In
den Wind gesprochen (28):
Fahrtenyacht
- unser schwimmendes Zuhause?
Ausstellungszeit
ist wieder. Ich bin gern auf der Hanseboot, der BOOT oder auf der INTERBOOT. Man
kann dort wunderbar ein Urteil bilden. Nicht nur über Yachten, sondern über
uns, über die Segelszene. Besonders aufschlussreich ist die Halle mit den
großen Segelyachten - und dem Publikum. Wenn an den Wochenenden Hochbetrieb ist,
bilden sich gern vor der Treppe die zum Deck der Yacht hinaufführt
Menschenschlangen, die auf ein gewaltiges Interesse am - na was jetzt? - wohl
nicht am Segeln hindeutet. Denn gesegelt wird ja wohl mit einer Yacht, deren
Kiel durchs Wasser pflügt und mit einem Rigg, das mächtige Segel trägt.
Danach müssten sich die Messebesucher um das Unterwasserschiff scharen oder
zumindest das Deck der "schnellen Fahrtenyacht" bevölkern. Aber wie
sieht die Realität aus? Unten am Unterwasserschiff ist kaum ein Mensch zu
sehen, oft ist es auch zugehangen, der Optik wegen. Und oben auf dem Deck sind
höchstens eine Handvoll Interessenten, die im Cockpit darauf warten, bis wieder
Platz ist, um nach "unten" zu steigen. Im Schiff dagegen
herrscht
drangvolle Enge, Schubladen werden geöffnet, den Deckel zum Maschinenraum muss
der langsam genervte Verkäufer heute zum fünfzigsten Mal öffnen und die
zukünftige Bordfrau läßt sich die Größe des Kühlschranks erklären, wobei
sie offensichtlich in Gedanken Vergleiche zum häuslichen Kühler anstellt. Die
Toilette wird nur deshalb nicht ausprobiert, weil ein böses Schild das Heben
des Deckels verwehrt, nicht, weil sie in der Halle funktionsuntüchtig ist,
wegen Wassermangel.
Dieses
Verhalten steht im Gegensatz zur Werbung. Manchmal hat man das Gefühl, es
würde ein Renner angepriesen, wenn in Anzeigen mit biederen Fahrtenyachten von
"Topspeed", vom "revolutionären Unterwasserschiff", von der
"geringen benetzten Unterwasserfläche", vom "effektiven Rigg aus
dem Windkanal" oder vom "präzisen Segelschnitt" gelobhudelt
wird. Was soll das? Meine erste Yacht hatte ein "Constellation-Ruder",
von dem ich nur weiß, dass vor Jahrzehnten ein America' Cup-Sieger so hieß.
Sonstige positive Eigenschaften hab ich auch bei einer Weltumsegelung nicht
erkennen können. Also, alles Mumpitz - immer aus der Sicht des Langfahrtseglers!
Denn
für letzteren ist die Fahrtenyacht nichts Geringeres als sein Schneckenhaus,
sein Mikrokosmos. Irgendwie ist dies ein befriedigendes Gefühl, sein Alles
immer bei sich zu haben, sich jederzeit zurückziehen können, eben wie die Schnecke, die mit ihrem Haus auf dem
Rücken durch die Gegend rast (aus der Sicht der Schnecke). Und so spielt,
objektiv, die Geschwindigkeit einer Yacht bei Langfahrten eine untergeordnete
Rolle. Wenn mir ein Weltumsegler erzählt, seine Yacht würde acht Knoten
machen, werde ich höflichkeitshalber ein erstauntes Gesicht machen. Das gleiche
Minenspiel aber leg ich mir zu, wenn von sechs Knoten die Rede ist. Denn was ist
schon eine hohe Geschwindigkeit für eine Langfahrtyacht? Acht oder sechs
Knoten? Es gab mal einen deutschen Weltumsegler in der Frühzeit der deutschen
Langfahrtsegelei namens König, der, ohne sich zu schämen, eingestanden hat,
dass seine Yacht nur eine Höchstgeschwindigkeit von vier Knoten zustande
bringt. Super, denn die Yacht hat die Welt umsegelt.
Früher
versuchte man "die Schnelligkeit" einer Fahrtenyacht als wichtige
Eigenschaft hinzustellen, weil man damit Stürmen oder Gewittern ausweichen
könne, die Yacht dadurch sicherer sein würde. Was für ein Unsinn, es macht
mir doch niemand weis, dass ich mit siebenkommafünf Knoten einem Gewitter entkomme, mit
sechs Knoten aber nicht. Es mag in der Privatfliegerei bedeutsam sein, wenn man
mit 200 Knoten die Cumulonimben umfliegen kann, in der Yachtsegelei auf den Ozeanen
sind alle Geschwindigkeiten für die Flucht vor dem Unwetter viel zu gering.
Seien wir doch ehrlich: Bei aller, zum Teil
abenteuerlichen Romantik hat eine Fahrtenyacht vom Wesen her mehr
Ähnlichkeit mit einem Wohnwagen als mit einem Rennauto. Eric Hiscock, für mich
einer der bedeutendsten Fahrtensegler, hat seine Yacht als sein "swimming
home" beschrieben - damit ist er von "Wohnwagen auf dem Wasser" nicht mehr
allzu weit entfernt. Und es ist sicher kein Zufall, dass sich viele Weltumsegler
nach Beendigung ihrer Segelepoche einen Wohnwagen zulegen, um damit
gemütlich(er) zu reisen.
Speed
ist zweitrangig. Wie auch die Yachtentwicklung der letzten 50 Jahre gezeigt hat.
Sicher sind moderne Yachten schneller geworden, aber in der (Langfahrt-)Praxis
wirkt sich das nur wenig aus. Die Etmale (Strecke von Schiffsmittag zu
Schiffsmittag - nicht "in 24 Stunden") liegen immer noch zwischen 100
und 200 Seemeilen, abhängig von Kurs, Seegang, Wind und Strom. Unabhängig, ob
eine "moderne" Yacht oder ein alter Langkieler unterwegs ist. Mit
meinem 34-Fuß-Kreuzer THALASSA (Langkieler, Baujahr 1965) hab ich mal 169
Seemeilen geloggt, viel mehr würd ich mit einer heutigen 10-Meter-Yacht auch
nicht zusammenbringen. Deshalb lohnt es sich nicht, Kompromisse wegen der
Geschwindigkeit einzugehen. Bei den Werbeleuten scheint diese Erkenntnis noch
nicht angekommen zu sein und munter faseln sie weiter von einer schnellen oder
rasanten Fahrtenyacht. Kein Mensch käme dagegen auf die Idee, mit der hohen
Geschwindigkeit eines Wohnwagens zu werben. Aber
das ist wohl in den Wind gesprochen.
Bobby
Schenk
zur
Home-Page
Impressum und Datenschutzerklärung
|
|