In
den Wind gesprochen (7):
Wir
Motorbootfahrer
Einer der Pioniere im
Mittelmeer-Segeln, der Tiroler Claus Krieger, hat es schon in den sechziger
Jahren auf den Punkt gebracht: "Es gibt nur Motorboote mit und ohne
Mast!"
Damit hat er uns Segler mit den
Motorbootfahrern nivelliert, gleichgemacht oder - wie seine Landsleute sagen:
"Obizong" - auf das niedrigere Niveau von Motorbootfahrern
hinabgezogen. Weil, das wissen wir doch seit den ersten Seemeilen,
Motorbootfahrer sind seemännisch ungebildet, haben zuviel Geld, sind
rücksichtslos und laut, schaden der Umwelt mit ihren riesigen Motoren, nehmen
uns die besten Liegeplätze weg und verderben mit ihren protzigen Trinkgeldern
das Hafenpersonal. Und "Seemannschaft" ist ihnen ein Fremdwort. Kurz, sie sind der Pöbel auf dem Wasser.
Segler dagegen lieben ihre Tradition,
pflegen sie. Segler dagegen sprechen ihre eigene Seemannsprache, sie können mit
Leinen umgehen, verhalten sich umweltbewusst, in dem sie den Wind als
Antriebsquelle benutzen und vor allem sind sie die viel vornehmeren Mitbewohner auf dem
Wasser. Segelschiffe sind eine Zierde für jede Förde, während
Motorbootfahrer, "Mobos", mit ihren stinkenden Kästen nur
eine unangenehme Welle erzeugen, die uns Segler den Winddruck im Groß verdirbt
und bei uns die Getränke vom Tisch fliegen lassen. Kurzum: Wir Segler sind was
Besseres!
Ungefähr so wurde mir in
frühen Zeiten das soziale Gefüge auf dem Wasser geschildert und es gibt auch
heute nicht Wenige, die offen, oder mühsam verdeckt (wegen der politischen
Korrektheit) solche Ansichten mit einer gewissen Häme pflegen, ja manchmal ganz
offen zur Schau tragen. Aber damit hab ich Probleme. Weil ich mich da selbst
gelegentlich angesprochen fühl.
Mal ganz ehrlich, wie sieht es
denn mit unseren Segelyachten aus? Handelt es sich nicht um kleine Regattaboote
oder Jollen, also um "Yachten", dann gibt es doch heute kaum noch ein
(Kiel-)Schiff ohne Motor. Früher nannte man das - verschämt - Hilfsmotor oder
Flautenschieber. Heut macht man sich nicht mal mehr die Mühe, das Vorhandensein
eines ausgewachsenen Motorantriebs zu kaschieren. Die wahren Segler wären doch
diejenigen, die größere Yachten ohne einen Motor beherrschen. Denen, sie gibt
es noch ganz selten, gilt meine ganze Bewunderung. Aber wir?
Das Mittelmeer ist ja (vom
Meltemi in der Ägäis mal abgesehen) im Sommer eher windarm. Und wie sieht es da
zum Beispiel im August, zur großen Urlaubszeit, aus? Wenn die Yachten morgens den Hafen verlassen, haben sie
oft schon das Groß gesetzt, das im Sechs-Knoten-Fahrtwind lustig flattert. Denn der Vortrieb
kommt vom kräftigen Einbaudiesel, der auch den Strom für die elektrischen
Winschen und das Bugstrahlruder liefert. Und genauso kehrt die Yacht am Abend in
die Marina zurück, ohne dass das Groß auch nur eine Meile eingebracht
hätte. Da fragt man sich, warum das teure Rigg der Yacht mit seinen vielen
Stagen, Wanten und Winschen, warum also dieses gelegentlich tonnenschwere
Gewicht überhaupt herumtransportiert worden ist. Von einem Chartertörn, natürlich auf einer
SEGEL-Yacht wurde mir unlängst berichtet, wo nicht eine einzige Meile die Woche
über gesegelt worden ist. Was für die Jahreszeit auch zu erwarten war. Sicher
würde mir die Crew entrüstet verübeln, wenn ich ihr raten würde, das
nächste Mal doch eine Motoryacht zu chartern: Wegen des leichteren Handlings,
der besseren Manövrierfähigkeit im Hafen, der größeren Flexibilität bei der
Törnplanung und, die allermeisten Chartercrews, vor allem die Damen wüssten
das besonders zu schätzen, wegen des viel größeren Komforts.
