In den Wind gesprochen (66):

Blinde mit dem Blindenplotter(66)

Die regelmäßige Segler-Funkrunde im Gebiet um Trinidad, in Chacuaramas:

Bootsfahrer1: "Habt Ihr schon gehört, heute Nachmittag soll GPS wegen Service-Arbeiten für ein paar Stunden abgeschaltet werden?"

Bootsfahrer2: "O je, was soll ich da machen, ich möchte nach Trinidad segeln?"

Bootsfahrer3: "Wie weit ist denn dorthin?"

Bootsfahrer2: "So um die 60 Seemeilen."

Bootsfahrer4: "Sagt mal, wie lang ist denn eine Seemeile?"

Ehrenwort, die Geschichte habe ich nicht erfunden, sondern hab ich mitgehört. Da die Herrschaften ihrem Akzent nach sicher keine Einheimischen waren, liegt einem die Frage auf der Zunge, wie sie, jedenfalls Bootsfahrer4, es bis dorthin auf dem Seeweg geschafft hatten?

Ohne lang nachzudenken, behaupte ich mal: mit dem Kartenplotter. Und wenn wir mal ganz ehrlich zu uns und unseren Kameraden (Frauen lass ich da mal weg, denn die wären sicher sorgfältiger, wenn sie sich auch nur ansatzweise mal mit Navigation beschäftigen würden) sind, solche Gespräche könnten heute, nach Erfindung von GPS und Kartenplotter überall, in jedem Hafen rund um die Welt, stattfinden. Damit erreichen wir dann immerhin das Navigations-Niveau von Autofahrern mit Tom Tom auf dem Control-Unit im Armaturenbrett.

Schade! Und nicht ganz ungefährlich. Zuviel Häme ist aber nicht angebracht, denn im "professionellen" Bereich ist es auch schon vorgekommen, so beim Volvo-Ocean-Race, dass der Navigator einen ganzen, gut bewohnten Landstrich auf dem Plotter "auszoomt" und dann folgerichtig auf diesen mit Rennspeed aufbrummt - wobei die neun Menschen auf der Rennmaschine zufällig diesen Crash überlebt haben - siehe hier

Nein, der Kartenplotter, der offensichtlich die obigen Funkbrüder erfolgreich nach Westindien oder die VESTAS aufs Riff geführt hat, ist per se ja nichts Schlechtes, sondern eine ganz tolle Erfindung. Und das GPS, dem der Autofahrer, der Pilot und der Segler sein Schicksal anvertrauen, gehört zu den großen technischen Errungenschaften der Menschheit. Übrigens, um die Frage nach der Länge einer Seemeile zu beantworten, hier die Antwort für Autofahrer: "Einskommaachtfünf Kilometer" und für Bootsfahrer: "Exakt eine Breitenminute!" Alles klar?

Denkste!

Nun gibt es nicht ohne Grund, seemannschaftlich, also handwerklich gesehen, das ungeschriebene Gesetz, dass für jedes System, von dem die Schiffssicherheit abhängt, ein Reservesystem, englisch: "backup-system", vorhanden sein muss. Aber gilt das auch für den Plotter oder heute das AIS? Das ist wie immer eine Frage der Risikoabwägung. Gerade auf Hochseeyachten auf großer Fahrt, wo die Mannschaft im Notfall ja ziemlich sicher auf sich allein gestellt ist, sind die Ansprüche an die Sicherheit sehr hoch. Erinnern wir uns: Vor Blauwasserfahrten machen wir uns viele Gedanken um Fragen, die dem Daheimgebliebenen ziemlich egal sind, ja überflüssig erscheinen: "Sollen wir Waffen für eventuelle Überfälle, Morphium für Notoperationen, eine Rettungsinsel für den Schiffsuntergang und so fort mitnehmen?

Ja, aber es ist doch selbstverständlich, dass wir mehrere, wenn nicht sogar viele GPS-Geräte dabei haben, im Plotter, im AIS sowieso, im Handy auch noch. Also sind wir doch vielfach abgesichert?

Ganz falsch!

Noch vor kurzem neigte ich zur der Ansicht, dass heute GPS, oder Galileo, oder Glonass so zuverlässig ist, dass man sich da keine Gedanken zu machen braucht. Inzwischen ist meine Sicherheit irgendwie weggeblasen, nachdem unter anderem mich ein sachkundiger Besucher meiner Webseite auf eine Menge Schwachstellen in den Satellitensystemen aufmerksam gemacht hat. Die Quellen: Videos, die das Unglaubliche darstellen, die Amerikanische Verwaltung selbst, Astronomen, die vor geomagnetischen Stürmen warnen, welche so ziemlich die gesamte Elektronik und damit auch die Laufwege der Satellitensignale stören können. Da ist von Ausfällen des ganzen Systems auf hoher See nicht nur für Minuten sondern für lange Zeit die Rede - siehe Foto, das nur eine von hunderten Fehlermeldungen  zeigt - wahrscheinlich erheblichere Dunkelziffer nicht berücksichtig! Und wer gesehen hat, dass auf dem AIS, das ja von der GPS-Position "gespeist" wird, die Positionen von zahlreichen Schiffen in China offensichtlich von Menschenhand beliebig großräumig verändert werden können, fällt dann schon vom Glauben ab. Gut, dieses "Jamming" ist ja menschengemacht - und sehr selten! Das gleiche hat man von Computerviren bei deren Aufkommen gedacht, und heute hat man es mit Millionen von diesen Schadprogrammen zu tun, die alle(!) PCs dieser Welt gefährden.

Kurzum, wer sich um Notoperationen oder Überfälle auf Yachten Gedanken macht, sollte sich auch auf eine Notoperation in der Navigation vorbereiten. Auf hoher See heißt dann die Notwendigkeit, auch die Position mit Hilfe der Gestirne und Papierseekarte zu bestimmen. Das muß man sich mal vergegenwärtigen: Trotz der vielen, wunderbaren elektronischen Navigations-Erfindungen ist auf hoher See die Astro-Navigation das einzige unstörbare, unzerstörbare Navigationssystem.

Und, weil bald Weihnachten ist, gibt es für den Seemann ein passenderes wertvolleres Geschenk als einen Sextanten?

Unentbehrlich für die Positionsbestimmung auch in der terrestrischen Navigation, aber vor allem mit Sonne, Mond oder Sternen. Und nebenbei: Das(!) Statussymbol für den echten Hochseesegler schlechthin.

Merke: Ein Metallsextant auf einem schicken Holzbrett an der Wohnzimmerwand schlägt jede Rolex am Arm!

Das ist für einige Hochseesegler garantiert nicht in den Wind gesprochen.

Bobby Schenk


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