Mit der Motoryacht
um die Welt?
Folgender Bericht liegt schon eine Weile zurück, aber, ich bin sicher, er wird einige nachdenklich machen. Denn inzwischen haben Christ und Eric Grab die Welt umrundet. Über die beiden findet man im Internet nicht allzuviel, jedenfalls auf Wassersportseiten. Dabei ist Ihre Geschichte durchaus erzählenswert, denn Christ und Eric gehören zu den wenigen Sportlern - ja, so bezeichne ich sie genausowie alle Weltumsegler - , die den Globus per Motor, man muß schon sagen, "ohne jedes Segel" selbst umrundet haben. Nachdenkenswert...
Bobby Schenk
Ein richtiger Segler motort
doch nicht!
Welcher
Blauwassersegler hat sich nicht schon mal während langanhaltender Flauten
gewünscht, eine Motoryacht unter seinem Hintern zu haben? Insgeheim natürlich,
denn motoren ist ja immer noch mit "richtigem" Segeln unvereinbar!
Wirklich?
Schauen wir doch mal zum beliebtesten deutschen
Auslandssegelrevier, dem Mittelmeer. Wie geht es denn da zu, beispielsweise im
Sommer in Frankreich, Italien und an der spanischen Küste? Da wird gleich nach
dem Verlassen des Hafens das Großsegel gesetzt, dichtgeholt und der Motor wird
am Abend nach dem Anlegen im Hafen ausgeschaltet. Das ist die Regel, was
einst den Mittelmeerpionier Claus Krieger zur Feststellung veranlasst hat:
"Es gibt Motorschiffe mit oder ohne Masten"!
Die Zeiten, wo es unter der Würde eines Seglers
war, den Motor zu benutzen, den man übrigens verschämt als
"Hilfsantrieb" bezeichnete, sind längst vorbei. "Unter drei
Knoten" wird die Maschine gestartet, verriet mir vor Kurzem ein
Weltumsegler, und das heißt, dass die Maschine - Segelyacht hin oder her - sehr
häufig zum Einsatz kommt. In manchen Revieren - siehe oben - eigentlich immer.
Sicher kommen alle Blauwassersegler zu ihrer Segelyacht, weil sie seit jeher von der natürlichen Fortbewegung mittels Wind und nicht durch stinkenden Dieselmotor fasziniert, ja damit nicht selten aufgewachsen sind. Aber schadet es, wenn man sich gelegentlich
die Frage stellt, ob auch für den Langzeitsegler nicht gleich ein Motorboot in
Frage kommt? Wobei es sich ganz gut trifft, dass auf dieser Webseite vor allem
von älteren Seglern, denen die Arbeit mit Fallen und schwerem Tuch auf die
Knochen geht und die trotzdem die Ozeane auf dem Wasser queren wollen, die Frage nach
geeigneten Motorbooten gestellt wird.
Ja, da hab ich eins zum Anbeißen, nämlich die KOSMOS. Sie ist ein Passagemaker, also ein Passagen-Macher (ein vortrefflicher Ausdruck für ein Motorboot)
aus dem Hause Pacific Asian Enterprises. eine Nordhavn 43. Wenn wir nur die
Flitzer am Mittelmeer kennen, dann wundern wir uns zunächst, wie ein Motorboot
von nur 13 Metern Länge in der Lage sein soll, mehrere tausend Meilen
zurückzulegen - ohne einen Tankstopp einzulegen wohlgemerkt. Das geht selbstverständlich
nicht mit einem Gleiter, auch wenn der 30 Knoten schnell wäre, denn diese
Gin-Paläste, die an der Cote rumliegen haben allemal keine Reichweite von mehr
als ein paar hundert Meilen. Das Geheimnis bei einem Passagemaker liegt in
seiner Langsamkeit. Bleiben wir bei der KOSMOS: Die schwere nur 105 PS starke
mäßig langsam laufende Maschine hat bei 1600 Umdrehungen einen Verbrauch von
1,8 Gallonen, das sind grob: 7 Liter. Und dabei kommt eine Geschwindigkeit raus,
stark von Seegang und Wind abhängig, von 7 Knoten bis runter auf 3 Knoten.
"Das ist ja auch nicht schneller als eine
gemütliche Fahrtenyacht"!, wird jetzt der eine oder andere Segelfan
triumphieren. Richtig, aber die weiteren Vorteile von so einem Motorboot sollten
nicht übersehen werden: Es gibt ja schließlich auf der Erde, und wir sprechen
hier vom transoceanskippern, weite Gebiete, die bei Seglern wegen der langanhaltenden Windstillen gefürchtet, ja jahreszeitlich gemieden werden -
aber gesucht werden von solchen Motorbooten. Arbeit mit Segeln - Reffen, Wechseln und
Trimmen entfällt und - ja, bald hätten wir es vergessen - , die KOSMOS geht,
wie mir Eigner und Skipper Eric Grab aus den USA versichert hat, auch direkt
gegen den Wind, selbst bei 40 Knoten noch mit 3 Knoten.
