In
den Wind gesprochen (69):
Segeln wir noch um die Welt? (69)
Yachtie Cyrill, der gerade von September bis Januar auf einem 55-Fuß-Mono von Galapagos nach den Marquesas via Gambier-Inseln gesegelt ist - das sind über den Daumen gepeilt an die 4000 Seemeilen - stellte mir diese Frage. Und ich finde sie durchaus berechtigt:
Längst haben wir unsere Wurzeln als Segler vergessen, haben den Ehrgeiz verloren, auf einem mobilen Untersatz lediglich mit Hilfe des Windes und/oder des Stromes Weltmeere zu bezwingen. Kaum einer von uns kann sich noch an die Zeiten erinnern, als es auf einem Segler verpönt war, die Maschine zu benutzen und man verschämt vom "Hilfsmotor" gesprochen hat. Der war so schwach auf der Brust, nämlich ein bis zwei PS pro Tonne, dass man ihn zu Recht für untauglich hielt, aus Krisensituationen gegen den Wind rauszukommen. Daher der Name "Flautenschieber".
Wie haben sich die Zeiten geändert! Und zwar nicht zum Sportlichen.
Flauten werden grundsätzlich per Maschine durchfahren und der Segler, der mir gebeichtet hat "Ab unter vier Knoten Speed heisst: Maschine an“, ist nicht mal mehr rot geworden. Und bei Hafenmanövern ist die Maschinenbenutzung in zahlreichen Häfen rund um die Welt
ohnehin Vorschrift!
Warum also nicht gleich eine Motoryacht?
Nun, es gibt schon noch ein paar sachliche Gründe für die Wahl einer Segelyacht anstelle eines Motorschiffs : Die
Reichweite des Seglers ist praktisch unbegrenzt - er kann ja, wenn der Sprit zu Ende ist, trotzdem noch weitersegeln – und ein Vorteil, dessen sich nur wenige bewusst sind, auf einem Segelschiff reist es sich um ein Vielfaches bequemer als beim unvermeidlichen Rollen und Röhren schon bei ganz wenig Seegang auf dem Motorschiff.
Ich bin sicher der Allerletzte, der "Zurück zum Segeln" ruft. Aber es gibt einen Punkt, wo sich die Entwicklung des Blauwassersegelns in eine falsche Richtung bewegt: Unsere Blauwasseryachten dienen nicht nur der Fortbewegung rund um die Welt, sondern sie sind auch unsere "Häuser", unsere
Wohnungen. Und da wollen wir möglichst den gleichen Komfort wie zu Hause genießen. Also Heizung, Air Condition, Waschmaschine, Geschirrspülmaschine, Backofen, Kühlschrank, Gefriertruhe, allesamt Luxusgegenstände, die mit Segeln nichts zu tun haben, die aber trotzdem an Bord sein sollten. Verständlich, denn wer wollte nicht so gemütlich wie zu Hause und dabei trotzdem die
große Freiheit auf den Weltmeeren leben.
All das funktioniert aber nur mit Strom, den wir mangels (langem) Kabel zur Küste eben nicht haben, sodass er an Bord gewonnen werden muss. Und der - leider - fast ausschließlich
von Dieselmotoren erzeugt wird. Dass die Diesel, also Hauptmaschine oder Generator, allesamt ihren Abgasdreck ohne Katalysator in die Umwelt schleudern, wollen wir mal für diese Betrachtung ausser Acht lassen, sollten aber auch nicht vom Segeln als der umweltverträglichsten Sportart schwadronieren.
Den meisten, die in der Ostsee von Hafen zu Hafen schippern, was ja auch wunderschön ist, wird diese
Problematik erst dann so richtig bewusst, wenn sie mal einen längeren Törn riskieren und sich auf den Azoren oder Kanaren mit leerem Elektrotank, also sich mit Batterien an Bord mit einer Spannung von unter 11 Volt, wiederfinden.
Gibt es da mit Bordmitteln eine vernünftige Lösung auf einer Segelyacht?
Heizen, elektrisch kochen, braten, Air Condition sind mit üblichen Bordmitteln überhaupt nicht möglich oder aber ein Diesel-Generator oder gar die Hauptmaschine muss mitlaufen – man stelle sich vor: Im Extremfall 40 Pferdestärken für eine Tasse heissen Tee. Kühlung oder Wassermacher sind möglich, wenn die Hauptmaschine eingesetzt wird.
