Genieße den Tag, meint
der Lateiner mit diesem Spruch. Es gibt aber eine andere, treffendere
Übersetzung - und Lebensweisheit: "Ergreife die Gelegenheit!" Daran
habe ich denken müssen, als ich neulich folgendes Mail erhielt:
"Hallo Herr Schenk,
seit Jahren verfolge ich Ihre Website und Ihre Artikel. Natürlich
träume/träumte auch ich von einer Weltumsegelung. Also habe ich segeln
gelernt, mehrere Chartertörns unternommen und eine
Teil-Atlantiküberquerung mitgesegelt. Und natürlich fleißig gespart,
denn ohne Geld machts keinen Spaß.
Der wichtigste Satz in Ihrem Artikel ist aber "segelt doch einfach los".
Man macht sich zu viele Gedanken, plant Sicherheiten, die es wohl nicht
gibt und schiebt den Start immer weiter hinaus. In einem anderen Text
von Ihnen erinnere ich mich an einen andren wichtigen Satz, der so
ähnlich lautete wie "der Moment, an dem man könnte, ist der Moment, an
dem man nicht mehr kann".
Ich könnte jetzt, denn ich arbeite nicht mehr. Allerdings habe ich mir
im besten Alter einen Tumor angelacht und bin körperlich nicht mehr dazu
in der Lage. Und damit ist es genau so eingetreten. Deshalb:
LOSSEGELN, SOLANGE ES
GEHT!
Lieber eher als später, das ist
mein Tipp für die anderen Träumer.
Ich bitte Sie, lieber Herr Schenk, zwar meine Mail, aber bitte nicht
meinen Namen zu veröffentlichen, da es Menschen gibt, die vom Ernst
meiner Erkrankung nichts wissen.
Ihnen alles Gute!
Ich kann den Aufruf nur nachhaltig weitergeben. Ein Buch könnte ich füllen
mit all den Ausreden, die ich hierzu von begeisterten Seglern schon gehört
habe. Es geht an bei der Krankenversicherung und hört auf bei dem richtigen
Schiff und der fehlenden Ausrüstung. Gerade letzteres lasse ich nicht gelten.
Solange man jung und gesund ist. Als wir 1970 um die Welt gesegelt sind, da
haben die Yachten noch ganz anders ausgesehen als heute. "Verhaute"
Dinger waren dabei. Selbstbauten, hässlich anzusehen, oft keine sieben
Meter
lang,
aber tüchtig geskippert. Mit den 10 Metern Länge über alles war unsere
Kunststoffyacht (Foto), damals ein seltener Baustoff, eine der größten
Yachten auf den Ankerplätzen oder in den Fischerhäfen - Marinas hat es ja
kaum gegeben. Ein Echolot und ein Speedometer (das meist nicht funktionierte)
war neben einem unbrauchbaren Funkpeiler die einzige Elektronik. Damit waren wir schon
überausgerüstet. Die meisten anderen Yachten begnügten sich ohne jede
Elektrik. Der Motor wurde angekurbelt, Fürs Trinkwasser reichte eine
Handpumpe, und zur Navigation mußte ein Wecker und - oft - ein Plastiksextant
herhalten. Was wir im Gegensatz zu heute nicht hatten, würde Seiten füllen.
Von einem Bugstrahlruder hat man noch nicht mal geträumt, selbstholende
Winschen, Rollfocks, Computer, Watermaker, elektrische Autopiloten oder gar Sender gab
es nicht für uns Yachties. Kurzum: Die Ausrüstung, die Yachten waren, verglichen mit heute,
erbärmlich. Was in hohem Maße aber angewendet wurde, war Seemannschaft in
seiner besten Art. Selbstverständlich kannte der Skipper die Wassertiefe am
Ankerplatz mit Hilfe eines Bleis an einer Leine oder die
Schiffsgeschwindigkeit an Hand eines nachgeschleppten Propellers, die Position
mit Hilfe der Gestirne. Statt den Außenborder am Beiboot lautstark zu
betreiben, wurde halt gerudert und die Ankerkette Hand über Hand eingeholt.
Unser Beiboot wog ganze 19 Kilogramm und kostete 200 Mark. Kein Mensch wäre
auf die Idee gekommen, ein Dhingy als kibbelig zu bezeichnen. Also, es ging. Die Zahl der Unfälle und Seenotfälle war sicher nicht größer als heute,
eher weniger. Und es ginge auch heute noch.
Es hat sich nämlich
eines nicht geändert, wird sich auch nie ändern: Die See, das Meer, die
Natur. Nur die Menschen eignen sich heute nicht so sehr zum Weltumsegeln
unter so primitiven Bedingungen. Meinen sie. Aber es gibt auch andere
Beispiele. Der 21-jährige Sebastian hatte sich durch Arbeit in ein paar
Jahren das nötige Geld für eine Weltumrundung in einem geliehenem
8-Meter-Sperrholzboot zusammengearbeitet. Sven und Annett, aus der DDR stammend, segelten mit einem genieteten
10-Meter-Boot (ebenfalls aus der DDR) um die Welt. 6000 Mark hatte sie das
Boot gekostet. Einen vernünftigen Diesel hatte die Yacht nicht, lediglich
einen Elektromotor. Und mit 300 Mark im Monat sind sie ausgekommen. Beim
nächsten Blauwasserseminar auf der INTERBOOT 2012 (hier klicken) lernen die Teilnehmer
die beiden kennen und vor allem den originellen Tip von Annett, wie man beim Essen sparen kann: "Ein DDR-Kochbuch verwenden! Dann reichen 300 Mark im
Monat !" Was aber vielleicht noch interessanter ist: Fast ohne ausreichende
finanzielle Mittel haben sie die Welt umrundet, kamen zurück in ihre erlernten
Berufe, bekamen Kinder (die wir auf dem Seminar kennen lernen werden,
ebenfalls den Weltumsegler Sebastian). Ihre Vita zeigt: Sie hätten mehr Ausreden gehabt,
nicht um die Welt zu segeln, als die Mehrzahl der Möchtegern-Weltumsegler.
Aber sie haben die Gelegenheit beim Schopf gepackt. "Carpe diem"
eben.
Zwei Ausreden aber lass
ich in jedem Falle gelten: Kinder und Gesundheit - siehe, leider, oben. Alles
andere ist in den Wind gesprochen.
Bobby Schenk