NEU! - Bobby Schenk's 11.Blauwasserseminar 2015 -
noch Plätze frei!
mit 12 Weltumseglern und dem Olympiasieger
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Selbstbetrug beim Traum von der Weltumsegelung
Sich
selbst zu belügen beflügelt die Fantasie und ist beim Träumen durchaus
erlaubt. Aber man sollte sich die Schwindelei auch eingestehen und aus dem Geständnis
Konsequenzen ziehen. Es gibt hierzulande sicher an die tausend Träumer, die an
eine Weltumrundung zumindest denken, und ganz sicher mehrere tausend Segler, die
beim Kauf ihrer Yacht den ganz großen Törn schemenhaft im Hinterkopf haben.
Denn was hätte es sonst für einen Sinn, sich für unsere engen Gewässer eine
Yacht von über 40 Fuß anzuschaffen? Sicher steht das "
Vielleicht…" nicht gerade im Vordergrund, wenn man so einen Kaufvertrag
über ein kleines bis großes Vermögen unterschreibt, aber mitschwingen beim Träumen
wird sie fast immer, die große Runde unter Segel. Dass dann daraus nichts wird,
liegt meistens an Umständen, die man beim Yachtkauf noch nicht berücksichtigt
hat, die damals noch nicht abzusehen waren.
Die
Werften machen sich diese Gedankenspiele auf ihren zum Teil faszinierend schönen
Prospekten zunutze, indem sie die Interessenten häufig mit dem klein gedruckten
Vermerk "geeignet für die weltweite Fahrt" oder so ähnlich
einzufangen versuchen. Und dann ist da noch von den "fantastischen"
Segeleigenschaften die Rede, den Hoch-am-Wind-Vermögen, der Leichtigkeit
des Rudergehens, vom Knopfdrucksegeln (kein Mensch käme auf die Idee, vom
"Knopfdruckautofahren" zu sprechen) oder, und dies zu allererst, von
der rasanten Geschwindigkeit. Aber ist das alles sooo wichtig? Aber klar doch:
Weltumsegeln heißt doch „SEGELN ohne Ende“, „BlauwasserSEGELN ist eine
Art zu leben“ oder wie es Rudi Wagner einst so schön in seinem Buch Weit,
weit voraus liegt Antigua ausgedrückt hat: „SEGELN mit dem großen Löffel“?
Halten wir mal auf einer
Bootsausstellung die Augen offen! Wir sehen bei manchen Dickschiffen, besonders
bei denen, die massenhaft oder besonders luxuriös und damit extrem teuer
produziert werden, Schlangen vor der Stiege aufs Schiff hinauf stehen. Endlich
bekommen sie den Wink der Hostess, dass sie nunmehr nach oben dürfen. Und
was beobachten wir dann? Statt sich ausführlich an Deck umzusehen, den Mastfuss
zu inspizieren, die Leinenführung zu überprüfen, steigt der Besucher, kaum
hat er das Cockpit erklommen, ins Innere des Schiffes. Und zeigt damit, worauf
es ihm beim Schiffskauf vor allem ankommt. Nämlich nicht auf die
Segeleigenschaften, sondern auf die Bewohnbarkeit einer Yacht. Und hat
damit, sicher unbewusst, auch vollkommen recht. Aber eingestehen wird er sich
und anderen das wohl nicht so leicht. Oder haben Sie Ihre Segelfreunde und
Besitzer einer neuen Yacht schon mal davon schwärmen hören, wie schön sichs
auf der Yacht wohnen lässt? Wieviel Platz man unten hat, wie bequem die
Sitzecke ist? Nein, stattdessen müssen wir uns anhören, wie glatt die Yacht
durchs Wasser schneidet, wie leicht sie auf dem Ruder liegt. Oder ähnliches.
Die
Frage klingt etwas abwegig, ja für einige sogar verräterisch, und von denen
bin ich tatsächlich auch schon böse angefeindet worden. Trotzdem stelle
ich sie in den Raum: Ist das Segeln bei einer Weltumsegelung denn wirklich so
wichtig?
Lassen
Sie mal meinen wichtigsten Zeugen sprechen, einen Zeugen, der wohl über jeden
Verdacht der Weichheit, der Unsportlichkeit, der Flapsigkeit oder der Unfähigkeit
erhaben ist. Denn jedes Wort in diesem Zitat dürfte für Weltumsegelträumer
wichtig sein. Der große Bernard Moitessier, dessen ganzes Leben dem Regatta-
und Fahrtensegeln gewidmet war, schreibt in seinem Buch Vagabund der Meere,
genau auf Seite 254:
Man
versteht vielleicht, dass ein Einzelner oder ein Paar, die sich entschließen,
das erste Boot für das große Abenteuer zu kaufen oder zu bauen, kaum eine
Chance haben, sogleich das richtige Boot zu finden. Dafür gibt es zwei Gründe:
Der erste ist der Mangel an Erfahrung: Der fähigste Segler der Welt kann ohne
persönliche Erfahrung nicht wissen, was für ein Leben ihn tatsächlich auf
einer langen Reise unter Segel erwartet. Fast immer wird er Wert auf gute
Segeleigenschaften seines Bootes legen: Auf Geschwindigkeit, auf die maximale Höhe
am Wind - vielleicht auf den Komfort auf See, was automatisch auf Kosten der
anderen Eigenschaften geht. Und sein Boot wird wahrscheinlich auf offener See
erfolgreich sein. Aber ein Boot segelt ja gar nicht die ganze Zeit über.
