In
den Wind gesprochen (49):
Das
Geschrei bei den Anlegemanövern...
Da
musste ich neulich zum wiederholten Male lesen, "gute"
Anlegemanöver im Hafen würden sich dadurch auszeichnen, dass sie sich lautlos, am besten
per Handzeichen unter der Yachtbesatzung dirigiert, abspielen.
Den
Inhabern dieser Meinung, diesen Gut-Seemännern (und "-Frauen", wenns
denn sein muss!), scheint der äußere Eindruck auf die
sensationslüsternen Kapitäne an Land wichtiger zu sein als das Gelingen des
Anlegens ohne Schrammen im Schiff, dem Heiligtum vieler Yachteigner. Dabei sind
doch die Prioritäten beim Hafenmanöver ganz klar: Es kommt fast
ausschließlich darauf an, dass das An- oder Ablegen so
funktioniert, wie sich der Skipper das vor dem Manöver durch den Kopf gehen hat
lassen, und zwar einwandfrei.
Die
meisten "schulmäßigen" Hafenmanöver stellen auf das Zusammenwirken
der einzelnen Mannschaftsmitglieder mit dem Skipper ab. Beide Teile müssen sich
verständigen können, damit es klappt. Dazu ist eben eine gemeinsame
"Sprache" notwendig, um Missverständnisse zu vermeiden. Die
Mannschaft, auch wenn es zum Beispiel nur die eigene Ehefrau oder ein weiteres
Besatzungsmitglied ist, muss also verstehen, was der Skipper will, um die
Kommandos ausführen zu können. Andererseits muss der Skipper davon
ausgehen können, dass seine Anordnung, das Kommando verstanden worden ist. Und
schließlich muss er bei Maßnahmen, deren Erfolg er nicht sehen kann
(kommt der Anker schon?) durch eine Rückmeldung oder Bestätigung vom Stand
der Dinge in Kenntnis gesetzt werden, zum Beispiel "Anker ist frei!".
Dass
dies eine gemeinsame Sprache erfordert, dürfte einleuchten. In der Schifffahrt
(ebenso wie in der Luftfahrt) hat sich hierzu eine Phraseologie herausgebildet,
die auf Yachten zwar nicht zwingend ist, doch ist es durchaus empfehlenswert,
sich diese anzueignen. Dann können Missverständnisse, die ja beim Anlegen in
einer engen Marina durchaus zu ernsten Konsequenzen führen können, leicht
vermieden werden. Vor allem dann, wenn man nicht fortlaufend mit der gleichen,
sondern wechselnder Crew unterwegs ist. Mein großer Segellehrer Karl Seiler, ansonsten ein grundgütiger Kerl, hat bei seinen Kursen die
Notwendigkeit des Gebrauchs von Seemann-Kommandos gerne dadurch demonstriert,
dass er beim Kommando "Vorleine los" unbarmherzig, auch bei engen
Hafenmanövern, die Vorleine eben ins Wasser geschmissen hat, wobei er
natürlich genau
wusste, dass der Segeleleve nur etwas "Lose in die Leine" haben
wollte, um die Leine vom Poller nehmen zu können.
Nebenbei
bemerkt, die größte Flugzeugkatastrophe der Luftfahrtgeschichte mit über 500
Toten beim Zusammenstoß von zwei Jumbo-Jets auf der Rollbahn in Teneriffa ist
darauf zurückzuführen, dass einer der Piloten eine Anweisung vom Tower
mißverstanden hat. Woraufhin die international vorgeschriebene Phraseologie
geändert wurde. Bei uns geht es zwar nicht gerade um Leben und Tod, aber ernst
ist ein Manöver in einer engen Marina allemal, wie man an der üblichen
Nervosität des Skippers vorm Anlegen ersehen kann.
