In
den Wind gesprochen (11):
Ein
Fratz namens Jessica
Mein
Blick sucht den Stand des ehrwürdigen, nunmehr 100 Jahre alten Verlags Delius
Klasing (gratuliere !) ab. Wo bleibt sie denn, die Heldin der Meere? Die von
ihren Eltern zum Ruhm gezwungene und missbrauchte? Dieses Luder, das um die Welt
gesegelt sein will, obwohl sie die vorgeschriebenen 25 Tausend Seemeilen gar
nicht gesegelt ist? Dieses Frauenzimmer, das sich schon gleich zu Törnbeginn
von einem Tanker untermangeln lässt (na ja, wussten wir ja bereits vorher, dass
da einiges an Seemannschaft, an Reife eben, fehlt). Dieses Mannweib, das
letztlich doch noch irgendwie um die Welt gekommen ist? Das als jüngste Frau
mit 16 die Welt umsegelt haben will - siehe oben?
Und
dann tupft mich jemand an. Ich stammle: "Are Yooouuuu Jessica Watson?"
Nein, ich sage nicht "Miss Watson" zu dieser Göre. Es kann nicht
sein, dass diese Kleine die Große ist? Ein junges Mädchen, dem man am liebsten
einen Schülerlotsen zur Seite stellen würde, damit es sicher über die Straße
kommt. So wirkt sie jedenfalls.
Aus
ihrer Umgebung weiß ich, dass sie morgens kaum ansprechbar, ein Morgenmuffel,
ist. Und abends, wenn die aus Australien mit angereiste Mutter auch mal eine
Auszeit, ihre Ruhe, braucht, benimmt sie sich eben wie die meisten (nunmehr)
17-Jährigen und will in die Disco ausbüxen. Mein Verlag Delius Klasing,
verantwortlich für die Anreise von Mutter, Tochter und Freund (Weltumsegler Mike
Perham
mit Bubigesicht, der vorher "Alters-Rekord-Halter" war ) aus Australien, weiß um seine Verantwortung und
stellt zwei Damen als - pardon - "Gouvernanten" für den Diskobesuch
ab, die einem Nervenzusammenbruch nahe sind, als das "Mädchen"
für drei Stunden im Getümmel "verloren" geht.
Untertags
steht Jessica im Blickpunkt. Bücher signieren, dazwischen schnell mal ein paar
Worte ins Mikrofon eines Rundfunkreporters, dann werden die auf ein signiertes
Buch Wartenden zur Seite gedrängt, damit Fernsehaufnahmen gemacht werden können,
danach folgt schon der nächste Stoß Bücher, in die sie mit schwungvoller
Schrift "to Frank", "to Werner", ja auch "to
Bobby" einträgt. Geduldig, ohne auch nur einen Moment lustlos zu wirken,
von Muffel keine Spur mehr. Es scheint ihr nichts auszumachen, dass sie in
diesen Tagen auf der BOOT, vielleicht die größte Bootsmesse der Welt, sicher
aber die bedeutendste, der Superstar ist, dass sie als junges Mädchen die Messe
eröffnen durfte, eine Ehre, die sonst nur dem Oberbürgermeister oder einem
Minister zuteil wird.
Ist
das alles nicht ein wenig übertrieben? Der ganze Rummel für ein bisschen Mädchen,
das mit einem Segelboot 210 Tage lang in eine Richtung dahingesegelt ist, bis
sich der Kreis um den Erdball geschlossen hat?
Machen
wir es kurz: Müsste ich eine Rangliste der bewundernswertesten
Leistungen aller Zeiten unter Segel aufstellen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen
wären, also Alter, Finanzausstattung, Schiffsgröße, Zeit, Geschlecht, Schiffstyp und so
weiter, würde ich Jessica Watson mit Sicherheit
auf Platz Eins setzen.
Gewiss,
Joshua Slocum hat als erster die runde Welt ersegelt, Sir Francis Chichester hat
als erster alleine mit nur einem Stopp den Erdball umkreist (wofür er bei der
Ankunft vor einer Viertel Million Zuschauer von der heutigen Queen zum Ritter geschlagen wurde), Sir Robin
Knox-Johnston ist als erster nonstop um die Welt gesegelt, der große Wilfried
Erdmann hat die Welt in beiden Richtungen mit einem kleinen Alu-Schiff nonstop
und einhand geschafft, und die kleine Ellen McArthur hat die damals schnellste
Non-Stop-Weltumrundung hingelegt. Aber Jessica Watson?
