In
den Wind gesprochen (27):
Mit
der Jolle um die Welt?
In
meinen stets ausgebuchten mehrtägigen Blauwasserseminaren durfte ich zu mehr als 1500 Langfahrt-Aspiranten sprechen. Die Themen aller Referenten
waren breit gestreut, von medizinischen Fragen bis hin zur Funkanbindung. Ein Thema
allerdings hat unter den zukünftigen Weltumseglern keine wesentliche Rolle
gespielt, ausgerechnet das Thema Segeln. Warum? Ist es etwa kein Thema ist für ein Seminar?
Es heißt doch: "Von
Grund auf muss man Segeln lernen" oder die "Pike" wird gern
zitiert, wenn es in Deutschland darum geht, Lernstoffe zu verinnerlichen. So
auch bei der "Ausbildung" zum Fahrtensegeln oder für
Blauwasserfahrten. "Mach mal erst Deinen Segelschein" ist so ein
jollenseglerischer Kraftausdruck, mit dem Anfänger entmutigt werden. Und nur
wenige hinterfragen, zu was es taugt, wenn ein Fahrtensegler die Regattaregeln
kennt oder einen Takling nähen kann. Einen solchen hab ich zum letzten Mal vor
ungefähr 30 Jahren gemacht - mit dem Knotenbuch vom Sondheim in der Hand. Bei
mir an Bord war der Heißschneider der Takelmeister. Von
den vielen Knoten, die wir im Segelkurs gelernt haben, sind übriggeblieben: Der
Kreuzknoten, der Webeleinen, der halbe Schlag und (den aber in allen Lebenslagen), der Palstek. Das wars und
das hat für die Weltmeere gereicht.
Lichterführung musste damals gepaukt werden, übriggeblieben in meinem
Langzeitgedächtnis sind die Dampfer(Topp)- und Positionslichter, das Anker- und
das Hecklicht. Beim Anblick von drei roten Lichtern sagt mir ein Blick in die
Tabelle in wenigen Sekunden: "Manövrierunfähiges Fahrzeug, das
seine Backbordseite zeigt". Das reicht für die Praxis! Schließlich
düsen wir nicht mit dem Flugzeug, wo Ausweichentscheidungen in
Sekundenbruchteilen gefällt werden müssen. Es bleibt immer noch Zeit,
mal einen Blick auf die im Cockpit angebrachte Tafel zu werfen, wo alle möglichen
Lichter aufgezeichnet sind. Auch die, die man wahrscheinlich im ganzen
Seglerleben niemals zu Gesicht bekommt. Nun
könnte man einwenden, dass es ja nichts schadet, wenn man nicht zielgerichtet
lernt. Doch! Denn die wertvolle Zeit ist vertan und man verliert so den Blick
fürs Wesentliche. Vor allem aber: Was hat denn Jollensegeln im Grundkurs mit
Dickschiffsegeln gemein? Einen, wenn auch ein wenig hinkenden Vergleich biete ich an: Den
Segelgrundkurs zu besuchen und fleißig mit der Jolle zu üben, ist so, wie wenn
der Tennisspieler zunächst mal Tischtennis lernen würde. Ziemlich sinnlos,
oder? Aber nicht nur das, der zukünftige Blauwassersegler wird auf die ganz
falsche Fährte geschickt: Er wird die ach so "gefährliche Halse"
meiden und auf die umständliche Kuhwende ausweichen. Ja, der Lehrstoff beim
Jollensegeln kann sogar gefährlich werden. Wehe, der Blauwassersegler versucht später mal mit dem Dickschiff per
Aufschießer an die Pier anzulegen oder - lebensgefährlich - er fährt auf
Spinnakerkurs und Selbststeueranlage ein Mann-über-Bord-Manöver unter Segel,
wie er es beim Jollensegeln gelernt hat!
Schnell
segeln ist eine Kunst, unter Segeln dahinzuwandern dagegen ein Kinderspiel, das
sich jedermann in kurzer Zeit ohne besondere Anleitung selbst aneignen könnte.
Fahren wir doch mal mit einem blutigen Segelanfänger auf einer kleinen
Kielyacht auf die offene See (ohne Schiffsverkehr) hinaus, erklären ihm die
Funktion des Bullenstanders, der immer und auf jedem Kurs gesetzt werden muss,
und lassen ihn alleine fuhrwerken. Dank der Bullentalje kann der Großbaum nicht
herumschlagen, sodass nichts passieren kann. Nach ein paar Stunden wird der Segeleleve
herausgefunden haben, wann das Schiff
keine Fahrt voraus macht oder beigedreht zurücktreibt oder wann die Yacht
Fahrt aufnimmt. Und nach ein paar weiteren Stunden wird er in der Lage sein, die
Yacht in einer bestimmten Richtung zu bewegen. Gleiches gilt, wenn wir ihm den
Motor überlassen. Was er nicht können wird, ist die Yacht unter Segel im Hafen
anzulegen, aber das trauen wir uns ja selbst kaum zu, und das würde er "auf
Blauwasserfahrt" auch nicht brauchen.
 Nun,
reicht das, um auf großer Fahrt loszusegeln? Nein, ganz so einfach ist es dann
doch nicht. Aber der Anfang im Segeln einer Yacht wäre gemacht und darauf kann
der Anfänger mit fleißigem Üben aufbauen. Was er so bestimmt nicht lernen kann,
ist, eine Yacht sicher in den Hafen zu bringen - auch nicht unter Maschine.
Dazu bedarf es der Anleitung anderer erfahrener Segler. Die er aber, wie gesagt,
in einem Jollenkurs auch nicht bekommt. Sinnvoll wäre die Teilnahme an einem
Skipperkurs (Fotos), wo die Dickschiffsegler tagelang nichts anderes machen als
An- und Ablegen im Hafen oder vor Anker. Aber "Segeln" im
wortwörtlichen Sinne wird dort auch nicht gelehrt.
Mein dringender Rat an den Anfänger: Am meisten lernt man übers Fahrtensegeln
bei der Teilnahme an einem Chartertörn, am besten an einem Überführungstörn,
oder beispielsweise an einem Ausbildungstörn der Hanseatische Yachtschule des DHH
in Glücksburg unter einem erfahrenen Skipper. Ob der einen Segelschein hat, ist unwichtig. Dann
kann's losgehen. Wie ein Anfänger im Auto, der sich nicht gleich nachts ins
Innere einer Großstadt stürzt, wird der zukünftige Weltumsegler auch nicht
gleich im Nebel im Kanal herumskippern, sondern sich bei gutem Wetter von Hafen
zu Hafen durchhangeln, nachdem er sich die Vorfahrtsregeln eingeprägt hat.
Nach 1000 Semeilen wird er dann schon erfahrener sein als die meisten
Freizeitskipper nach dem Erwerb aller Segelscheine. Und
das ist nicht in den Wind gesprochen.
Bobby
Schenk
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