Wie sich die KOSMOS in der See im Vergleich mit
einer Segelyacht verhält? Eric, von Beruf Softwareingenieur, kann es mir nicht
sagen: "Ich war noch nie draußen auf einem Segelschiff!" Und warum
dann mit einer Motoryacht um die Welt skippern? Eric und seine Frau Christ
(griechische Abstammung, der Schiffsname deutet darauf hin) wollten eine
Weltreise machen, aber nicht auf die herkömmliche Art mit Flieger und so,
sondern selbst mit einem Schiff und hatten dazu nur zwei Jahre Zeit, also
mit einem Segelschiff, das in viel höherem Maße an Jahreszeiten und vorherrschende
Windrichtungen klugerweise gebunden ist, ohne Krampf kaum zu schaffen. Da kam
ihnen das Angebot eines Passagemakers gerade recht. In Kursen bei der Coast
Guard bereiteten sie sich auf die große Reise handwerklich vor und das Schiff
wurde ihnen in einem intensiven siebentägigen Lehrgang an Bord von
qualifizierten Mitarbeitern der Werft genauestens erklärt. Eine Einweisung wie
sie sein soll, und wie man sich das eigentlich von jeder Werft für die irren
Anschaffungspreise bei Yachten wünscht.
Technik satt auf dem
Passagemaker
Denn Technik gibt es an Bord der KOSMOS reichlich. Dabei schwebt über diesem Thema
ja immer folgende Frage: Was ist, wenn der eine Motor auf hoher See ausfällt?
Das ist eine typische Frage von Seglern, die meist mit ihren mickrigen
Motoren leidgeprüft sind, während ein Autofahrer dies wohl nur selten
hinterfragen würde, weil er es halt mit seinem Toyota, Mercedes, Opel u.s.f.
noch nie erlebt hat. Aber zur Sache: In der KOSMOS tuckert ein überschwerer,
äußerst robuster, marinisierter langsam laufender Landmaschinendiesel, bei
dessen Einbau alles getan wurde, um höchste Zuverlässigkeit zu gewährleisten.
Mit Seewasser, dem Hauptübeltäter für alle Motoren in Segelyachten, kommt er überhaupt nicht in Berührung, das Kühlwasser wird aus
einem geschlossenen (Kiel-)Kreislauf bezogen, ein sauberer Diesel wird über
eine Reihe von umschaltbaren Filtern sichergestellt mit der Möglichkeit, den
Diesel im geschlossenen Kreislauf stundenlang zur Reinigung durch Filter zu
jagen ("polishing"). Und wer weiter an der
Zuverlässigkeit der Maschine zweifelt, den mag beruhigen, dass immerhin 20000
Stunden Maschinenlaufzeit vergehen müssen, bis eine Überholung fällig wird.
Wieviel sind 20 Tausend Stunden? Immerhin das Vierfache von den 5000 Stunden, die
für eine Erdumrundung zu veranschlagen sind. Nebenbei, das fällt mir bei
diesen Zahlenspielereien auf: Es gibt einige Weltumsegler,
"richtige" Segler also, die nach Beendigung ihrer Reise nicht viel
weniger auf dem Betriebsstundenzähler ihrer Maschine drauf haben. Das Geld fürs Rigg - je nach Schiffsgröße zehntausende Euros - hätten sie sich also sparen können.
Trotzdem, was ist, wenn? Auch für diesen extremen
Fall - ein Mastbruch bei einem Segelschiff ist wahrscheinlicher - ist
gesorgt. Die KOSMOS hat eine sogenannte "wing-engine", einen
Vierzylinder Yanmar mit eigener Tank- und Schrauben-Anlage, die den
Schiffsantrieb im genannten Notfall ohne weiteres übernehmen kann, mit
eingeschränkten Performance-Daten.
Bis jetzt haben Eric und Christi noch nicht auf
die wing-engine zurückgreifen müssen, wohl aber, und das sehr häufig auf das
Bugstrahlruder, das das Einparken in der Marina erleichtert. Eric kann
es und bescheiden spielt er runter: "Das Manövrieren im Hafen ist nicht
schwer, weil die KOSMOS zwar ein guter Windfang ist, aber wegen des Tiefgangs
von zwei Metern mit dem Eisenballast nicht so leicht abgetrieben wird."
Sicherheit über alles: 2
Radargeräte, 2 Wassermacher, 2 Maschinen, 2 Satellitensysteme...