Wer sich über die Dimensionen dieser Problematik nicht so richtig im Klaren ist, für den zitiere ich gern nochmals aus dem Mail von Yachtie Cyrill:
"Auf dem 55 Fuss Mono haben wir zwischen September und Januar (von wohl 400 oder 500 Stunden) den Generator laufen lassen - ich habe den Impeller dreimal ausgebaut und 2 mal gewechselt...Das sind 800 Liter Diesel nur für die Energie, nicht fürs Vorwärtskommen!"
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass viele Besitzer einer Segelyacht zwar spontan sagen können, wieviele
Liter in ihren Dieseltank reingehen, aber lange nachdenken müssen, wenn man sie nach den Quadratmetern der Genua fragt. Irgend wie enttäuschend, oder?
Gibt es eine Lösung des Elektroproblems? Nein, aber es gibt Ansätze. Von den Wind- oder
Schleppgeneratoren wollen wir mal absehen, die eignen sich recht gut für unterwegs, wo wir uns beim Blauwassersegeln bekannterweise - oder soll ichs nochmal vorrechen? - nur zu 20 Prozent der Zeit aufhalten. Nein, der Versuch einer Lösung heißt heute:
"Solarzellen an Bord". Zugegeben -, ich schwärme für sie, denn sie vermitteln einem das Gefühl, von der Natur etwas an
Energie geschenkt zu bekommen, und das ohne jede Gegenleistung, ohne Gestank oder Lärm, und mit geringer Umwelt-Belastung bei der Herstellung. Wunderbar!
Aber, über eines muss man sich im Klaren sein: Solarzellen sind bei Weitem nicht so leistungsfähig, wie manche glauben. Und sie bringen nur dann das Maximum, wenn die
Sonne mittags senkrecht auf das durch nichts (Stagen, Wanten, Leinen etc) abgedeckte Paneel scheint. Vor allem aber wird deren Leistungsfähigkeit durch ihre Anzahl, also durch ihre Fläche bestimmt. Und da liegt der Haken.
Wer mal einen Ankerplatz mit Blauwasseryachten abfährt, wird die abenteuerlichsten Konstruktionen (Geräteträger) auf den Yachten sehen, wo versucht wird, der Sonne möglichst viele Solarzellen entgegenzustrecken. Unübersehbar, dass alle diese Konstruktionen nachträglich den Yachten aufgesetzt wurden und deshalb wenig effektiv und noch weniger elegant integriert wurden.
Für viele erfahrene Blauwassersegler gehören Solarzellen zur
Grundausstattung ihrer Yacht. Deshalb verwundert es, dass bekannte Werften ihre Yachten als Blauwasseryachten anbieten, aber keine Solarzellen von Werft aus einbauen oder den Einbau mindestens anbieten. Yachty Cyrill schreibt hierzu:
„…ich habe letztes Jahr keine neue(re) Amel, Oyster, Disvovery, Dufour oder was auch immer mit Bügel und Solararrangement gesehen.“
Nachträglich die Paneele auf einer Yacht unterzubringen, kann keine
optimale Lösung sein und somit geht von der Natur geschenkte Leistung verloren. Vor allem bei Katamaranen drängt sich der Einbau ab Werft doch auf, denn hier steht Fläche reichlich zur Verfügung, so zum Beispiel auf dem
Cockpitdach, das fast auf jedem größeren Fahrtenkatamaran angeboten wird.
Die Älteren unter Ihnen können sich vielleicht erinnern, wie nach dem Krieg Volkswagen den Automarkt mit den beiden Käfer-Modellen "Export" und "Standard" aufgemischt hat. Die „luxuriösere“ Variante, der Export hat 4200.- Mark gekostet, aber für die Heizung mussten weitere 160 Mark berappt werden – ein Aufpreis, der heute beim Neukauf eines Autos unvorstellbar wäre. Zumindest zum VW-Service-Level im Jahre 1950 sollten es die Werften von Blauwasseryachten bringen und Solarzellen als eingebaute
Grundausrüstung zusätzlich anbieten. Es hilft auch der Umwelt
Ich weiß, es tummeln sich Werften auf dem Markt, die sich auf dem Blauwassermarkt etablieren wollen und für die ist das bestimmt nicht in den Wind gesprochen!
Bobby Schenk
Page by Bobby Schenk
E-Mail: mail@bobbyschenk.de
URL of this Page is www.bobbyschenk.de/n004/inwind69.html
Impressum und Datenschutzerklärung
|
|