In
den Wind gesprochen (43):
Betagte
Yacht für Große Fahrt?
Es läßt sich nicht bestreiten, dass es so eine Art Mode geworden ist, mal
schnell um die Welt zu segeln (zu wollen). Unabhängig davon, wie viele nun
ernsthaft an dem Plan arbeiten, wie viele letztlich dann lossegeln und wie viele
(oder wenige) den großen Törn auch durchziehen werden, eines ist fast allen
Plänen gemein: Die Finanzierung macht (zunächst) die große Schwierigkeit,
erweist sich als Hindernis Nummer 1 beim Traum von einer Weltumsegelung. Was
liegt da näher, als beim dicksten Posten so viel wie möglich einzusparen und
dieser Weg führt immer zu der Frage, ob man nicht beim Schiff sparen könnte,
ob nicht eine alte Yacht genauso gut für einen Trön rund um die Welt tun
könnte.
Ist
die Antwort einfach? Ist eine "moderne" Kontruktion eines
Fahrtenschiffes nicht viel schneller als unsere früheren trägen
Fahrtenyachten? Und dabei doch viel sicherer?
Das
mit der Schnelligkeit sollte man differenziert sehen. Klar, moderne
Cruiser-Racer machen schon mal 1 bis 2 Knoten mehr. Das sind natürlich
gewaltige Unterschiede, ob meine Yacht sechs oder siebenkommavierunddreißig Knoten läuft. Aber
spielt das denn in der (Langfahrt-)Praxis eine Rolle? Ich geb schon zu, dass der
eine oder andere Ozeantörn dann um einen Tag kürzer ist, dass man über den
Atlantik auf der Passatroute statt in 19 Tagen in Barbados schon nach 18 oder
vielleicht schon nach 17 Tagen den Anker fallen lassen kann. Was bei solchen
Rechnugnen aber häufig übersehen wird, ist der Preis für die schnellere
Überfahrt. Nein, nicht in Euro, sondern in Bequemlichkeit. Will man schnell
unterwegs sein, müssen die Segel
dann schon aufmerksamer bedient und den jeweiligen Kursen zur See und zum Wind
angeglichen werden. Die Bewegungen auf der schnelleren Yacht sind ausserdem
magenunfreundlicher. Bitte, wers mag!
Ich
erinnere mich an zwei Engländer, die vor vielen Jahren auf dieser Strecke
unterwegs waren. Sie machten sichs ganz bequem. Jeden Abends nahmen sie die
Segel bis auf einen Rest zum Beidrehen herunter, gönnten sich ein opulentes
Abendmahl, soweit der fehlende Kühlschrank dies aus Konserven eben zuließ und
genossen den Tagesausklang besinnlich mit einer Flasche Wein. Dann setzten sie die Petroleum-Ankerlampe
und gingen zu Bett. Um am anderen Tag ausgeschlafen, nach dem Frühstück den
neuen Segeltag zu beginnen. Nach 46 Tagen liefen Sie frisch und ausgeruht auf
der anderen Seite des großen Teichs auf den Ankerplatz. Die Überfahrt war
wunderschön, meinten sie. Jeden Abend hätten sie sich auf den nächsten Segeltag,
gefreut. Ist das nicht villeicht das genußvollere Segeln und sich die
ermüdenden Nachtwachen zu ersparen? Wenn ich da an die zahlreichen Ozeanfahrten zurückdenke, wo meine
Mitsegler, schon nach den ersten Tagen und Nächten stöhnten, dass es sicher noch zwei
Wochen dauern würde, bis sie wieder mal in eine Kneipe kämen, bis sie wieder
mal ausschlafen könnten.
Meine
Schiffe hatten verschiedenes Speed-Potential. Der 10-Meter-Kreuzer
THALASSA (GfK aus dem Jahre 1965) brachte ein Spitzenetmal von 169 Seemeilen,
während die 15-Meter-Stahlyacht über 180 Meilen schaffte und der
14-Meter-Katamaran immerhin so 220 Seemeilen in 24 Stunden runtersegelte. Wie
gesagt, das waren die Rekordetmale, währen die durchschnittlichen Etmale
zwischen 100 bis 140 Seemeilen lagen, wohlgemerkt bei allen drei Yachten. Kurzum, ich
würde dem Speedpotential einer Yacht, gleich wie alt sie ist, keine große
Bedeutung beimessen, vor allem dann, wenn ich für die höhere Geschwindigkeit
mit heftigeren Schiffbewegungen, weniger Stauraum, fehlender Bilge und mehr
Arbeit beim Segeln bezahlen müßte.
Wie
aber steht es mit der Sicherheit? Sind moderne Yachten mit kurzem Lateralplan
unter Wasser nicht sicherer, können sie nicht nachfolgenden Brechern besser
ausweichen als die trägen Langkieler vergangener Zeiten? Dazu gibt es unendlich
viele Diskussionen und Theorien, deren Ergebnisse allesamt nichtssagend und
damit auch nicht hilfreich sind. Der Grund: Die See richtet sich nach keinen
Schemen. Eine Yacht, die gleichermaßen mit Kreuzseen, Brechern von achtern und
von der Seite, mit Stromverhältnissen, in die sich der Sturm aus
entgegengesetzter Richtung einmischt oder gar mit Freakwaves fertig wird, die
muß erst noch erfunden werden. Ein Leser hat einmal vor vielen Jahren an die
YACHT geschrieben, seine (Serien-)Yacht aus Kunststoff sei "unbegrenzt seetüchtig". Was für
ein Schmarrn!