Man
sollte einmal ein paar Bücher über Weltumsegelungen zur Hand nehmen und nachzählen,
wie viele Monate das Boot auf See war und wie viele es vor
Anker gelegen hat. Die meisten Reisen dauern 3 bis 5 Jahre, und dabei spielen
sich selten mehr als 10 oder 12 Monate wirklich auf See ab...,
Wobei die Zeit an Bord vor dem Beginn und nach dem
Ende der Reise noch nicht einmal mitgezählt ist.
Moitessier spricht von "3 bis 5 Jahren". Wir
wissen es ein wenig genauer, kommen aber ungefähr zum gleichen Ergebnis. Auf
meiner Seite who-is-who
im Weltumsegeln habe ich bis jetzt immerhin Fragen
zu einem dreiviertel Hundert Weltumsegelungen gestellt, auch die Frage nach der
Reisedauer. Die daraus abgeleitete Statistik sehen Sie auf der Abbildungrechts
Rechnet man diese Werte nach, so kommt man auf die durchschnittliche(!) Dauer
einer Weltumsegelung von ungefähr vierkommasieben Jahren. Wenn wir dabei die
wenigen "Dauersegler" außer Acht lassen, bleiben es immer noch vier
Jahre - und damit wären wir - grob gerechnet, aber statistisch untermauert -
bei der Aussage von Moitessier.
Rund
um die Welt sind es, über den Daumen gepeilt, je nach Route 25 bis 30
Tausend Seemeilen. Daraus lässt sich leicht errechnen, wie viele Tage auf See
so eine Weltumsegelung in Anspruch nimmt.
Von
welchem Etmal wollen wir ausgehen? Eric Hiscock, und nicht nur er, hat einmal
die runde Zahl von hundert Seemeilen in 24 Stunden in den Raum gestellt. Das war
vor einem halben Jahrhundert, als die Spitzengeschwindigkeiten von
Fahrtenyachten bei etwa 150 Seemeilen lagen. Heute sind es vielleicht 180
Seemeilen. Es ist nicht viel mehr, was da der Fortschritt gebracht hat, zumal
die erhöhten Werte zum großen Teil darauf zurückzuführen sind , dass die
durchschnittliche Yachtgröße und damit auch die Rumpfgeschwindigkeit erheblich
zugenommen hat. Wem aber eine durchschnittliche Strecke von ca. 120 Seemeilen in
24 Stunden immer noch zu niedrig erscheint, der möge bedenken, dass hier die
Strecken gegenan und Sturmzeiten mit berücksicht werden. Ich hab auf all meinen
Schiffen immer mit 100 Seemeilen gerechnet, und damit bin ich bei der Planung(!)
auf der richtigen Seite gelegen.
Das
aber bedeutet in klaren Zahlen: Bei einem angenommenen Etmal von 100 Seemeilen
besteht eine (typische) Weltumsegelung aus 250 Segeltagen, bei 120 Meilen aus
etwas mehr als 200 Tagen. Nimmt man ein noch höheres Etmal, dann ist man bei
vielleicht 180 Tagen angelangt. Den Rest von rund 1000 Tagen verbringt man vor
Anker oder in der Marina. Brutale Wahrheit! Aber ist das so schlimm? Dann lernt
man in der übrigen Zeit eben Land und Leute kennen. Wer das glaubt, lese sich
aufmerksam mal so durch die Weltumseglerliteratur durch, zuletzt bei Sebastian
Pieters "auf Acht Meter um die Welt" oder bei den sympathischen
Sailing Conductors, wo der dreißig Jare alte Yanmar-Diesel auf 350 Seiten eine
Hauptrolle spielt.
Würde
man allein danach seine Prioritäten ordnen, käme man zu dem Schluss, dass das
Wohnen auf dem Schiff ungleich wichtiger ist als die Segelei, dass eine
Weltumsegelyacht also in erster Linie Wohnschiff ist, und dann erst Reisemittel.
Klar, so einfach geht das natürlich nicht. Oberste Priorität hat selbstverständlich
die Sicherheit, die Seetüchtigkeit, aber das können wir, soweit der Mensch
Extrembedingungen überhaupt beherrschen kann, bei den heutigen Serienyachten
wohl voraussetzen. Daneben gleich wichtig ist die Seemannschaft der Besatzung.
Aber dann folgt schon die Bewohnbarkeit der Yacht, die eine weitaus größere
Rolle spielt als wir uns das beim Träumen wohl vorstellen. Damit sind wir
wieder bei Moitessier.
Also
machen die Besucher der Bootsausstellungen alles richtig, wenn Sie sofort nach
Erklimmen der Ausstellungsyacht gleich mal in den Salon nach unten steigen?
Nicht ganz, wenn sie auf Weltumsegelung gehen wollen. Denn bei einer
Weltumsegelung auf der Passatroute spielt sich - wegen der Hitze und des
mangelnden Durchzugs - das Leben vornehmlich im Cockpit ab - auf See, aber auch
am Ankerplatz. Was schamlos in Kaufüberlegungen einzubeziehen ist!
Oder
ist das in den Wind gesprochen?