In
den Wind gesprochen (24):
Schnell
mal um die Welt segeln - eine Modeerscheinung?
Täglich bekomme ich E-Mails, in denen eine zukünftige Weltumsegelung
annonciert wird. Der Wortlaut ist unterschiedlich, je nach Temperament, mit
Understatement: "...und wenn sich dann das Boot bewährt hat, dann gehts in
die Karibik, vielleicht auch weiter..." oder forsch "ich kann nicht
mehr so lang warten, deshalb geht es rund..." oder bescheiden
"...vielleicht geht es auch um die Welt" oder gar asozial
"...diese Gesellschaft kann mich mal" und so fort.  Was
mich bei diesen Mails wundert, ist die Lässigkeit, mit der heute eine Weltumsegelung als läppische, vielleicht unbequeme Reiserei abgetan wird.
So als ob man schnell mal um die Ecke läuft, beim Bäcker Brötchen
einzukaufen. Wenn ich da an die Zeiten der Kochs oder Hiscocks zurückdenke, wie
die jahrelang geplant, Lehrgänge und Schulungen besucht haben - nicht,
um Segelscheine zu erwerben, sondern um sich auf das große Unternehmen
vorzubereiten, dann frage ich mich, ist die heutige Art, eine Weltumsegelung
anzugehen, falsch oder war damals die Gründlichkeit der Vorbereitung
übertrieben, verkrampft?
Ich
gehöre sicher nicht zu den Früherwarallesbesser-Menschen, aber was heute auf
diesem Gebiet erlebbar ist, macht doch stutzig. Nein, es sind nicht die Schiffe,
die sind ja
allesamt besser, größer und vielleicht auch seetüchtiger, jedenfalls
schneller als die damaligen Holz- und schweren Stahlboote. Es sind die Segler
auf den Ozeanen, die mich nachdenklich machen. Zwei Beispiele: Als Zeuge einer
Funkrunde in Übersee (merkwürdig, aber irgendwie müssen die Funker ja dorthin gekommen sein)
bekomme ich folgendes Gespräch mit: Segler1: "Habt Ihr schon gehört, das
GPS wird nachmittags abgeschaltet?" Segler2: Oh, je, ich muss nach Trinidad segeln,
immerhin 60 Seemeilen." Segler3: "Sagt mal, wie lang ist eine
Seemeile?"
Fast
noch krasser: Ein
Vorstandsmitglied eines großen Hochseesegler-Vereins wird angerufen und mit
folgender Frage konfrontiert: "Jetzt hab ich eine Yacht gekauft, wie geht
es weiter?" Stark, was?  Woher
kommt diese Einstellung, wonach eine Weltumsegelung offensichtlich kaum
schwieriger eingestuft wird als eine Brennerüberquerung mit einem Wohnwagen?
Sicher zum Teil davon, dass es von Weltumseglern nur so wimmelt, wobei die aus
den unterschiedlichsten Lagern kommen, Professoren, Schüler(innen), Studenten,
Handwerker, Fabrikbesitzer, Möbelhändler, Ärzte, Rentner, Pensionisten und sonstige
Privatiers. Natürlich auch von der Qualität heutiger Serienyachten, die - trotz
aller Mängel - regelmäßig um Meilen besser sind als die Boote im letzten
Jahrhundert. Wenn man nur bedenkt, womit sich damals Weltumsegler rumschlagen
mussten: Teredo-Wurm, keine Travellifts, Naturtauwerk, Rott im Holz,
Baumwollsegel, störanfällige Maschinen (wenn sie denn überhaupt an Bord
waren) und die Unwilligkeit fast aller Yachten, sich selbst zu steuern. Dann war
da noch das Problem mit der Navigation, die eine exakte Uhrzeit voraussetzte,
eine Hürde, von der man sich heute gar keinen Begriff mehr macht. Und wenn sich
die Sonne hinter Wolken nicht blicken ließ, gab es keine
einigermaßen
brauchbare Möglichkeit, seinen Standort festzustellen, selbst wenn man die
Navigation mit den Gestirnen beherrschte. Was gar nicht sooo leicht war und
meist voraussetzte, dass man sich ein halbes Jahr auf die Schulbank setzte und
den Umgang mit Logarithmen-Tafeln büffelte. Aber gerade diese vielen
Monate der Vorbereitung brachte den zukünftigen Weltumseglern etwas, worauf die
heutigen Träumer - dank GPS (das die ganze Navigation automatisiert) - verzichten
müssen. Nämlich, von vorneherein in der Szene zu sein. Bei solchen Lehrgängen
unterhält man sich über Yachten, Wettertaktiken, Reparaturen,
Maschinenservice, vielleicht auch, am Rande, übers Segeln. Kurzum, man ist in
der Szene!
 Das
geht heute im Regelfall ab. Und damit verzichtet man schon auf eine Menge
aufgeschnappter Erfahrungen im Fahrtensegeln, die für die Vorbereitung einer
Weltreise unter Segeln wertvollste Dienste leisten. Wie überhaupt allgemein falsche
Vorstellungen von der "richtigen" Vorbereitung einer Weltumsegelung
vorherrschen. Da wird geraten, mal einen Grundkurs im Jollensegeln zu machen.
Was soll der Quatsch? Einen Aufschießer unter Segel oder ein
Boje-über-Bord-Manöver wird der zukünftige Weltumsegler niemals brauchen oder
gar anwenden. Segeln ist eine der Nebensächlichkeiten bei einer Weltumsegelung.
Das kann jeder: Segel hoch und den Ruderautomaten aktivieren! Und wenn der
Segler dann mal den Großbaum wegen der Ozeandünung selbst bei Kursen am Wind
an den Kopf bekommt, wird er schnell einsehen, dass es sinnvoll ist, einen
Bullenstander grundsätzlich zu setzen. Gesegelt wird ohnehin nur in einem
Viertel der Zeit.
Nein,
eine viel bessere Vorbereitung ist es, an einem Chartertörn, am besten bei
einer Überführung teilzunehmen. Da lernt der Eleve ausschließlich für die
Fahrtensegel-Praxis. Und bekommt sicher auch eine Menge von der technischen
Schiffsunterhaltung mit. Das ist wichtig für später. Denn die
eigentliche Leistung bei einer Weltumsegelung besteht darin, die Yacht technisch
in Form zu bringen und zu halten. Weltumseglerin Ingrid von der Harlekin hat es
bei meinen Blauwasserseminaren auf den Punkt gebracht: "Weltumsegeln
bedeutet, sein Schiff an den schönsten Ankerplätzen der Welt zu
reparieren."
Also
mein Rat für die Vorbereitung einer Weltumsegelung: An Chartertörns
teilnehmen, vielleicht ein Skippertraining absolvieren, die Szene der
Fahrtensegler suchen - und langsam tastend - learning
by doing - losfahren! Aber
das ist wohl in den Wind gesprochen! Bobby Schenk
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