In
den Wind gesprochen (26):
Segeln
auf dem Hardstand
Wenn
man unter Langfahrtseglern eine Umfrage machen würde, welche Realitäten am
wenigsten mit ihren Vorstellungen vor Segelbeginn übereingestimmt haben, käme
der Punkt Reparaturen und Wartungsarbeiten sicher mit am häufigsten zur Erwähnung.
"Weltumsegeln heißt, sein Schiff an den schönsten Ankerplätzen der Welt
reparieren" meinte Ingrid von der Harlekin zum Ende Ihrer Weltumsegelung.
Vielen, vor allem jenen, die noch von einer Weltumsegelung in Rosa träumen (die
aber schon alles wissen), mag dieser Satz übertrieben oder gar abwegig
erscheinen, doch Tatsache ist: Er stimmt für die aller meisten
Weltumsegelungen.
 Liest
man in Weltumseglerbüchern oder in Berichten von Langfahrern, nimmt einen großen
Teil der Erzählung der Kampf gegen die Tücke des Objekts. Man soll jetzt nicht
auf die Idee kommen, dass dies einleuchtet, weil die Segel halt arg strapaziert
werden oder das Unterwasserschiff angemalt werden muss. Es wäre zu schön, wenn
es "nur" die Dacron-Tücher wären, nein, da gehen Pumpen, Elektronik,
Wanten, Stage, ja sogar die Maschine kaputt. Als ich vor vielen Jahren zu
Vorbereitung einer Weltumsegelung einen Tag in der Fabrik meines Motors am Fließband
verbrachte, meinte ein dortiger Mechaniker: "Was soll an so einem
Dieselmotor schon kaputt gehen? Nach vier Jahrzehnten Langfahrtsegeln kenn ich
die Antwort. Sie lautet: "Alles".
Die
technischen Problem beim Blauwassersegeln hängen auch nicht mit dem Fabrikat
der Yacht zusammen. Ob das Boot aus einer großen Serienwerft oder einer kleinen
Klitsche stammt, es kann (und wird) jeden treffen. So eine Art RollsRoyce im übertragenen
Sinne gibt es unter den Yachten nicht. Vor vielen Jahren führte ich in Belgien
ein Gespräch mit einer etwas neureichen Dame, Besitzerin einer Millionenyacht,
bei dem ich meinte, auf uns kämen sicher Reparaturen zu. Sie meinte entrüstet:
"Aber doch nicht bei unserer XY-Yacht." Die gute Frau hat später den
Hafen mit dem Auto verlassen, nachdem sie die Nase wegen der vielen Reparaturen
voll hatte: Die tolle XY-Yacht wurde daraufhin billigst und lange in Inseraten
weit unter Neupreis zum Kauf angeboten.
Warum
ist das so? Wir haben schließlich die Yacht ausschließlich zu unserem Vergnügen
angeschafft und damals kaum Gedanken darauf verschwendet, dass die Störanfälligkeit
von Yacht und Ausrüstung entscheidend in unser Leben, zumindest in die Planung
einer Langfahrt eingreift? So berichtet die erfahrene Blauwasserseglerin
Nathalie Müller von der Marlin:
"Eigentlich
wollen wir auch uns selbst abschalten bzw. runterschalten, endlich in den
Buchten ohne Lichter in der Nacht ankern, an Stränden ohne Beach Bar spazieren
gehen und statt 80 Nachbarn vielleicht nur fünf haben. Leider ist die
To-do-Liste trotz vier Wochen Maloche in Trinidad noch lange nicht abgearbeitet.
Mit der Hilfe von Rene von der Mira baut Micha in einer Drei-Tage-Aktion den
Ersatzmotor des Fischer Panda Generators ein. Strom auf Knopfdruck, fast so gut
wie eine Steckdose. Dummerweise haben wir trotz Wind-, Sonnen- und nun
Generatorenergie weiterhin in der Nacht keinen Strom, die Batterien sind
definitiv hinüber.... Wir bestellen neue in den USA, die sich aus Kostengründen
per Schiff auf die Reise machen. Eine Schiffsreise quer durch die Karibik mit
abschließenden Zollformalitäten, das dauert, wir stellen uns auf drei Wochen
Warten ein."
 Überraschend,
oder? Der Denkfehler besteht oft darin, dass man die Leistung einer Yacht auf
Langfahrt ähnlich beurteilt, wie das Sommersegeln auf der Ostsee. Das ist aber
ein himmelweiter Unterschied, wie schon der Vergleich der Meilenleistung
aufzeigt. Bei einer Weltumsegelung legt man im Jahr schon mal zehntausend
Seemeilen zurück, wo man beim Segeln in den heimischen Gewässern kaum auf ein
Zehntel dieser Meilen kommt. Also ist die Belastung schon von dahr das
Zehnfache. Hinzu kommt, dass eine Yacht auf Langfahrt härter hergenommen wird.