Christ und Eric haben inzwischen schon eine Menge Erfahrung gesammelt. Vom Startplatz San Diego ging es gleich mal direkt zu
den Marquesas-Inseln (Südpazifik), immerhin satte 2900 Seemeilen, die die KOSMOS
in 21 Tagen schaffte. Also eine Zeit, die jedem Segel-Fahrtenschiff
bestens gestanden wäre, denn zwischen Nordamerika und dem Südpazifik liegen am
Äquator die Zonen der Windstillen, wo auch hartgesottene Segler gerne ihren an
Deck mitgebrachten Diesel verbrennen.
Dabei sind die Weltummotorer auf
diesem Törn noch nicht mal an die Grenzen gegangen. Denn die KOSMOS führt 1200
Gallonen Diesel mit, also über viertausend Liter. Mit Hilfe von mehreren
mechanischen Tankanzeigen (sehr sympathisch!) nach dem Prinzip der
kommunizierenden Röhren kann Eric den Spritverbrauch auf eine Zehntel Gallone
genau überwachen und schützt sich so vor unliebsamen Überraschungen.
Sag, wie hältst Du es mit der
Seekrankheit?
Wie ist das Seeverhalten? Christ bekennt
ehrlich: "Die Rollerei strengt schon an. Ohne unsere elektronisch
gesteuerten Trimmklappen wäre sie kaum auszuhalten. Als weitere
Trimmmöglichkeit haben wir, wie die Fischer auf den nordamerikanischen Bänken
sogenannte Paravans (dem Danforth-Anker ähnliche Gleitgewichte die mittels
Bäumen auf beiden Seiten im Wasser mitgezogen werden), aber die benutzen wir
nur an rolligen Ankerplätzen, nicht unterwegs. Eric ist da besonders
empfindlich und muss Seekrankheitstabletten - Stutgeron - nehmen, um es
auszuhalten. Kochen würde mir da sehr schwer fallen, so koche ich die meisten
Mahlzeiten schon vor einem Törn und hebe sie in einem der beiden Kühlschränke
oder in dem Tiefkühler auf."
Für Komfort ist auf der KOSMOS also gesorgt,
wenn der Magen mitmacht. Frischwasser liefern zwei Entsalzungsanlagen
und den notwendigen Strom erzeugt eine große Batteriebank (800 Ah) nebst
Solarzellen ("die sind wunderbar") sowie ein 8-KW-Generator. Dass die
Navigationsausrüstung mit zwei Radargeräten und einem Seekartensystem mit
weltweiter Abdeckung von C-Map (selbstverständlich keine Raubkopien!)
überkomplett ist, versteht sich bei dem gesamten Zuschnitt der Reise von
selbst.
Und was kostet so eine
Weltummotorung?
Bisschen
viel Technik? Eric betont, dass es bis jetzt keine erheblichen Probleme gegeben
hat, dass er sich aber um seine Maschinen penibel kümmert. Wenn es also
unterwegs keine Segelmanöver oder auch
Reparaturen gibt, was gibt es da
unterwegs zu tun? "Wir gehen äußerst aufmerksam Ruder, während uns die
Arbeit des Rudergehens der Simrad-Automat abnimmt. Wenn wir dazu aufgelegt sind,
dann schauen wir uns auch gelegentlich DVDs an in unserem Schlafzimmer (mit
Queensize-Bett), das sich
mit einem Handgriff in ein Kino verwandeln lässt."
Die
KOSMOS ist jetzt über ein Jahr alt und zeigt trotz der beachtlichen
Meilenleistung noch kaum Gebrauchsspuren. Das mag an der (von außen gesehen)
hervorragenden Bauqualität liegen, die sich bis in den letzten Winkel des
(klinisch sauberen) Maschinenraums fortsetzt. Die Ausrüstung, die Eric ohne
jede Hochseeerfahrung bestellt und geliefert bekommen hat, lässt auf eine Werft
schließen, die es ernst meint mit ihrer Werbung, echte Passagemaker liefern zu
wollen. So fehlt wohltuend der Krampf mit den sechs oder acht Kojen, die gerne
von unseren Segelschiffsproduzenten in die Prospekte reingeschrieben werden. Die
KOSMOS ist ein Schiff für eine Zweierbesatzung auf Langfahrt mit der
Möglichkeit, eine weitere Person als Crew mitzunehmen. Basta!
Welchen Preis zahlt man nun für die
Unabhängigkeit auf den Weltmeeren? Die KOSMOS kostete komplett 725.000.- Dollar, also umgerechnet an die 550.000 Euro.-. Beim Vergleich,
vor allem unter Berücksichtigung der umfangreichen auf Sicherheit ausgelegten
Ausrüstung, schauen manche "hochwertigen" Segelyachten gleicher Größe aus
europäischer Fertigung gar nicht gut aus. Man könnte da auf den Gedanken
kommen, ...
Aber den sollte man als "richtiger" Segler gleich
wieder fallen lassen.
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