In den Wind gesprochen (58):

Goodbye Deutschland - per Yacht ?

Manchmal haben die ja ganz prima Ideen beim Deutschen Fernsehen. Nein, ich meine nicht das TV, an das wir zwangsweise Gebühren entrichten,, sondern das kostenlose Privatfernsehen. Das heißt, "kostenlos" ist das nicht ganz, denn die dazwischengeschaltete Werbung müssen wir schon über uns ergehen lassen. Oder, so mach ich es, ich zeichne auf und überspring mit ein paar Tastendrücken die Commercials. Dann bleibt der Inhalt , und der ist bei "Goodbye Deutschland" meist richtig spannend. Die simple Idee: ein Fernsehteam begleitet Deutsche, die die Nase vom Merkel-Deutschland voll haben, auf ihrem Weg ins Ausland und besucht die Leutchen auch dort in der Ferne in regelmäßigen Abständen, filmt deren Schicksal, ohne, so weit ersichtlich,  Schicksal zu spielen. Das Aufschlußreiche daran, wenn auch fast immer enttäuschend, ist der Umstand, dass das Unternehmen "Goodby Deutschland" meistens schief geht. Mal sind es die Behörden, die die erforderlichen Aufenthaltsgenehmigungen nicht rausrücken oder die quengeligen Kinder, mal das Klima oder die schlechten Geschäftslagen, mal die anderweitige Orientierung des Gatten oder des unternehmungslustigen Eheweibes. 

Vordergündig gesehen! Tatsächlich aber spielt in allen Fällen das liebe Geld die entscheidende Rolle.

Segler, zukünftige Weltumsegler,  spielten bei dieser TV-Serie bis jetzt keine Rolle. Obwohl uns das am meisten interessieren sollte. Denn irgendwie ist der Background bei einer geplanten Weltumsegelung ähnlich. Wir wollen weg! Wir wollen es besser haben als die arbeitende Bevölkerung hierzulande. Wir wollen segeln, segeln und nochmals segeln, die Sorgen zu Hause lassen.

Kein Zweifel, all das gibt uns eine Weltumsegelung reichlich, und diese Tatsache verführt viele, das weiß ich aus unzähligen (gezählten) Mails, über einen kleinen Umstand hinwegzusehen, der dann alles zum Scheitern bringt. Wenn den Träumern nicht schon vorher ein Licht aufgeht: Es sind die Finanzen. Wenn sie beim Träumen sind, ahnen sie zwar schon, dass diese eine Rolle spielen werden,  sie ziehen aber nicht  rechtzeitig die Konsequenz daraus. Nämlich die tolle Idee von der Weltumsegelung, vom Ausstieg "nur" für ein paar Jahre, rechtzeitig zu beerdigen (zum Thema "Beerdigung" kommen wir weiter unten!).

Da sieht man zwar ein, dass man nur das Geld zum Losfahren hat, aber wozu hat man denn zwei gesunde Hände und eine Handwerkerausbildung, wenn man unterwegs nicht das notwendige Geld für die Weiterfahrt durch Arbeit heranschaffen  kann? Oder man kann zahlende Gäste mitnehmen, der Erlös reicht dann schon bis zum nächsten Kontinent, oder man arbeitet an anderen Yachten, da gibt es viele wohlsituierte Pensionäre oder Rentner mit regelmäßigem Geldfluss von zu Hause, die sicher lieber faulenzen wollen, als unter der Yacht in den Tropen den Farbkübel rühren oder das gifitige Antiffouling schleifen. Und wenn alle Stricke reissen , dann kann man sich immer noch auf einer Südseeinsel temporär niederlassen und im nahegelegenen Resort "leichte Managementaufgaben“ übernehmen. Und überhaupt: Geld ist ja nicht so wichtig, denn woanders ist ja alles viel billiger, und wenn gar nichts mehr klappt, dann ernährt man sich eben von Fischen und Kokosnüssen. Ein geradezu deprimierender Gedanke!

Ja, man "kann".

