Abenteuer KAP HORN (Teil 2)
Helden unter Rahen
von Bobby Schenk
Die Routen um Kap Horn
Im ersten Teil dieser Trilogie über Kap Horn habe ich ausgeführt, dass es drei Möglichkeiten gibt, das Kap zu runden: Die mit Abstand simpelste Methode ist, sich durch die Inselwelt dem Kap zu nähern, auf einem sicheren Ankerplatz nahe der Südspitze von Südamerika gutes Wetter abzuwarten und dann – wie bei einem Küstentörn - am Kap vorbei zu fahren.
Das Kap auf der offenen Strecke von Ost nach West oder von West nach Ost, also südlich von 50 °, zu runden, ist mit einem solchen Küstentörn überhaupt nicht vergleichbar – weder von den immensen Schwierigkeiten, noch von den gewaltigen Risiken her. Denn da hat man nicht die Möglichkeit, sich bei der Annäherung an das Kap nach dem Wetter zu richten. Man muss es nehmen, wie es der Wettergott mit seinen unberechenbaren Launen eben gerade anrichtet. Auf der offenen Strecke wird Schiff und Mannschaft unter Umständen alles abverlangt.
Und genau für diejenigen, die Kap Horn auf der offenen Strecke umrundet haben, also das größte Risiko eingegangen sind, war es meine Absicht, eine Auszeichnung zu schaffen, die den Mut und die Seemannschaft von Schiff und Mannschaft würdigt. Das war der Impuls, einen Kap-Horn-Preis, also den "Bobby-Schenk-Kap-Horn-Award", zu stiften.
Ehre, wem Ehre gebührt
Eine große Rolle spielte für diese Idee das Gedenken an die ehrwürdige „Bruderschaft der Kaphoorniers“, einer Vereinigung von Kapitänen, die mit einem Berufsschiff unter Segel das Kap Horn umrundet hatten. Die Voraussetzungen, den Titel „Kap Hoornier“ tragen zu dürfen, waren streng: Nicht nur, dass dieser ausschließlich für Kapitäne auf Segelschiffen ohne jegliche Antriebsmaschine vorgesehen war, sondern auch, dass der risikolose Besuch von Kap Horn aus einer sicheren Bucht heraus ausgeschlossen war. Nebenbei: Frauen waren als Kap-Umrunder von vorneherein nicht vorgesehen; einen Titel "Kaphoorniere" gab es nicht.
Es wurde deshalb festgelegt, dass einer Auszeichnung durch die Bruderschaft nur eine Kap-Horn-Umrundung würdig befunden werden konnte, die von 50 ° Süd nach 50 ° Süd nonstop gemeistert worden war. Das war eine gefährliche Strecke um das Kap, rund 800 Seemeilen, die ohne Ankern in einer Bucht oder gar in einem Hafen bewältigt werden musste.
Die Fahne im Grab des letzten Kap Horniers beendet eine große Epoche der Seefahrt.
Von den tapferen Kap Horniers, die diese Regel befolgten, lebt heute keiner mehr; der Titel galt ja nur für Kapitäne aus der Berufs-Segel-Schifffahrt. Der letzte echte Kaphoornier, der große Kapitän Hans-Peter Jürgens, nahm 2018 getreu der Vereins-Regel die Fahne der Bruderschaft mit ins Grab.
Und an diese ehrwürdige Tradition will mein Preis anknüpfen. Aber die Anforderungen sollten, weil wir ja Amateure sind, nicht ganz so streng sein. Nicht von 50° Süd nach 50 ° Süd, sondern von 54° 30 Süd nach 54° 30 Süd müssen die Bewerber für den Kap Horn Award segeln, wobei sie einmal das Kap Horn querab haben müssen.
Die Anforderungen sind trotzdem hoch, und ich bin mir im Klaren, dass es nicht leicht sein wird, jedes Jahr einen Preisträger zu finden.
Ein Künstler muss den Preis schaffen!
