Rennyacht
crasht aufs Riff - a simple mistake ?
Endlich
mal richtig action
bei diesem Segelrennen um die Welt.
Die
VESTAS, eine dänische Yacht, ist
bei gutem Wetter voll aufs Riff geknallt.
Immerhin,
die
neun Segler des Racers sind in Sicherheit. Soweit das Positive dieser
Werbeveranstaltung für Volvo. Der
Skipper, der Navigator erst recht, ja die ganze Besatzung dieser
Kunststoff-Rennschüssel tun mir leid. In allen Medien der Welt können
Millionen Menschen nachlesen oder im Video fassungslos
bestaunen, was ein abgrundtief dummer Fehler alles bewirken kann. Wie hier in Sekundenbruchteilen neun Menschenleben
in
höchste
Gefahr gebracht, Millionenwerte vernichtet werden.
Was
mir an diesem Drama, das
glücklicherweise nur mit Sachschäden abging, aber überhaupt nicht
zusagt, ist,
wie easy
in den Laien-Medien für die Nichtsegler, auch den seriöseren
(SPIEGEL
etc),
mit den Gründen, die zum Crash geführt haben, umgegangen wird. Was muß
der normale Fahrtensegler, der jahrzehntelang sein Schiffchen ohne folgenschwere
Navigationsfehler über die Meere bringt, von solchen Voll-Profis halten?
Sie können ihm in puncto Sicherheit nicht das Wasser reichen.
Die
Medien begnügen sich hier mit Erklärungen der Beteiligten, der
Schuldigen, die
klingen, als ob sie
von windigen
Politikern
stammten. Der Skipper spricht davon, dass er die "volle
Verantwortung" übernimmt (zahlt er die Yacht, den Rückflug der Crew
oder was?), schiebt aber gleichzeitig die Schuld auf
seinen Navigator: "Ich kann mich nicht um alles kümmern, man muß
sich auf seine verschiedenen Abteilungen verlassen können, das ist in jedem
Betrieb so und hier hat eine Abteilung (gemeint ist natürlich der
Navigator) versagt". Im übrigen sei er stolz auf diese Mannschaft. Das teure
Zubehör habe man abbergen können. Prima!
Der
gescholtene Navigator räumt zwar ein - hier der Wortlaut seiner Erklärung
- , dass dies sein Fehler war,
entschuldigt sich aber gleichzeitig (er nennt das freilich
"erklären") mit dem falsch eingestellten Zoomfaktor auf der elektronischen Seekarte und
verweist auf eine Internetquelle, die sich akkurat mit solchen Problemen befassen
würde. Nehmen wir seine Aussage wortwörtlich: Er hat gepennt. Und nicht
nur das!
Der
"kleine" Fahrtensegler wird sich hier an die Stirn
greifen.
Das
sollte man nämlich so nicht durchgehen lassen. Schauen wir uns die
Situation mal näher an: Die VESTAS ist von der offenen See her kommend mit
19 Knoten Geschwindigkeit nicht auf irgendeinen kleinen Felsen, ein
"Sandkorn" in den Weiten des Indischen Ozeans, gedonnert,
sondern hat ein gigantisches, den vielen Cargados-Carajos-Inseln
vorgelagertes, 30 Seemeilen langes Riff nördlich von Mauritius, ja wie soll
man das exakt beschreiben, sagen wir: MITTRIFFS getroffen: Eine Inselgruppe,
die einst von arabischen Seeleuten
gesichtet wurde, aber 700 Jahre später von der mit allen
nur erdenklichen elektronischen Hilfen ausgerüsteten VESTAS
nicht. Dass das Hindernis auch auf dem Radar - wenn
auch spät,
so
doch rechtzeitig –
zu
erkennen gewesen wäre, ist wahrscheinlich. Freilich nur dann, wenn ein
Mann, einer von den neunen, den gesetzlich vorgeschriebenen Ausguck gehalten
hätte. Die VESTAS hat sich eine Inselgruppe ausgesucht, einen
Archipel, der auf allen Seekarten der Welt, auf Google Earth sowieso,
verzeichnet ist. Wenn sich der Navigator auf den Zoomfaktor der
elektronischen Seekarte beruft, mit dem er
Landmassen von der Größe einer Weltstadt ausblendet, dann könnte
er alle
Detailkarten
auch gleich in der Schublade lassen, wenn er denn überhaupt noch mit Papier
zu navigieren im Stande ist.
Er
sei durch andere Ereignisse abgelenkt
gewesen? Wie lange? Wieviele Sekunden? Nach seinen eigenen Angaben
("...ich
mich zu einer Pause nach einem langen Tag hinlegte") hat er
halt schlicht gepennt.
Aber
auch
das erklärt das Versagen nicht. Nein, es müssen viele Stunden gewesen
sein, in
denen
sich der Navigator nicht um die Navigation gekümmert, und die VESTAS
Kurs auf den 60 Kilometer(!) breiten Korallenfels und Anlauf mit full speed genommen hat.
Nochmals
Nein,
es handelt sich hier nicht um ein Sekundenversagen (wie vielleicht bei der
Costa Concordia in Italien oder der im Nebel wohl aufgelaufenen
südkoreanischen Fähre
SEWOL). Der Bug der VESTAS war ja stundenlang, wenn nicht ganze
Tage aufs Riff gerichtet. Die "Erklärung" des Navigators, er habe vor jeder Etappe sehr fleißig
die Route studiert, ist ein besserer Witz, hat nichts mit dem Unglück zu tun. Er beruft sich auf
"Google Earth, Papierkarten und andere Werkzeuge". Aber die geplante Route habe sich kurz vor der Abfahrt geändert.