Dass
zum Gelingen eines Manövers auch die Lautstärke von Kommandos, Bestätigungen
oder Rückmeldungen - nicht gemeint sind selbstverständlich gebrüllte
Streitereien - wichtig ist, sollte keiner Erwähnung bedürfen. Schließlich herrscht in Marinas nicht gerade weihevolle
Stille, die
nicht durchbrochen werden darf. Eine Marina ist nun mal zum An-und Ablegen
sowie zum Verbleib der Yacht da. Entscheidend für die Lautstärke auf den
Yachten ist allein die Gewähr, dass die Kommunikation zwischen Mannschaft und
Skipper nicht durch "wie bitte?"-Rufe oder Ähnliches, gestört wird. In
einer lärmenden Marina oder gegen den Wind kann man durchaus lauter werden
müssen, auch wenn die Gaffer auf dem Steg sich darüber mokieren. Reicht die
Lautstärke der eigenen Stimme auf großen Yachten nicht mehr aus, dann ist nichts dagegen
einzuwenden, eine Handfunke oder ähnliche Hilfsmittel (wie
in der Berufsschifffahrt) zu verwenden. Es muss nur die eindeutige
Verständigung garantiert sein.
Mancherorts
wird auch propagiert, statt gesprochener Kommandos die Mannschaft mit Gesten zu
dirigieren. Es ist ja gewiß cool, in einer eingespielten Crew bei besten
Manöververhältnissen - Windstille, viel Platz an der Pier etc - das gebrüllte Kommando „Vorleine über“ bei Blickkontakt durch eine lässige Handbewegung zum Vorschiff zu ersetzen, aber daraus eine Art
Ehrenkodex für gute Seemannschaft zu machen, geht zu weit. An erster Stelle
muss die Gewissheit herrschen, dass der Wille des Skippers zweifelsfrei
verstanden wird. Warum sollte in einer geschäftigen Marina eine Art
Gebärdensprache zur Kommunikation verwendet werden, wenn wir nicht gerade sehr
heiser oder gar taubstumm sind? Zumal ja die Zeichensprache schnell an ihre
Grenzen gelangt. Weisen Sie mal allein mit Handzeichen den Rudergänger an, mit
der Maschine auf 12hundert Umdrehungen zu gehen! Auch ist es auf heutigen großen
Yachten häufig notwendig, den Skipper, der zum Beispiel keine Sicht auf die
niedrige Pier hat, mit eindeutigen Informationen ("noch sechs
Meter") zu versorgen, und Handbewegungen lassen Raum für Missdeutungen.
Bei
höheren Segelscheinen war es früher in der praktischen Prüfung üblich, dem
Prüfling abzuverlangen, ein Schiff allein mit gesprochenen Kommandos die
Hafenmanöver zu fahren, ohne selbst an Pinne oder Rad zu sitzen. Praxisfremd?
Ganz und gar nicht. Ab einer bestimmten Schiffsgröße unvermeidlich und bei
großen Schiffen gar ein Muß. So groß werden zwar unsere Yachten nicht gerade
sein, doch ist dies eine hervorragende Übung, sich einer eindeutigen
Kommandosprache und deren Ausführung zu bedienen. Selbst bei qualitativ
hochstehenden Skipperkursen habe ich erlebt, wie unter den Teilnehmern mangels
eindeutiger Verständigung plötzlich die einfachsten Manöver nicht mehr
funktionierten, bloß weil der Rudergänger oder die Mannschaft übungshalber
sich stur nach den gesprochenen Kommandos des Kursteilnehmers richteten. Bei
Kommunikation mit Gesten wäre es noch schlimmer geworden.
In
meinem Büchlein "Hafenmanöver", das immerhin seit 40 Jahren auf dem
Markt ist und über 10 Auflagen erlebt hat, finden sich die wichtigsten
Kommandos für Yachten. Aber an die dortigen Phrasen gebunden (wie etwa beim
Funkverkehr) ist niemand, solange - das ist das einzige Kriterium - die
Kommunikation zwischen Skipper und Crew sicher und eindeutig ist.
Hab
mir schon den Kopfzerbrochen, wie ich per Handzeichen das Motto dieser Kolumne ausdrücken
soll: "In den Wind gesprochen".....
Bobby
Schenk

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