In den Wind gesprochen (67):

Zeit sparen (67)

Da sind sich die meisten Weltumsegler einig: "Das schönste Revier auf dem Weg um die Welt ist - und war schon immer - die Südsee, speziell Französisch-Polynesien. Das hat auch die statistische Auswertung der Serie "Who-is-who im Welt umsegeln" ergeben  - siehe hier! -  wo sich von 85 befragten Crews nicht weniger als 84, das sind 98 Prozent für "Südsee und Südpazifik" entschieden haben. Für nahezu alle Blauwassersegler war diese Inselwelt das Ziel ihrer Sehnsucht und die Krönung ihrer Weltumsegelung. Und jetzt das: auf vielen Ankerplätzen in den Gesellschaftsinseln ist das Ankern untersagt worden, oder es werden nur wenige Plätze ausgewiesen, auf denen das Ankern - gegen entsprechendes Geld, versteht sich - gerade noch erlaubt ist. Oder man wird auf teure und wenige Moorings verwiesen. So ist Ankern in Bora Bora generell verboten. Und in Moorea, nach Meinung des Altmeisters im Fahrtensegeln Eric Hiscock die schönste Insel der Welt, sind Moorings nur für ein paar Yachten reserviert. Ja, es hat sich viel verändert, seit wir mehrere Jahre auf dieser Trauminsel lebten und segelten. Damals war so etwas wie ein Ankerverbot generell unvorstellbar, weil mit dem Wesen des Fahrtensegeln und der Freiheit auf dem Wasser unvereinbar.

Die Masse machts, und nicht ganz unschuldig an dieser Situation sind auch die Segel-Rallies, wo man gegen entsprechendes Eintrittsgeld für die Benutzung der Weltmeere betreut und vermeintlich sicherer in kurzer Zeit "seine" Weltumsegelung erledigen kann.

Hinzu kommt, dass man auf einer Weltumrundung auf der beliebten Passatroute Französisch-Polynesien kaum vermeiden kann. Das französische Herrschaftsgebiet von der Größe Europas liegt wie ein unüberwindbares Hindernis zwischen Galapagos und Fiji. Wer also dort die Franzosen meiden möchte, muss von den Galapagos, besser noch von Panama aus direkt nach Fiji durchsegeln, macht: 5000 Meilen oder so - am Stück; dann hat er das lohnendste Ziel links liegen gelassen. So allerdings hat sich wohl kaum jemand eine Weltumsegelung vorgestellt.

Aber es gibt einen Ausweg unter Verzicht auf die erhabenen Gesellschaftsinseln (Huahine, Raiatea, Bora-Bora, Moorea). Da liegen nämlich am Eingangstor zur Südsee die Marquesas-Inseln, die Heimat von Paul Gauguin und Jaques Brel. Als wir vor vielen Jahren zum ersten Mal dort im Morgengrauen auf die Reede von Hiva Oa einliefen, waren wir wie erschlagen von der Schönheit, mit der uns die Südsee empfangen hat.

Also warum dort nicht mehr Zeit verbringen, zumal diese Inselgruppe als hurrikansicher gilt. Oder man segelt in die Tuamotus, einst (vor Erfindung des GPS) ein gefürchtetes Revier mit unzähligen Inseln (eine offizielle Zahl nennt 76 Motus), wo man, wie nirgendwo anders "die Südsee" mit ihren liebenswerten Bewohnern  so,  wie sie Jack London sehr plastisch beschrieben und bejubelt hat, erleben kann und wird. Hier mehr Zeit zu verbringen unter Verzicht auf die Touristen-Attraktionen der Gesellschaftsinseln, ist gar nicht das Schlechteste.

Dort wird man auch feststellen, dass die Südsee (nicht Tahiti nebst Nachbar-Inseln) keineswegs überlaufen ist, wie einen manche Zeitgenossen, denen die Trauben zu hoch hängen, glauben machen möchten. Französisch-Polynesien ist, wie gesagt,  von der Größe Europas, und die paar tausend Yachten, die die Marinas in Kroatien überquellen ließen, verlieren sich auf dieser übergroßen Fläche. Und das wird sicher noch ein paar Jahrzehnte so bleiben, schließlich ist dieses Gebiet für den maritimen Massentourismus zu abseits gelegen.

Was man aber dringend benötigt, um den Restriktionen der Französisch-Polynesischen Regierung erfolgreich auszuweichen, ist, man ahnt es schon, Zeit! Viel Zeit. Wer sich eine Weltumsegelung so im Sabbatical von seinem Job abknabbern möchte, hat hier wenig Glück. Und wer sich Zeit nicht leisten kann  und eben eine Weltumsegelung nach Plan in 20 Monaten herunterreißen will, dem wünsche ich trotzdem ein gutes Gelingen, aber meine Sache wärs nicht. Vielleicht sollte man bei der Planung einer Weltumsegelung überlegen, ob man die Arbeit nicht vielleicht früher einstellen kann, um dann mehr Zeit zur Verfügung zu haben. Frage: Muss es denn so ein großes Schiff sein, für das man viel länger malochen muss, oder tun es auch ein, zwei Meter weniger bei der Schiffslänge? Wie wir wissen, kann das gleich ein paar Jahresgehälter ausmachen, die man gegen Zeit eintauschen könnte.

Und eine schöne Zeitreserve ist ohnehin sehr beruhigend. Ist es nicht vernünftig, wie Freunde von mir es machen, statt sich mit den genannten Problemen in Tahiti und Co. rumzuschlagen, für die Hurrikan-Saison nach den Marquisen zurück zu segeln? Kostet allerdings ein Extra-Halbjahr, mindestens. Ist aber gut angelegte Zeit.

So, wie ich diesen Freund auf seinem Katamaran einschätze, wird er während der Zeit in den Marquesas sagen: "Genau jetzt sind die guten alten Zeiten, nach denen wir uns in zehn Jahren zurücksehnen."

Hier hat Peter Ustinow, von dem diese Worte stammen, vernünftigen Seglern sicher nicht in den Wind gesprochen.

Bobby Schenk


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