Und dann sagt er einen Satz, der noch nachdenklicher macht: "Unsere geplante Route änderte sich kurz, bevor wir ablegten, und mit dem Fokus auf den Start und die heiklen Bedingungen nahm ich fälschlicherweise an, dass ich genug Informationen mithätte, um die Änderungen zu studieren, während wir unterwegs sind."
Man
kann es kaum glauben: Der Navigator hat offenbar nicht genug
Informationen dabei gehabt, um eine Yacht über die Weltmeere zu steuern. Ach
ja, Seehandbücher in gedruckter oder meinetwegen auch elektronischer Form,
ein absolutes Muß für Ozeansegler, gab es also auf der
VESTAS
nicht. Aber Elektronik in jeder Form, wie man auf den Videos sehen kann, die
entstanden, als
der Geräteträger abmontiert wurde. Die Lehre hieraus, zumindest: Noch soviele
Elektronen können den gesunden Menschenverstand (mehr braucht es nicht, um
dort zu navigieren) nicht ersetzen.

Was auch
nachdenklich macht: Offensichtlich hat sich keines der neun Crewmitglieder,
vor allem nicht der Kapitän, für die Navigation interessiert. Sonst hätte
man dem Navigator doch schon mal über die Schulter geschaut. Klar, eine von
jedermann einsehbare Geschwindigkeits-und Windanzeige ist Standard auf einer solchen
Yacht, man will ja das letzte an Speed aus dem Schiff rausholen. Warum gibt es
eigentlich auf solchen höchst technisierten Yachten keine Tochtergeräte, die
auch die Navigation, den Schiffsort, im Cockpit oder besser noch von jedem Platz der Yacht
aus einsehbar machen?
Ist auf jedem besseren Kreuzfahrtschiff Standard. In jeder Kabine kann der
Fahrgast auf dem Fernsehschirm die Position des Schiffes sehen, sei es
innerhalb von Riffen oder nahe den Atollen - siehe Fotos oben vom TV in der
Kabine. Die Abbildungen hier zeigen die Umgebung
des Schiffes, die aus Atollen besteht, welche ungefähr die gleiche
Größe haben wie das Unglücksriff der VESTAS.
Und
überhaupt: Was ist das für ein Skipper, der sich nicht dafür
interessiert, wo gerade seine Yacht mit Höchstgeschwindigkeit übers Meer
rauscht? Wohin sie brettert? Ja, wo sind wir denn?
Kurzum:
Ein katastrophaler,
grob verschuldeter
Navigationsirrtum, die Schuld von Skipper und Navigator ist - milde
ausgedrückt - durchaus vergleichbar mit dem Schiffbruch der Costa Concordia
(32 Tote). Wenn dies nicht mit deutlichen Worten festgestellt wird, kann der
Blauwassersegler leicht dem Irrtum erliegen: "Na, ja, das kann schon
mal passieren, wir sind doch alle Menschen." Oder so!
Mich
erinnert dieser Vorfall auch an einen deutschen Airbus mit ein paar hundert
Passagieren an Bord unter dem Kommando des mit zigtausend Flugstunden
gesegneten Kapitäns, der auf Grund (auch) eines computergesteuerten
Denkfehlers eine Notlandung mit Sachschaden machen mußte. Obwohl alle seine
Passagiere überlebten, durfte er anschließend keine Minute mehr ans Steuer
eines Flugzeugs und wurde wegen eines gefährlichen Eingriffs in den
Luftverkehr zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Analoge Vorschriften gibt
es auch für die Schiffahrt.
Dass
auf der VESTAS keine
Menschenleben auf dem Aussenriff zu beklagen sind, ist ausschließlich glücklichen
(Wetter-)Umständen zu verdanken. Die Seegangsverhältnisse können dort je
nach Richtung der Dünung und/oder des Windes verheerend sein. Auf den Luftfotos
in den Medien (schauen Sie hier,
dieses Bild sagt mehr als Worte) sieht man, dass nach der Riffkante keine heilen
Korallenblöcke existieren. Sie sind allesamt von der Brandung zerschmettert
worden. Ich
weiß, wovon ich spreche. Ich hab das Tauchen am Aussenriff, nur bei bestem
Wetter, immer unheimlich, ja bedrohlich empfunden.
Unter
den vielen tausend Blauwasserseglern, die ständig auf allen Weltmeeren
unterwegs sind, kenne ich in den letzten Jahren keinen einzigen Fall, in dem ein
solcher kapitaler Navigationsfehler vorgekommen ist. Die Fehler auf der VESTAS
nur als "Anfängerfehler" zu klassifizieren, wäre voll daneben,
denn Anfängern unter Langfahrtsglern würde sowas, jedenfalls in nüchternem
Zustand, nicht passieren.
Freilich,
die Navigation mit elektronischen Hilfsmitteln in Frage zu stellen, ist hier
nicht angebracht. Wenn der Navigator grob fahrlässig lebenswichtige Informationen ausblendet,
bildlich gesprochen: unbeachtet in die Schublade verräumt, kann die Elektronik nichts dafür.
Bei
allem Mitgefühl für die niedergeschlagenen Verantwortlichen taugt der Fall der
VESTAS aber
als Warnung, immer alle greifbaren Informationen bei der Navigation, beim
Überleben auf See zu nutzen. Für die
allermeisten Blauwassersegler ist das, da bin ich sicher, nicht in den Wind
gesprochen.
Bobby
Schenk