In
den Wind gesprochen (50):
Wieviel
Navigation darf's denn, muß es denn, sein?
Ohne
Zweifel, die größte Revolution in der Seefahrt fand wohl die letzten 20 Jahre
im Bereich der Navigation statt. Das hat auch die Fahrtenseglerszene nachhaltig
verändert. GPS hat die Navigation - in der Hand des Könners - sicherer
und viel leichter erlernbar gemacht. Während man früher als angehender
Blauwassersegler den Winter auf der Schulbank gesessen ist und sich mit
trigonometrischen Formeln rumärgern musste, drückt man heute aufs Knöpfchen
und hat die Position, seinen Schiffsort, - höchstgenau - vor sich nach Länge
und Breite dastehen. Oder noch besser: Auf dem Kartenplotter in der Navi-Ecke
(gibt es denn die noch?) blinkt es fast metergenau auf der beleuchteten
elektronischen Seekarte. Es klingt natürlich wie ein Witz, dass die enormen
Hilfen in der Navigation dazu führen können, dass teure Hochsee-Regattayachten
von sogenannten Profis in der Navigationsecke gecrasht werden und die mehrköpfige Besatzung allesamt in Lebensgefahr
gebracht werden können - hier
und auch hier!
Dabei
hat in diesem Fall das von dem Veranstalter des Volvo-Race eingesetzte
Untersuchungsgremiun (wo eigentlich der Verdacht auf wohlwollende Beurteilung
des Vorfalls naheliegt) in ziemlich klaren Worten entschieden, dass wenn der
Navigator sich einer einfachen Papierseekarte bedient hätte, was seine
Sorgfaltspflicht gewesen wäre, die Katastrophe vermieden worden wäre. Punkt!
Festzuhalten
ist also, dass nicht die Elektronik, sondern der Mensch versagt hat. Zwingend
aber auch: Es muss eine Seekarte an Bord sein, und der Navigator muss damit
umgehen können. Voraussetzung dafür ist aber auch, dass er sie lesen kann.
Damit
ist auch schon zusammenfassend gesagt, was der Navigator können muss, und -
heute - was nicht. Das setze ich mindestens bei einem Navigator (und auch beim
Skipper), der die Weltmeere befahren will, voraus:
-
Er
muss dafür sorgen, dass detaillierte Papierseekarten an Bord sind.
-
Er
muss in der Lage sein, die Papierseekarte zu lesen.
-
Er
kann den Schiffsort in die Karte einzeichnen und auch herausmessen
-
Er
kann Entfernungen zwischen zwei Orten auf der Karte herausmessen.
-
Er
ist in der Lage, den gesegelten Kurs in die Karte einzuzeichnen und auch einen
Kurs herauszulesen.
-
Er
kann den Kartenkurs in den zu steuernden Kompasskurs rechnerisch mit Hilfe von
Mißweisung, Deviation, Abtrift und gegebenenfalls Stromversetzung umwandeln,
oder eben aus dem gefahrenen Kurs den Kartenkurs ausrechnen und in die Karte
einzeichnen.
Was
er nicht können muss, ist, einen Kartenplotter bedienen. Letzteres ist
selbstverständlich nicht verboten, aber die Verwendung eines Plotters ist nicht
zwingend notwendig. Mag für den Binnen- oder Ostseesegler sowie für
Navigatoren, die sich fortlaufend in beengten Gewässern herumtreiben, ein
Plotter, mit Vorsicht angewandt (siehe das Schicksal der VESTAS), eine große
Hilfe sein, aber zu den Voraussetzungen in der Navigation gehört seine
Verwendung eben nicht.
Man
mag es gelegentlich bedauern, aber das GPS, also die Satelliten, haben die
Navigation unendlich erleichtert, weil sich der Nautiker, mit dem schwierigsten
Kapitel der Navigation, der Schiffsortbestimmung nicht mehr rumschlagen
muß. Auch nicht "zur Sicherheit". Denn das GPS-System ist heute so
sicher und mit so vielen Reservesystemen (Satelliten) ausgestattet , dass man
mit seinem Versagen nicht mehr rechnen muss, vor allem nicht länger als eine
kurze Zeit, sicher nicht für ganze Tage. Zusätzlich sind heute schon die
ersten Handys mit zwei voneinander unabhängigen Satellitensystemen, dem
amerikanischen GPS und dem russischen GLONASS für unter 200 Euro auf dem
Markt. Hinzu kommt als weiteres Backup nunmehr auch das europäische System,
Galileo - falls...
 Um
es zusammenzufassen: Der Navigator muss die oben erwähnten Aufgaben beherrschen
und mit Papier-Seekarten umgehen können. Schön, wenn er gute und
zuverlässige Seekarten auf dem Notebook hat und zur Sicherheit von jeder
beabsichtigten Strecke
die Seekarten auf Papier ausdruckt. Aber die letzte Sicherheit ist das auch
nicht, selbst wenn er mehrere Computer (was auf Yachten gar nicht mehr so selten
ist) an Bord hat. Blauwassersegler, die es aus Europa immerhin bis Fijii mit dem
Computer und den darauf befindlichen elektronischen Seekarten geschafft hatten,
standen plötzlich für Wochen wie gelähmt da, als nachts in ihre Yacht eingebrochen worden und der Computer geklaut worden war. Mit den hochgenauen
Seekarten drauf. Und das auf einem zwar sehr malerischen, aber doch sehr
einsamen Ankerplatz ohne Straße, Dorf oder Postamt in der
Nähe.
Ich
bekomm ja viele Diskussionen um die Ausrüstung der "neuen Yacht" mit.
Für viele" Weltumsegelträumer" scheint die Wahl des Kartenplotters
wichtiger zu sein, als das richtige Ankergeschirr, auf das sie später
gelegentlich wochenlang angewiesen sind, und dem sie oft ihr ganzes Vermögen
anvertrauen. In den abgelegenen Gegenden habe ich auf anderen Yachten schon
viele Plotter gesehen, aber sie wirklich demonstrieren konnte man mangels
entsprechender aktuellen Software fast nie. Deshalb, wenn schon, eignen sich
Notebooks (die ja ohnehin an Bord sind) mit guten Kartenprogrammen auf
Blauwasserfahrt besser für die Praxis als Plotter, erst recht von kleinen
Herstellern (wie lange können die die Kartensoftware noch
updaten?).
Mein
erster Ratschlag für alle, die von der Blauwassersegelei träumen: Wenn alles,
aber auch alles an notwendiger Ausrüstung an Bord ist, darfs auch mal ein
Plotter sein. Das ist wohl nicht in den Wind gesprochen!
Bobby
Schenk

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