren teilweise noch verzinkte Drähte verwendet wurden. Rollfocks sind heute Standard, während wir uns damals mit einem 20 Tonnen schweren Stahlschiff in den brüllenden Vierziern durch die Rollwellen kämpften und bei jedem Segelwechsel auf dem tanzenden Vorschiff an killenden Segeln zerren mussten.
In der Segelszene hat sich in den letzten Jahren dramatisch viel getan. Fasziniert sah ich bei Olympia die irrsinnig schnellen Boote aus Hightech-Materialien oder bei Weltmeisterschaften die unzähligen Crewmitglieder mit Schutzhelmen, die die Segel auf den Zentimeter genau einstellen mussten, um mit der Konkurrenz mitzuhalten – und das bei Geschwindigkeiten von bis zu unglaublichen 40 Knoten!
Besonders beeindrucken mich die Kite-Foil-Segler, die ihren Vortrieb durch Drachen bekommen, die in Dutzenden Metern Höhe fliegen. Als ehemaliger Wasserski-Sportler ist es für mich unvorstellbar, bei rasender Geschwindigkeit auf einer Foil-Plattform zu balancieren und nebenbei mit Leinen an einer Hantel den Drachen zu steuern, damit er die richtige Höhe und Richtung hält.
Aber: Mit dem klassischen Segeln – zumindest dem, für das wir leben – hat diese rasend schnelle Fortbewegung über das Wasser nichts zu tun. Diese Cracks sind genauso aufregend wie die Formel-1-Fahrer, die bei 300 km/h in der Kurve abbremsen, um dann weiter im Kreis zu fahren.
Der Kern der Frage
Doch drängt sich nicht auf, das eine oder andere Detail aus der Rennsegelszene zu übernehmen, um aus unseren gemütlichen Reisegeschwindigkeiten herauszukommen? Natürlich gibt es Hochseeyachten, die das können: Boris Herrmann auf der Vendée Globe bricht regelmäßig mit 30 Knoten durch die Wellen der Südsee und kämpft dabei auch noch mit den Wetterbedingungen (Sturmtiefs sind begehrt, bringen stürmischen Wind). Und das Ganze einhand!
Tolle Leistung, aber Blauwassersegeln ist anders. Wir wollen ja nicht um die Erde rasen, sondern lieben das Wandern von Kontinent zu Kontinent. Schon der große Bernard Moitessier hat den Rausch der Geschwindigkeit in seinen Büchern angeprangert.
Die Rechnung, ich wiederhole mich, ist einfach: Vier Jahre Blauwassersegeln bedeuten drei Jahre Verweilen in Häfen, Marinas oder an Ankerplätzen. Um die Welt zu umrunden, müssen Sie mindestens 21600 Seemeilen (60 Seemeilen mal 360 Längengrade) zurücklegen, in der Praxis wohl eher um die 25000 Meilen. Und glauben Sie nicht, dass Seemeilen einfach so heruntergesegelt werden können. Rechnet man mit einem Durchschnitt von 100 Seemeilen pro Tag, dauert die Umsegelung der Erde also etwa 210 Tage.
Die Wahrheit ist also: Der "normale" Weltumsegler segelt nur etwa 20 % der Zeit. Der Rest ist – wunderbares - Leben an Bord.
Auf Bootsausstellungen haben Sie sicher beobachtet, dass kaum ein Besucher oben auf dem Deck das Rigg begutachtet. Nein, alle strömen ins Innere der Yacht, wo Kühlschrank und Vorhänge – vor allem von den Damen – inspiziert werden. Was lernen wir daraus? Wohnen und Leben stehen an erster Stelle.
Was können wir übernehmen?
Bleibt die Frage: Was können wir von den neuen, teuren Yachten für uns Ozean-Wanderer übernehmen? Einige der größten Erfindungen haben wir ohnehin an Bord: Nirosta und Kunststoff-Tauwerk. Gut, wer es sich leisten kann, nimmt auch noch Carbon für die Masten und Spieren. Und die Navigationselektronik – aufregende Spielzeuge – gönnen wir uns ebenfalls.
Das war es auch schon.
Fazit
Was können wir heute von den modernen Rennseglern für unsere Fahrtenyachten übernehmen? Natürlich spielt man in Gedanken, die eigene Yacht mit Foiler zu versehen. Wenn es so leicht wäre, aus dem Tal der einstelligen Speedo-Anzeigen rauszukommen? Aber haben wir nicht oben festgestellt, dass der Wohnkomfort tatsächlich an erste Stelle steht und nicht die Seglei? Und "Wohnkomfort" bedeutet Gewicht! Etwas was sich mit Foilern schlecht verträgt. Nebenbei: Wie das schon ausschauen würde in einer engen Marina! Und einen ferngelnkten Drachen vorne dran. Tatsache ist, dass mit diesem System in der Berufsschifffahrt rum experimentiert wird. Aber für Yachten? Vergessen Sie es!
Was können wir also übernehmen? Die Antwort ist einfach: Nichts.
Versuchen Sie in dieser Hinsicht nicht gegenan zu gehen! Und das spreche ich nicht gedankenlos in den Wind so dahin!
Bobby Schenk
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