In den Wind gesprochen (34):

Eignet sich ein Blondine zum Heiraten? 

Ich freue mich über jede Frage, die zu dieser Webseite kommt. Nur eine Kategorie, leider fast die häufigste (nach der Frage wegen der Kosten einer Weltumsegelung), behagt mir gar nicht: Wenn Segler wissen wollen, ob diese oder jene Yacht zu diesem oder jenem Unternehmen taugt. Warum?

Meist ist es unverkennbar, dass der Eleve sich längst für ein Schiff entschieden hat und seine Wahl nur noch abgesegnet werden soll. Aber man sollte doch nicht glauben, dass eine so ernste, das Leben bestimmende Entscheidung von meinem Urteil abhängig gemacht wird. Da werden noch andere Meinungen eingeholt, und ich habe nicht die Absicht, in die Diskussion mit Schiffsverkäufern, Segellehrern, Stegnachbarn etc. einzutreten, auch wenn ich nur den Passus des Zitatgebers spiele. Ein weiterer Grund für meine Unlust ist, dass ich eine gewisse Verantwortung übernehmen soll. Denn wenn die Wahl daneben geht, sind Enttäuschte leicht geneigt, die Schuld, letztlich ihre Schuld, abzuschieben. Der dritte Grund ist meine Scheu, in bankrottöse Fettnäpfchen zu treten. Ich habe mal auf einer Ausstellung in einem kurzem Vortrag lediglich darauf hingewiesen, dass manche Luxusyachten so viel Geld nicht wert sind, worauf von einer extrem teuren Yacht neben "meinem" Ausstellungsstand die Drohung mit Anwalt nebst Schadensersatzansprüchen gekommen ist. Das wäre zwar lächerlich, aber den Ärger möchte ich mir trotzdem ersparen, mich mit unsinnigen Schriftsätzen von Rechtsanwälten - die gibt es, wie viele absurde Schadenersatzklagen beweisen - auseinandersetzen zu müssen.

Der tiefere Grund aber, über Fragen nach der Qualität von bestimmten Yachten nicht erfreut zu sein, ist das Paradoxon, das dem Inhalt solcher Mails zugrunde liegt. Da schreibt ein (sicher sehr sympathischer Segler) wortwörtlich:

"Hallo Herr Schenk,
ist eine Contest 33 Baujahr 1972/73 für eine Weltumsegelung geeignet oder eher nicht?
Ich freue mich auf ihre Antwort."

Abgesehen davon, dass man als YACHT-Leser (sind wir doch selbstverständlich alle, oder?) wissen könnte, dass der praxiserfahrene Redakteur Johannes Erdmann gerade mit einer älteren Contest 33 auf Weltumsegelung geht, also mit seiner großen Erfahrung aus Hobby und Beruf genau diesem Schiffstyp vertraut, würde ich liebend gerne eine derartige Frage mit der Gegenfrage nach der Eignung einer Blondine zum Heiraten beantworten. Nicht, um mich über den Fragesteller lustig zu machen, sondern, um ihm die Unlogik, die sich hinter dieser Frage versteckt, aufzuzeigen.

Wann ist denn eine Yacht, ein Schiff, für eine Weltumsegelung geeignet? Hat es nicht immer schon Unternehmungen gegeben, die beweisen sollten, nein, bewiesen haben, dass die "unmöglichsten" Gefährte zu einer Ozean-Überquerung taugten. Harald Sedlacek aus Österreich besegelte den Atlantik mit der nur 5,60 Meter langen FIPOFIX. Der 72-jährige Schwede Yrvind überquerte dieses Meer mit einem 4,80 Meter langen Bötchen und Robert Manry genügte für ein ähnliches Unternehmen die gerade mal vier Meter lange TINKERBELLE. Freilich meinte er anschließend von sich selbst, dass er zum Psychiater gehöre....

Selbstverständlich ist die Meinung vertretbar, dass ein Faltboot keinen großen Atlantik überqueren kann. Das Gegenteil ist aber der Fall, der deutsche Arzt Hannes Lindemann hat es bewiesen. Mit dem Tretboot über den Atlantik? Rüdiger Nehberg hat es gemacht. Vor einiger Zeit wurde versucht, einen Ozean mit einem überdimensionalen Hamsterrad zu überqueren. Land hat er zwar nicht erreicht, aber fast hundert Seemeilen hat der Sportsfreund strampelnd zurückgelegt. Wenn solche "Schiffe" den Nordatlantik überqueren können, taugen sie von der Seetüchtigkeit her grundsätzlich auch für eine Weltumsegelung. Oder sind zum Beispiel die beiden ozeantüchtigen "Yachten" auf den Bildern ungeeignet?

Jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt: Die Bötchen kommen vielleicht unter jenen Skippern auf die andere Seite des Ozeans. Aber doch nicht mit mir! Und so stelle ich mir selbst die Frage: "Könnte ich mit einem solchen Gefährt auf Weltumsegelung gehen?" Die Antwort lautet (in meinem Falle): "Gott bewahre!"

Aber gibt es denn keine vernünftigen Kriterien für eine Weltumsegelyacht unter einem Normalverbraucher (was immer das ist)? Bleiben wir in "unserem" Rahmen. Bei einer Einrumpfyacht verlange ich zumindest Kentersicherheit und die Sicherheit, dass sie nicht schon auf Tiefe geht, wenn sie mal eine überbekommt. Und eine einwandfreie Vergangenheit sollte sie auch haben. Wenn im Laufe der Jahrzehnte viele Yachten von diesem Typ von Stapel gelaufen sind, keine gravierenden Konstruktionsmängel entdeckt worden sind (sowie keine auf dieser Webseite verzeichnet wurden) und ihre Seetüchtigkeit auf dem Meer bewiesen haben, warum sollten sie dann für eine Weltumsegelung nicht geeignet sein? Wer zum Beispiel auf der Nordsee ("Mordsee") besteht, ist grundsätzlich gut genug für die anderen Weltmeere.

Da wurde ich mal von einem Rechtsanwalt um Rat gefragt, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg haben würde. Sein Mandant hatte sich von einem sehr bekannten Segler dessen Yacht gekauft, die - beschrieben in einem Buch - extreme Reisen um einen ganzen Kontinent gemacht hat, und nunmehr müsse der Käufer und potentielle Kläger feststellen, dass die Yacht gar nicht so richtig an den Wind (gegenan) gehen würde. Jeder Laie kann die Aussichtslosigkeit einer solchen Klage beurteilen - die meisten Richter verfügen nämlich über einen gesunden Menschenverstand: Das Problem in diesem Fall ist nicht die Yacht, es ist der neue Eigner!

Ich glaube, der Leser versteht jetzt, warum ich die Frage nach der Ehetauglichkeit von Blondinen stelle. Weil die Beantwortung so einfach ist. Ungeachtet der Gefahr, der Blondinenfeindlichkeit geziehen zu werden – was weiß Gott völlig daneben wäre - , die Frage richtig gestellt, müsste heissen: Ist man selbst für die Blondine geeignet? Deshab ist auch die passende Antwort nach einer bestimmten Yacht: Erst der Skipper macht das Schiff !

Aber diese Einsicht ist sicher in den Wind gesprochen.

Bobby Schenk

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