Früher
wurden manchem Konstrukteur nachgesagt, dass seine Risse ganz besonders sturmfest
seien. Nicht nur ich frage mich, warum dessen Entwürfe heute zwar nicht
vergessen sind, aber zumindest die Rumpfform nicht mehr gebaut würde. Und die
modernen Entwürfe - Balanceruder, Schwenkkiel, Bleibombe in vier Meter
Wassertiefe - sind die nicht viel sicherer als die "alten"
Unterwasserschiffe? Obwohl sich diese Frage niemals wissenschaftlich beweisen
läßt, die vielfältigsten Seegangsverhältnisse, die sich die Natur ausdenkt,
sind nun mal nicht zu Meßzwecken in riesigen Bassins nachzubilden, und damit
auch nicht zu messen. Je nach der Situation, die die Natur vorgibt, wird sich das
eine oder andere Konstruktionselement als das bessere herausstellen. Mit
Sicherheit ist aber keine Yachtform geeignet, bei allen Wetterbedinungen die
"sicherste" sein. Schluß daraus:
Jede
"unkenterbare" Kielyacht ist in Punkto Sicherheit geeignet auf
Langfahrt zu gehen. Wobei hier sogar ein gewichtiger Punkt für eine ältere
Yacht spricht: Denn solche Oldtimer sind ja nun seit vielen Jahren unterwegs,
auf See und dem Markt, sodass sich etwaige Probleme, etwa struktureller, Art
solcher
Yachten längst herumgesprochen hätten. Ein Yacht-Typ, der zum Beispiel schon
mal den Kiel oder das Ruder verloren hat, den hätte ich nicht sehr gerne für
einen Törn über die weiten Meere.
Aber
sonst? Ältere Schiffe zeichnen sich meist gegenüber "modernen"
Entwürfen in der See als gutmütiger aus und über die tiefe Bilge plus
zusätzlichen Stauraum im längeren Kiel (Diesel, Wasser) freut sich der
Langfahrtsegler erst recht. Ja, aber die Yacht als Statussymbol? Werde ich nicht
mit einem alten Schiff auf den Ankerplätzen oder in einer Marina belächelt?
Diese Befürchtung ist dort, wo sich Langfahrtyachten herumtreiben unbegründet,
ja, häufig ist das Gegenteil der Fall. In einem Hafen, in dem ich mich viele
Monate befunden habe, lag auch eine neue 62-Fuß-Yacht eines ganz bekannten
Fahrtenyacht-Herstellers. Die sündteure Yacht, mit ihrem zwischenzeitlich
ergrauten Teakdeck, hat kaum jemand, über den Steg wandelnd, beachtet. War
höchstens Opfer mitleidiger Kommentare: "Was allein schon die Crew
kostet?"
Man
sollte sich vom Aussehen einer Yacht, die man als "wunderschön" auf
dem Messestand in Düsseldorf kennengelernt hat, nicht allzu viel erwarten, wenn
dann später in einer tropischen Marina von der Schönheit einer Yacht nicht
viel übrigbleibt, weil das Cockpit mit dem Sonnendach überzogen, das Heck mit
einem riesigen Gummidingy verunstaltet und das "wunderschöne"
Teakdeck von Dieselkanistern belegt ist.
Ganz
klar, die "Alte" muß gesund sein. Das festzustellen ist selbst für
den sorgfältigen Laien bei Stahlyachten nicht sehr schwierig. Ein Blick in die
Bilge, den Schmutzwassertank oder in den Ankerkasten sagt schobn sehr viel aus.
Bei einer Kunststoffyacht ist es schon schwieriger. Osmose werden alle alten
mehr oder weniger haben. Dann kommt es drauf an, ob eine sachgemäße (und
teure) Sarnierung
in Spezialwerkstäten stattgefunden hat. Wenn der Verkäufer dieses Problem
herunterreden möchte ("nur ein paar Bläschen an der
Wasserslinienlänge") sollte man gleich die Flucht ergreifen. Und die
fehlende moderne Ausrtüstung, vor allem in Sachen Navigation? Die läßt sich
mit dem Kauf eines Hand-GPS und eines AIS-Gerätes beheben. Das wars dann schon.
Also,
dem Möchtegern-Weltumsegler sei es gesagt: "Eine alte Fahrtenyacht - warum
nicht?" Und wenn Schiffe, wie ja oft behauptet wird, eine (weibliche) Seele
haben, dann freut es die Damen auf ihre alten Tage, wenn sie doch noch zum
richtigen Segeln auf den Weltmeeren kommen.
Dieses
Mal hab ich sicher nicht in den Wind gesprochen, oder?
Bobby
Schenk
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