 Laut
Auskunft der renommierten Charter Firma Ecker-Yachting beträgt in der Türkei
die Motorenlaufzeit pro Charterwoche und Yacht präzise 20 Stunden. Auf sechs
Tage umgelegt, ergibt sich eine tägliche Maschinennutzung von fast dreieinhalb
Stunden - statistisch gesehen. Was aber andererseits auch aussagen kann, dass es
Törns gegeben hat, wo die Segel überhaupt nicht zum Segeln, sondern höchstens
als
Alibi benutzt
wurden. Wo die Yacht also ausschließlich als unbequemes und schwer zu
bedienendes Motorboot gefahren wurde.
Bei Langfahrtyachten ist es
aber ganz anders, denn die längsten Strecken werden da unter Segel
zurückgelegt, ja eine normale Segelyacht kann ohne Windunterstützung die
andere Seite des Ozeans gar nicht erreichen. Richtig!
 Mit Einschränkungen: Kaum eine
Fahrtenyacht, bleibt heut noch freiwillig in einem Flautenloch liegen. So, wie
es früher fast der Ehrenkodex als Segler verlangte. "Ab drei Knoten wird
die Maschine angeschmissen!" Das hat mir im Laufe der Jahre mehr als nur
ein Skipper verraten. Wobei die Grenzgeschwindigkeit eher nach oben verschoben
wurde. Man möge sich ausgesprochene Blauwasseryachten mal am
Ankerplatz
oder in der Marina daraufhin ansehen. Kaum eine Yacht, die nicht zusätzlich
wegen des beschränkten Tankvolumens - die Segellast nimmt soviel Platz weg - Diesel an Deck in verräterischen Kanistern transportiert.
Yachten um die 15 Meter Länge haben im Prospekt schon mal 1000 Liter Wasser und 1000 Liter Diesel stehen. Wozu braucht eine SEGEL-Yacht 1000 Liter jenes
Treibstoffs, den man weltweit überall nachtanken kann?
Eigentlich ganz logisch. Ein
sehr erfahrener Weltumsegler - er war mit einem Katamaran um den Globus unterwegs - verriet
mir unlängst: "Mein nächstes Schiff wird ein Motorkat!". Damit steht
er nicht ganz allein. Diese Tendenz zum Motorschiff findet man häufiger bei
älteren und weitgereisten Seglern. Rollo Gebhard beispielsweise hat mit einem
Motorboot noch Törns im hohen Alter gefahren, die ihm, da bin ich überzeugt,
mit einem Segelschiff nicht möglich gewesen wäre. Weltumsegler Günther von
der Pusteblume wurde zum überzeugten Mobo siehe hier!
Und
in der amerikanischen Szene gibt es eine ganze Reihe von Langfahrtseglern, die
auf ein Rigg verzichtet haben. Vor allem in den USA - den Sinn fürs Praktische
kann man den Amis ja nicht absprechen - bedienen einige Werften den auflebenden
Markt für langfahrtgeeignete Motorboote, keine Gleiter, sondern ausschließlich
Verdränger. Wobei sie fast immer auf im härtesten Berufsfischer-Alltag Bewährtes
setzen. So sind die Newcomers auf dem Ozean, Eric und Christie, den Umweg über eine
Segelyacht erst gar nicht gegangen, sondern haben sich für Ihre Weltumrundung
gleich für so ein tüchtiges Trawlertype-Boot (Foto) entschieden - siehe hier!
"Wir konnten nicht segeln, also mussten wir uns ein Motorboot
kaufen". Sehr logisch!
Ich wage die Frage: Was spricht
dann noch für eine Segelyacht? Die Reichweite? Falsch! Moderne
Fahrten-Motorboote bringen es dank ihres ökonomisch ausgelegten Diesels auf
4000, 5000 Seemeilen. Und was können wir der Schönheit eines Seglers
entgegensetzen? Das gilt heute längst nicht mehr, ist Vergangenheit, Segelyachten waren majestätisch
und deshalb eine Wohltat für die Augen auf den Saepia-Fotos von Beken&Son, oder heute
vielleicht noch in der Bier-Werbung!
Ist also, jedenfalls in vielen Revieren
(Mittelmeer) vielleicht ein Rigg nicht eine überflüssige, sinnlos
teure Einrichtung? Für den Gegenwert bekäme man häufig ausreichend Sprit
für eine Weltumrundung und einen gemütlichen Schiffsdiesel dazu, einen
Langsamläufer, der zwar für keine schnelleren Geschwindigkeiten sorgt, dafür
aber bei Flaute mit sieben oder mehr Knoten dient. Und die vielen Tonnen Blei wären
dann auch zum großen Teil überflüssig. Und der Tiefgang... und so fort.
Auf
was ich hinaus möchte: Beide Schiffstypen habe ihre Berechtigung. Und heute
gilt umso mehr: Es gibt nur Motorboote mit und ohne Masten. Es gibt nur
Motorbootfahrer, die ein Rigg bedienen und solche, die das nicht brauchen. Na,
ja, ich weiß: In den Wind gesprochen!
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