Für die Schöpfung des Preises habe ich den bekannten Bildhauer Ernst Grünwald gewinnen können. Was nicht leicht war. Ich hatte bei mehreren Künstlern angefragt, aber die meisten von ihnen begriffen gar nicht, was ich wollte. Denn Landratten ist der Ruf von Kap Horn und dessen Mythos oft fremd. Ernst Grünwald ist zwar auch kein Hochseesegler, aber immerhin hat er eine kleine Jolle in seinem Garten am Starnberger See liegen, und er verstand. Ich war froh, dass er den Auftrag übernahm und damit noch genügend Zeit zur Verfügung stand, einen Verein zu finden, der diesen internationalen Wanderpreis in einem entsprechend würdevollen Rahmen verleihen könnte. Und das gelang. Der Verein TRANS OCEAN, Deutschlands größter Segelverein ausschließlich für Hochseesegler, erklärte sich bereit, den Preis als Spende von mir anzunehmen.
Ein Erlebnis für sich war es, zusammen mit Kameraden vom TRANS OCEAN und dem Künstler einen schönen Preis zu kreieren. Schließlich sollte dieser auch den Mythos dieses berühmtesten aller maritimen Schicksalswendemarken rüberbringen.
Atelierbesuch
Mehrfach haben wir den Künstler in seinem Atelier besucht, um den Fortschritt des Kunstwerks zu bewundern und über die weitere Gestaltung zu diskutieren. Meine Vorgabe an den großartigen Künstler war, dass dieser Preis vor allem aus Bronze und um die 50 cm hoch sein sollte. Die fertige Skulptur zeigt nun einen starken Ring aus Bronze, der den Breitengrad von 50° 30 Minuten Süd symbolisieren soll. Der Albatros, das Symbol fürs Kap Horn, der große Vogel der Weltmeere, der die Seelen der verstorbenen Seeleute behütet, breitet seine Schwingen von 54° Süd nach 54° Süd aus. Nebenbei: ob der Vogel durch den Ring fliegend oder nur mit einem Flügel vor dem Ring dargestellt werden sollte, wurde unter Mitgliedern des TRANS OCEAN ebenso leidenschaftlich wie kontrovers diskutiert. Die Mehrheit entschied, wie der fertige Preis zeigt, dass nur eine Flügelspitze vor dem Ring sein sollte.
Es war auch klar, dass der Preis wohl in erster Linie an Segler gehen würde, die das berüchtigte Kap während einer Regatta um die Welt, also zwangsweise, passierten.
Die erste Regatta dieser Art war 1968 ein Rennen nonstop um die Welt, nämlich das Golden Globe Race. Damals hatten es die Segler besonders schwer, weil sie ja ohne Elektronik und nicht auf Yachten mit modernen Rissen unterwegs waren. Es musste also mit Sonne, Mond und Sternen per Sextanten navigiert werden, eine Kunst, die heute kaum noch ein Yachtsegler beherrscht. Übrigens war der erste Sieger bei diesem Rennen der Engländer Robin Knox-Johnston, der auch der erste Sieger überhaupt war, der die Welt nonstop und alleine umrundet hat. Es war selbstverständlich, dass er als Engländer von der Königin zum Ritter geschlagen wurde. Und somit heute noch immer den Titel „Sir“ führt.
Ein Teilnehmer einer Weltregatta könnte der erste Gewinner des Kap Horn Award sein
50 Jahre später wurde dieses Rennen neu aufgelegt. Das Geniale an diesem Unternehmen war, dass es unter den gleichen Bedingungen abgewickelt werden musste wie sie 1968 herrschten. Es musste also mit Sextant navigiert werden, es durften keine Computer benutzt werden, und, besonders schwierig, es mussten Schiffe aus der damaligen Zeit gesegelt werden. Also keine Karbongeschosse oder Rennmaschinen auf Foilern oder Ähnliches, womit die heutigen Rennen viel an Romantik einbüßen.
Gemeldet hatten sich zu diesem Rennen immerhin 30 Teilnehmer. An der Startlinie erschienen nur noch 15, darunter eine Frau Kirsten Neuschäfer aus Südafrika, in der Fachwelt ziemlich unbekannt. Wie sie später einräumte, hatte sie ihre Meldung sieben Monate vor dem Rennen abgegeben, obwohl sie noch nicht einmal über ein Schiff verfügte, geschweige denn eines besaß, das den Anforderungen dieses Rennens entsprach. Und Geld für dieses grandiose Rennen war auch so gut wie keines vorhanden. Sieben Monate musste sie selbst mit gelegentlichen Helfern am alten Schiff werkeln, um es nach ihrem Urteil regattawürdig zu machen.
Eine Headline bestimmte den Preisgewinner.
