In
den Wind gesprochen (2):
Weltumsegelung kinderleicht - Semannschaft überflüssig
Sie wollen um die Welt segeln?
Kein Problem, es wird einem ja heut so leicht gemacht. Die Navigation macht der
Plotter mit dem eingebauten GPS. Das Segeln selbst bereitet heutzutage auch keine
Schwierigkeiten mehr. Dafür sorgen schon die elektrischen Winschen, das
Bugstrahlruder und vor allem die mächtige Maschine. Energieprobleme? Das war
einmal. Der Generator sorgt rund um die Uhr für Strom, so man will auch für
die haushaltsüblichen 220 Volt. Die Frage, wie man zu einem langfahrttauglichem
Schiff kommt, beantwortet Ihnen jeder Yachtverkäufer. Die haben ja eine Menge
Erfahrung mit solchen Dingen. Überlassen Sie ihm die Frage nach der
zweckmäßigen Ausrüstung! Die Werft weiß da schon Bescheid, schließlich hat
sie schon mehr als hundert Yachten gebaut und immerhin befinden sich etliche
ihrer Kunden gerade auf Weltumsegelung.
Und die Planung der Reise? Was
heißt "Planung"? Einen Strich auf der Seekarte von Punkt A nach B
werden Sie ja wohl noch zeichnen können. Auch gut,
dass es heut die Rallies gibt, da legen die Veranstalter die Route und den
Zeitplan fest, dann läuft so eine Erdumrundung fast schon automatisch ab. Um
das Piratenproblem brauchen Sie sich keine Gedanken machen, schließlich würden
die Rally-Veranstalter niemals die Route durch gefährdete Gebiete legen. Und
den Ärger mit den Behörden nehmen sie Ihnen auch ab. Und überhaupt: So eine
Rally macht eine Weltumsegelung ja viel sicherer, denn wenn was passiert ist man
ja in der Obhut der Organisatoren. Und außerdem sind ja noch Dutzende von
anderen Teilnehmern um einen rum, da ist Hilfe nicht weit.
Das Allerbeste nach einer
Weltumsegelung kommt zum Schluss. Wenn Sie daheim nach Norddeutschland
zurückkommen, bekommen Sie einen schönen Empfang und Sie dürfen sich
"Weltumsegler" nennen. Fahren Sie bloß ins Mittelmeer, müssen Sie
zwar auf den Empfang verzichten, dürfen aber beim TO auf die Bühne zum
Gemeinschaftsfoto und kriegen einen Preis.
Kein Zweifel, nicht wenige
Weltumsegelungen funktionieren nach diesem Schema. Also was soll's? Schließlich
bleibt es jedem selbst überlassen, wie er sein Hobby, das Segeln, gestaltet.
Aber die Frage wird ja noch erlaubt sein: Waren die Weltenbummler vergangener Tage Dummköpfe, wenn sie
sich jede Menge Gedanken zur Gestaltung einer Weltreise gemacht, Bücher und
Atlanten gewälzt, Segelkurse besucht, ein halbes Jahre die Navigation mit
Gestirnen studiert und jahrelang die große Reise vorbereitet haben.
Die Zeiten haben sich
geändert, nicht die See! Aber sind die heutigen Segler, wie der Lateiner
vermutet, andere Typen? Leichtfertiger? Interessiert heute noch jemand das Thema
Seemannschaft?
Beim Thema Navigation lasse ich
gerade noch gelten, wenn man sich aufs GPS verlässt und auf Astronavigation
(dem einzigen Backup-System auf hoher See) verzichtet. Schließlich sind
Ausfälle des GPS-Systems nur selten beobachtet worden, und wenn, dann nur für
kurze Zeit. Ein Plastiksextant und ein Computerprogramm im Schapp ist heute
sicher genug Sicherheit soweit es die Navigation anbelangt. Und gegen das
häufig zitierte Geräteversagen hat man halt eine Handvoll GPS-Empfänger auf
Vorrat an Bord.
Also kann doch auf das halbe
Jahr Schulbankdrücken zum Thema Hochseenavigation verzichtet werden? Was hierzu
häufig übersehen wird: Die weltweite Navigation besteht ja nicht nur aus
Standlinienberechnungen aus Sonnenschüssen, sondern aus der metereologischen
Navigation, aus dem Lesen und Verwerten von Stromatlanten, aus dem Studium der
Gezeitentafeln, aus der Wetterkunde, aus Physik und so fort. Und vor allem sind
bei den vielen Stunden im Kreise Gleichgesinnter eine Unmenge an Erfahrungen und
Wissen ausgetauscht worden. Wenn dann am Ende von solchen Kursen und Schulungen
die Prüfung zum C-Schein des DSV anstand, konnte man davon ausgehen, dass
zumindest eine Menge Wissen um die Seemannschaft vorhanden war, was die spätere
Weltumsegelung sicherer und deshalb gewiss auch schöner gemacht hat.
Gespenstisch ist dagegen heut
bei manchen Möchtegern-Weltumseglern der "Ausbildungsstand", wobei
schon dieses Wort nicht angebracht ist, denn häufig findet eine Ausbildung eben
nicht statt. Aber eines zeichnet sie meist aus: Ihr Vertrauen ins Schiff, ja
auch in die See scheint grenzenlos zu sein. "Fahren (vom "Fahren"
ist oft die Rede, wie bei den Automobilisten) wir durch den Panama-Kanal oder um
Südamerika?" Tolle Alternativen sind das! Dazu passt der beliebte Heimweg
durchs Rote Meer. Klar, wenn man ins Mittelmeer möchte, ist der Weg ums Kap der
Guten Hoffnung erheblich länger (dafür aber auch sicherer, vom Piratenproblem
mal abgesehen). Keiner hinterfragt, warum im 20. Jahrhundert für die
allermeisten Weltumsegler das Rote Meer tabu war.