Als
14-jährige hat sie ihre erste Pressekonferenz einberufen. Sie, nicht die
Eltern! Um Geld zu sammeln, weil sie sich eingebildet hat, um die Welt segeln zu
wollen. Nicht um das Schiff auszurüsten, was ohnehin nicht möglich war, denn
sie hatte noch gar keine Segelyacht und "hatte" es auch während der
Weltumsegelung nicht. Sie war ihr nämlich nur von den weitsichtigen Förderern Margie
und Don McIntyre zur Verfügung gestellt worden. Die für den Kauf notwendigen Dollars
(unter 50 Tausend Euro) brachte sie nach(!) der Reise zusammen, um sich die gerade mal etwas über
10 Meter lange, 25 Jahre alte Sparkman und Stephens (S&S34), die PINK
LADY,
zu kaufen, nach einem Riss konstruiert, der ebenfalls ein halbes Jahrhundert alt
war. Jedenfalls, mit dem alten geliehenen Schlitten segelt das kleine Mädchen, das noch kein Auto
lenken darf, dafür aber astronomisch navigieren kann, nonstop um die Welt. Und
zwar auf der schwierigsten Strecke, jenseits der drei stümischen Kaps. Bergsteiger würden sowas den siebten Grad nennen - durchgängig.
Ihre
Leistung wird noch transparenter, wenn man mal die übergroße Zahl der
gescheiterten Unternehmungen dieser Art berücksichtigt. Der eine bricht seine
groß angekündigte Non-Stop-Weltumsegelung wegen Zahnschmerzen auf den ersten
Meilen ab, der andere erreicht kaum den Äquator, noch weit weg von den
Roaring Fourties, und gibt wegen eines kaputten Petroleumherdes auf, die dritte
kommt gerade mal nach Kapstadt, und Doppelweltumsegler Bernd L. - nein, den
wollen wir hier nicht mal mit dem Namen nennen. Und die Story "Laura Dekker"
lebt ja ohnehin nur davon, dass Presse und sonstige Laien nicht durchschauen,
wie wenig die geplante (!) Weltumsegelung auf der Passatroute mit unzähligen
Zwischenstopps, wo das Schiff wieder auf Vordermann gebracht wird, mit einer
Non-Stopp-Reise unten in den Brüllenden Vierzigern zu tun hat. Wenn diese, der Öffentlichkeit als Superleistung verkaufte Kinderei denn überhaupt eine Weltumsegelung werden wird.
Natürlich
hat Jessica Glück gehabt, als ihr im Schlaf ein Biggy nur das Rigg absägte und
nicht gleich die ganze PINK LADY versenkte. Was für sie kein Grund war, das
Unternehmen nach der Reparatur nicht nochmals zu starten. Aber ansonsten war
Ihre Weltreise akribisch geplant und sie selbst bestens vorbereitet. In ihrem
Buch SOLO mit Pink Lady (Delius Klasing) ist nachzulesen, wie sie als halbes
Kind an Hochseeregatten teilnimmt, sich Segelprüfungen unterzieht, mit anderen
Weltumseglern Erfahrungen austauscht. Alles nur, um ein solches Unternehmen
sauber durchzuziehen, sich auch durch diverse Sturm-Kenterungen nicht aus dem
jahrelang verfolgten Konzept bringen zu lassen, das Ziel nicht zu verlieren. Große
Seemannschaft!
"Als
jüngste Frau"! Das klingt so nach Geschlechterkampf, so, als ob Jessica hätte
beweisen müssen, dass sie ebenso gut segeln kann wie die Männer. Ja, tatsächlich
hat sie mit ihrem Törn großen Schaden angerichtet. Sie hat nämlich die Männer,
traditionsgemäß die Beherrscher der Meere, in Grund und Boden gesegelt.
Derjenige, der in Zukunft nonstop um die Welt segelt (und auch ankommt) wird
sich sagen lassen müssen: "Große Leistung, aber da gibt es dieses kleine
Mädchen..." Mit Recht, denn, in Anlehnung an einen alten Seemannsspruch
kann ich mir die Bemerkung nicht verbeißen: "Jessica hat dem Teufel nicht
nur das Ohr abgesegelt!" In manches Männerhirn scheint das nicht
hineinzupassen. Wie sonst kommt irgendein "Board of...sowieso" dazu,
festzustellen, Watson sei nicht um die Welt gesegelt, weil die Welt eben 25
Tausend Meilen groß sei, und sie nur 24285 sm gesegelt sei. Ich lass mir doch
nicht von irgendwelchen grauhaarigen - nautisch gesprochen - Kielschweinen
vorschreiben, wie groß die Welt ist. Typisch! Bezeichnend aber auch, wir wollen es
bei all dem Lob für die Damenwelt nicht verschweigen, dass diese
Neid-Diskussion ursprünglich von einer Frau angestoßen wurde.
Als
Angehöriger einer anderen Generation darf ich zusammenfassen: Derzeit und
vielleicht für immer die Number One in der Segelwelt!
Und
außerdem: Ein süßer Fratz.
Für
die Männerwelt hab ich wohl in den Wind gesprochen.
Bobby
Schenk
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