Besser gesagt, man konnte(!) so unterwegs seinen Lebensunterhalt finanzieren. Aber das war gestern, ja vorgestern. Unruhe unter Träumern hat zum Beispiel Wolfgang Hausners Formel vom Lebensstil verbreitet, wonach das Leben auf einer Yacht rund um die Welt, speziell in der Südsee  ,  durchaus mit "one dollar one day" zu finanzieren sei. Das war vor fünfzig Jahren, die Ankerplätze waren leer und die Einheimischen warteten geradezu auf die netten, hochwillkommenen  Yachtsleute mit deren Geschenken, wie ein Lippenstift oder gelegentlich sogar eine Flasche Rum. Das war die Zeit, als man in den Weltumsegelbüchern noch die Formulierung  von der "ersten Yacht überhaupt in dieser Bucht" fand.  Es war aber auch schon die Zeit, als in einem deutschen Segelbuch zwei extrem sparsame Weltumsegler als Kokosnuß-Diebe gebrandmarkt wurden. Damals fand man noch zahlungskräftige Urlauber zum Mitsegeln, die auf Zeit in die Welt der segelnden Globetrotter eintauchen wollten. Und an vielen Plätzen, speziell in der Südsee , konnte man sich durchaus noch freuen, wenn einer von den Yachties den für Kühlschrank und für Waschmaschine so dringend benötigten Generator wieder zum Laufen gebracht hat. Die Behörden mischten sich gar nicht oder kaum in den Aufenthalt am Ankerplatz ein (Marinas gab es keine!),  und das Wort "Visum" war unbekannt. Auch "leichte Management-Jobs", ein Begriff gerne gebraucht von mittellosen Deutschen, existierten nicht, denn damals gab es in Südseeparadiesen nichts zu managen.

Wenn heute ein Land wie Neuseeland kaum noch Einwanderer, auch nur auf Zeit, zulässt, sollte man sich erinnern, dass dieses Land in groß angelegten Kampagnien vor Jahrzehnten noch Einwanderer regelrecht gesucht hat. Alles vorbei!

Überblickt man die zahlreichen Berichte der Weltumsegler auf Who-is-Who-im-Weltumsegeln daraufhin, wie sie die Weltreise finanziert haben, wird man feststellen, dass kaum jemand seine Reise um die Welt unterwegs durch zwischenzeitliches Arbeiten finanziert hat. Arbeit ist heute ein kostbares Gut, wovon die meisten Länder nicht mal für ihre eigenen Leute genug haben, erst recht nicht für  Yachtsleute aus einem reichen Land. Also macht Euch keine Hoffnung auf einen Verdienst neben der Weltumsegelung. Yachtsleute sind meist keine begehrten Gäste mehr, sondern sparsame Typen, die beim Geldausgeben sehr zurückhaltend sind und noch dazu Abfall importieren. 

Gern gesehen sind Sie nur, wenn Sie in die Marina kommen, angemessen Liegegeld zahlen und  den Umsatz der umliegenden Geschäfte steigern. Und – nicht zuletzt - nach Ablauf der zugebilligten knappen Aufenthaltsdauer ohne zu zögern weiterziehen. Sehr nachdenkenswert ist die Bemerkung eines alten Fischers in Französisch-Polynesien in einer paradiesischen Bucht, den Karla gefragt hat, warum wir so herzlich empfangen wurden, während sich die Einheimischen gegenüber den Franzosen doch sehr reserviert verhalten haben: "Ihr segelt ja wieder weiter!"

Ich will ja nicht zu schwarz malen: Eine Weltumsegelung ist nach wie vor eine wundervolle Unternehmung, die prägend für ein ganzes Leben sein kann. Aber man sollte, nein, man muss sich so vorbereiten, dass man sich Reise und Leben unterwegs auch gut leisten kann.

Rund um die Erde gibt es eine Reihe von Ankerplätzen, wo, von den Behörden aus Barmherzigkeit geduldet, heruntergekommene Yachten an der Ankerkette zerren, denen man von weitem ansieht, dass es dem Weltumseglerträumer hinten und vorne an Geld  fehlt. Dass er hier hängengeblieben ist und nicht weiß, wie es weitergehen soll.

Ein Erlebnis krieg ich nicht aus dem Kopf: An einem Platz, wo man solche vergammelte Yachten duldet, was bleibt den Behörden sonst übrig, versuchte sich ein hängengebliebener deutscher Yachtsmann, nennen wir ihn "Helge", mit Reparaturen an anderen Yachten. Als ich ihn auf seinem Handy anrief, um zu erfahren, wie weit die Reparatur denn sei, erklärte mir eine fremde Stimme, dass "Helge shot himself yesterday!"

Die Überführung in die Heimat bereitete deshalb Schwierigkeiten, weil nur in der Indischen Kolonie Verbrennungen vorgenommen wurden . Ein anderer Deutscher konnte diese mit Hilfe von Indern schließlich bewerkstelligen. Wie man mir erzählte, würde er, wenn mal wieder ein Yachtleben zu Ende gegangen sei, diese Art der Bestattung auch in Zukunft gegen Entgelt organisieren.

Ich hoffe doch sehr, dass meine Bedenken nicht in den Wind gesprochen sind.

Bobby Schenk 

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