Ich habe das Rennen von Anfang an nicht verfolgt. Aber eines Tages stolperte ich über eine Überschrift, die da lautete: „die Deutsche Kirsten Neuschäfer aus Südafrika liegt, wohl uneinholbar, an der Spitze des Feldes.“
Ich war elektrisiert. Erst recht, als das Ergebnis dieses Rennens feststand. Ganze drei Yachten von 15 beendeten das Rennen. Und die einzige Frau im Feld, eben Kirsten Neuschäfer, hatte dieses weltberühmte Golden Globe Race gewonnen. Aber nicht nur das, sie trug sich hierdurch in die Segelgeschichte ein, denn Kirsten war es, die als erste und einzige Frau jemals ein Rennen um die Welt gewonnen hat.
Für mich war klar, für meinen Kap Horn Award kam nur Kirsten Neuschäfer in Betracht.
Als wir den Preis, ein Meisterwerk aus Neusilber und Bronze, beim Bildhauer Grünwald abholen durften, waren mein und das Urteil meiner Freunde einmütig: „Es vermittelt eine Ahnung von der Kraft des Mythos Kap Horn"; das Werk war gelungen!
Aber noch musste dieser Preis vom TRANS OCEAN angenommen werden, um von dort auch unter würdigen Umständen an Kirsten Neuschäfer verliehen zu werden.
Per Bundesbahn mit dem 10-Kilo-Preis ans Tor zur Welt.
Und so packten wir den gewichtigen Preis in einen Koffer und fuhren mit dem Zug (ein Flug nach Hamburg wäre mit diesem Handgepäck kaum durchführbar gewesen) nach Cuxhaven zum TRANS OCEAN. Präsident Marcus Wanke (rechts im Bild) hatte die wunderbare Idee, die Übernahme des Preises gleich mit einem würdigen Rahmen zu versehen.
Ein echter Rahsegler mit 34 Kap-Horn-Passagen unterm Kiel lag mächtige 125 Meter lang an der Pier. Welch grandiose Kulisse für die Preis-Übernahme! TRANS OCEAN akzeptierte den Preis, und anschließend wurde vom Stiftungsrat Kirsten Neuschäfer aus Südafrika zur 1. Preisträgerin bestimmt.
Soweit so gut. Eine Preisträgerin, die am Mythos Kap Horn vielleicht ein wenig gekratzt hat, als sie es wagte, in diese Männerwelt einzudringen - noch dazu mit sensationellem Erfolg. Ich fand das wunderbar!
Aber damit, eine Preisträgerin zu bestimmen, war es nicht getan. Ich musste die mir völlig unbekannte Frau Neuschäfer davon überzeugen, dass sie diesen Preis auf dem Fest-Abend des TRANS OCEAN am 18. November 2023 in Cuxhaven nach Möglichkeit persönlich entgegennehmen sollte. Das war keineswegs selbstverständlich, denn inzwischen begann die fast ein wenig scheu wirkende Frau, weltweit grandiose Preise für ihre unvergleichliche Leistung einzuheimsen. Womit sie, die immerhin 12 Männer niedergesegelt hatte, vielleicht doch ein wenig überfordert war. So sollte sie in Malaga nicht nur eine sündteure Uhr - eine Rolex selbstverständlich - überreicht bekommen, als sie von der internationalen Sailing Association zur „Weltseglerin“ gekrönt wurde. Es kam zu Irritationen beim Festkomittee, denn Kirsten Neuschäfer erschien nicht (damit auch keine Rolex) mit der Entschuldigung, sie habe etwas anderes vor.
Und diese Frau Neuschäfer aus Südafrika wollte ich für den TRANS OCEAN und für den Kap Horn Award gewinnen?
Sie können sich vorstellen, es war nicht so leicht, ja ein kleines Abenteuer in der Geschichte des „Bobby Schenk Kap Horn Award“.
Ob mir als Segler aus Binnen-Bayern, der nicht einmal Regatten segelt, gelungen ist, Kirsten für diesen Preis zu begeistern, darüber werde ich im nächsten und letzten Teil dieser Trilogie um Kap Horn berichten.
Hier gehts zum ersten Teil - Abenteuer KAP HORN (1), dem Anfang der Trilogie zurück
Hier gehts zum dritten Teil- Abenteuer KAP HORN (3), dem Ende der Trilogie zurück
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