Eric Hiscock
hat des öfteren von dem schwedischen Ehepaar Sten und
Brita Holmdahl gesprochen, die von 1952 bis 1954 mit ihrer
Yacht VIKING damals unvorstellbar schnell in etwas über zweieinhalb
Jahren um die Welt gesegelt sind und dafür mit der höchsten Auszeichnung für
Hochseesegler, der Blue Water Medal, ausgezeichnet wurden.
Es ist ja nicht so, dass deren Yacht nur drei Knoten gelaufen ist,
während die heutigen schweren Fahrtenyachten mit 10 Knoten dahinbrettern
würden. Moderne Fahrtenyachten sind nicht viel schneller, als es die Yacht der
Holmdahls gewesen ist.
Wie schaut es heute mit der
Dauer einer Weltumsegelung aus? Die - oft weniger Betuchten ohne Geschäft
im Rücken - nehmen sich wie einst die Zeit und schippern in drei oder vier, oft
noch mehr Jahren um die Welt. Sie genießen ihre Weltumsegelung. Ganz anders
verläuft eine Weltumrundung aber bei Weltumsegel-Rallies. Hier gilt es seitens
des Veranstalters, die Yachten so schnell wie möglich um dien Globus zu scheuchen,
erst dann lohnt sich das Geschäft so richtig. Immerhin sind pro Yacht
mindestens 12.000 Pfund zu löhnen. Wofür eigentlich? Ist dies so eine Art
Eintrittskarte zu den Weltmeeren? Ja, die Hafengebühren sind da eingeschlossen, aber die fallen ja bei einer Weltumsegelung eher selten an. Und
im Preis enthalten ist die Betreuung, wobei ich mir darunter wenig vorstellen kann,
wenn sich die Yacht auf den Weltmeeren befindet. In 15 Monaten mussten bei der
letzten Rally die Teilnehmer ihre Weltumsegelung absolvieren - denken wir an die
Holmdahls, siehe oben. Kein Wunder, dass von 37 gestarteten Seglern nur
bescheidene 16 diese Weltumsegelung abgeschlossen haben - das sind gerade mal 43
Prozent, also bei weitem nicht die Hälfte. Was die Sache für den Veranstalter
wieder rentabler gemacht hat.
Aber lassen wir diese
Weltumsegler, sie selbst müssen entscheiden, ob eine solche Hatz Spaß gemacht hat. Doch bei der großen Anzahl von Abbrechern drängt sich der
Verdacht auf, dass denen vorher nicht so recht klar war, auf was sie sich da
eingelassen haben, so nach dem Motto: "Es muss doch in Ordnung sein, wenn
so erfahrene Veranstalter diesen Zeitplan aushecken."
Eine Denkweise, die sich immer
mehr in der Blauwasserszene breit macht: Wenn es andere machen, ist es doch in
Ordnung. Klüger wäre es, sich auf das eigene Urteilsvermögen zu verlassen,
das von seemannschaftlichen Motiven gesteuert wird. Nicht, dass es
mich besonders stört, wenn sich um diese Gedanken nicht mehr viele kümmern, aber
sie vergeben Sicherheit und später Zufriedenheit über
eine geglückte, im besten Falle ereignislose, Langfahrt.
Genauso locker nehmen es heute
zahlreiche "moderne" Langfahrtsegler mit dem Piratenproblem. Ungern
lassen sie davon ihre Termine tangieren. Die jährliche Karawane in Richtung
Rotes Meer war wieder unterwegs, und Gott sei Dank ist kaum was passiert - bis
auf einen erschossenen Segler jedenfalls. Man verlässt sich darauf, dass sich die
militärisch hochgerüsteten Piraten lieber an der Großschifffahrt vergreifen
statt die "armen" Yachties zu überfallen. Und außerdem, man segelt ja
im Konvoi. Als ob sich dadurch Verbrecher, die schon mal mit ihren
Raketenwerfern auf Kriegsschiffe losgehen, einschüchtern lassen. Wenn die
betroffenen Segler sich die Frage stellen, was der Konvoi machen soll, würde
eine der Yachten überfallen, wissen sie - und ich auch - keine Antwort.
Und überhaupt, letztes Jahr ist ja auch wenig passiert, warum soll es uns
treffen? Ein häufig gedachter Satz - über ein ausgewiesenes Kriegsgebiet,
dessen Durchfahrt immerhin eine Regierung ihren Staatsangerhörigen pauschal
verboten hat. Aber nicht nur dieses Gebiet ist potentiell lebensgefährlich, es
gibt eine ganze Reihe von Gegenden, in denen Yachtsleute (Mehrzahl!) umgebracht
wurden. Trotzdem werden diese Gebiete, eigentlich ganz unnötig, immer noch von
Yachties angelaufen. Und weiterhin geschehen dort Morde an Yachtsleuten.
Ganz ehrlich: Ansonsten ist
Segeln nicht gefährlich, auch Hochseesegeln nicht. Solange man nicht über Bord
fällt oder sein Schiff aufs Riff setzt. Die See verzeiht schon einige Fehler,
aber genau das macht sie gelegentlich menschenfeindlich. Dagegen hilft dann nur
Seemannschaft.
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