Da, wo der Küstensegler wegen Starkwind schon mal im Hafen bleibt, muss der
Langfahrtsegler auf seinen wochenlangen Törns das Wetter so nehmen wie es sich
anbietet, also auch die gelegentlichen Stürme. Unsere Yachten und deren Ausrüstung
sind aber nun mal für die große Masse der Segler, also für die heimischen
Kameraden gebaut. Man kann es den Herstellern nicht verdenken, denn das ist ihr
eigentlicher Markt.
Ein
weiteres Problem beim Langfahrtsegeln besteht in den mangelnden Reparaturmöglichkeiten
und schwieriger Ersatzteilversorgung. Eine Werft, ja ein Zubehörhändler ist
nun mal sehr selten in der Nähe, also muss meist die Luftfracht für das
fehlende Teil bemüht werden.
 Das
Hauptmanko ist aber das fehlende Personal. Auf einer Trauminsel in der Südsee
ist halt kein Segelmacher, Meschaniker oder Elektroniker da, der helfend
eingreifen kann. Also heißt es, einen kundigen Segelkameraden finden oder
riesige Umwege segeln, um dort vielleicht einen Fachmann zu entdecken. Wenn die
Yacht überhaupt noch einsatzfähig ist. Als ich auf einer 16-Meter-Yacht in
Huahine (Französisch Polynesien) auslaufen wollte, sprang der Yanmar nicht mehr
an. Was tun? In Huahine gibt es nur eine einzige runtergekommene Tankstelle für
die paar Autos auf der Insel, aber ansonsten weder Ersatzteile noch
irgendjemand, der sich mit einem Dieselmotor auskannte. An ein Weitersegeln in
diesen Riffgewässern war nicht zu denken. Ziemlich verzweifelte, ja
hoffnungslose Situation! Da half der Zufall. Ein amerikanischer Yachty ruderte
mit dem Beiboot vorbei und nickte auf die Frage, ob er was von Dieselmotoren
verstehe, zögernd. Ein Lottotreffer! Zusammen mit dem Skipper zerlegte er in
wenigen Tagen den Yanmar in alle Einzelteile, reinigte sie und ersetzte ein paar
Dichtungen. Der Diesel sprang
zögerlich an, aber er lief. Ein paar Monate später
wurde die Maschine in Neuseeland ausgetauscht. Ein weiterer Grund, aber das nur
nebenbei, für die Störanfälligkeit einer Blauwasseryacht ist das Alter der
meisten Schiffe. Nur wenige können es sich leisten, mit einer fabrikneuen Yacht
auf Weltreise zu gehen, Meist sind es Second-Hand-Yachten, die schon mehrere
Jahrzehnte auf dem Buckel haben. Aus zahlreichen Beobachtungen schließe ich,
dass das Durchschnittsalter bei solchen Booten (und der Ausrüstung) um die 20
Jahre ist. Schließlich ist auf allen Blauwasseryachten die Ausrüstung und das
(notwendige) Zubehör sehr viel umfangreicher als auf einer Urlaubsyacht.
Gut,
aber lässt sich dagegen nichts tun? Noch immer gilt der Satz: "Was nicht
an Bord ist, kann nicht kaputtgehen!" Konsequent auf nicht unbedingt
notwendige Ausrüstung verzichten, wäre also das Gebot. Aber mal ehrlich, wer
bringt das schon fertig, wenn man voll Optimismus sein Schiff für die Langfahrt
ausrüstet. Auch diese Weisheit glaubt der Träumer nicht: "Was kaputt
gehen kann, geht auch kaputt". Von Schiffskauf zu Schiffskauf hab ich diese
Aussage vor mir selbst heruntergespielt: "Ja, das war früher so, aber bei
der heutigen Qualität unserer Yachten..." Und jedes Mal hab ich mich getäuscht.
Hab nicht bedacht, dass ja bei einem größerem Schiff auch das Zubehör und die
Ausrüstung viel umfangreicher ist. Dass bei neueren Booten viel mehr Technik
vorhanden ist, als annodazumal.
Es
ist nun mal so, dass man zu Beginn einer Langfahrt nicht damit rechnet, dass man
Wochen (vielleicht auch Monate) mit Arbeiten am Schiff zubringt. Dass man nicht
immer unter einem Sternenhimmel über den Ozean wandert, sondern dass man
vielleicht genausoviel Zeit auf dem Trockenen, auf dem Hardstand verliert. Oft
hält sich die Anzahl der Segelstunden und die der Arbeitseinheiten die
Waage.
"Alles,
was kaputtgehen kann, geht kaputt, und zwar im unpassendsten Augenblick".
Murphy's law sollte man also bei der Planung einer Langfahrt unbedingt ernst
nehmen!
Aber
das ist sicher in den Wind gesprochen.
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