Saildrive oder feste Wellenanlage auf Langfahrten?


Ist der Saildrive eine ideale Antriebsart von Langfahrtyachten?

Nur selten wird der zukünftige Langfahrtsegler die Wahl haben, ob seine Yacht mittels Saildrive oder mit einer Wellenanlage nebst Schraube angetrieben wird. Er wird sich das Schiff anschaffen, das ihm am besten zusagt. Sei es vom Preis her oder aus anderen technischen Gründen. Von der Art des Antriebs her, wird er sich nur ausnahmsweise in seiner Entscheidung beeinflussen lassen. Trotzdem mag es vor allem für den Langfahrtsegler wert sein, sich über den Antrieb Gedanken zu machen, denn eine Kaufentscheidung für oder gegen ein bestimmte Yacht könnte nicht nur davon abhängen, ob sie einen oder zwei Masten hat, ob sie aus Kunststoff oder Stahl ist, sondern auch davon, ob der Volvo oder Yanmar  mit einem Saildrive versehen ist, oder ob eine Wellenanlage an einen beliebigen Diesel-Motor mit Getriebe angeflanscht ist.

Der Vorteil vom Saildrive

Eines vorweg: Ein Saildrive (damit sind alle, direkt an den Motor angeflanschten Getriebe mit Schraube gemeint) hat einen riesigen Vorteil, der ihn vor allem in den letzten 20 Jahren außerordentlich beliebt und populär gemacht hat: Er ist viel billiger und viel weniger arbeitsintensiv in eine Yacht einzubauen als eine herkömmliche Maschine mit entsprechender Wellenanlage. Für die Werft bedeutet das: Ein passendes Motorenfundament achtern in den Rumpf hinlaminieren, eine mittels Schablone entsprechende Öffnung in den Rumpfboden schneiden und Maschine auf die Fundamente setzen und festschrauben. Fertig!

Fluchten der Welle, Maschinenjustieren, Getriebeanflanschen, flexible Verbindung mit der Welle herstellen, deren Lagerung, Stopfbuchse einstellen und mit Schmiernippel versehen - kurzum, alles was zeitaufwendig, manchmal auch kritisch ist, entfällt. Er kommt somit auch der modernen Tendenz vieler "Werften" mit hohen Stückzahlen entgegen, Schiff nicht mehr zu bauen, sondern sie aus Fertigteilen zusammenzusetzen.

Also alles in allem: Der Saildrive ist von großem Vorteil - für die Werft. Und damit, es sei nicht verschwiegen, auch für den Kunden, denn der stark vereinfachte Einbau wird sich auch letztlich im Preis der Yacht niederschlagen.  

Nachteil von Saildrive-Anlagen: Wasserwiderstand

gegenüber Wellenanlagen sind allerdings für Langfahrtsegler schwerwiegend. Viele, auch der Autor, machen sich bei der Anschaffung einer Yacht mit Saildrive(s) darüber gar keine Gedanken. Die komplexe Einheit von Motor und angeflanschtem Getriebe - alles aus einer Hand - vermittelt den Eindruck von Zuverlässigkeit und Gediegenheit. Nun gut, dass der Unterwasserwiderstand eines Saildrives gegenüber eines kurzen Stücks Welle mit Schraube höher ist - und damit wenige Zehntel Knoten Geschwindigkeit kostet, darüber kann man ja noch wegsehen, eventuell mit einem (sündteuren) Faltpropeller noch ausgleichen. Auch dass die Position der Schraube millimetergenau durch die Platzierung der Maschine vorbestimmt ist, lässt sich in Kauf nehmen, schließlich hat das der Konstrukteur sicher berücksichtigt.

Der Haken, nein die Haken, liegen ganz woanders. Zum ersten schreiben die Motorenhersteller regelmäßige Ölwechsel (mindestens jährlich) vor. Und zwar mit Ölen, die in weiten Teilen der Welt schlicht unerhältlich sind. So hab ich mir in Singapur, nicht gerade eine zivilisatorische Wüste, die Füße wundgelaufen, um die paar Liter Getriebeöl für die Saildrives aufzutreiben - vergeblich. Und warum ein regelmäßiger Getriebeölwechsel überhaupt vonnöten ist, ist unerfindlich, wenn ich ganz normale Autos denke. Wann haben Sie bei Ihrem PKW das letzte Mal das Getriebeöl wechseln lassen? Wahrscheinlich noch nie! Und dabei ist die mechanische Belastung bei einem Auto im staubigen Straßenverkehr mit Zigtausenden von Schaltvorgängen eine immense - gegenüber der Belastung eines Yachtgetriebes, das 95 Prozent der Zeit mit immer gleichbleibender Drehzahl dahin orgelt. 

Ölwechsel nur auf dem Trockenen

Aber jetzt kommts ganz dicke: Zum jährlich vorgeschriebenen(?) Ölwechsel muss die Yacht aus dem Wasser! Denn die Ölablassschraube befindet sich an der tiefsten Stelle der Antriebseinheit, also in einem halben oder ganzen Meter unter Wasser. Das trifft den Langfahrtsegler meist hart und er hat dies wahrscheinlich auch zu Beginn der Reise nicht bedacht. Das Problem: Viele Langfahrtsegler strecken die Zeit im Wasser, nicht nur wegen der Kosten fürs Antifouling und den Slip, sondern auch, weil halt gelegentlich keine geeignete Slipmöglichkeit auf der jeweiligen Südseeinsel zur Verfügung steht. Probleme mit der nachlassenden Wirkung des Antifoulings dagegen lassen sich leicht mit Schnorchel, Bürste und Maske auf vergnügliche Art lösen. Künstler bringen es da schon mal auf 5 Jahre im Wasser. Aber eben nur dann, wenn sie keinen Saildrive im Schiff haben oder auf die vorgeschriebenen(!) Ölwechsel verzichten  - wie mir mal ein erfahrener Schiffsmechaniker  geraten hat ("Wann hast Du das Getriebeöl in Deinem Auto zum letzten Mal gewechselt?")

Wasser im Getriebe

Wenn die Yacht nicht mit einer simplen Wellenanlage ausgerüstet ist, sondern mit einem modernen Saildrive ergeben sich mit großer Wahrscheinlichkeit noch andere, viel ernstere Schwierigkeiten: Selten bleiben diese Antriebseinheiten  nämlich für immer so dicht, dass kein Seewasser unter dem Simmering in das Getriebe eindringen kann. Kann bei langen Standzeiten, aber auch bei übermäßiger Laufbeanspruchung, sowie bei mechanischer Belastung (Leine in der Schraube) passieren. Fast jeder Inhaber eines Saildrives wird es einmal erleben, wenn er den Ölstand im Getriebe prüft. Statt einer durchsichtigen klaren Flüssigkeit (Foto linke Flasche) findet er auf dem Messstab eine graue majonaisenartige Masse (Foto rechte Flasche) vor. Die nichts anderes bedeutet: Seewasser im Getriebe. Und zu was das führen kann, kann man sich leicht bei der Vielzahl von verschiedenen Metallen in einem solchen Saildrive vorstellen. Will man nicht in Kürze durch Korrosion seinen Antrieb gänzlich verlieren, dann muss (!) das Schiff aus dem Wasser, damit man die Mayonnaise gegen sauberes Öl tauschen und die Schraubenwelle wieder (durch neuen Simmering und ähnlichem) 100%ig gegen Seewasser abdichten kann.

Auf meiner THALASSA, einem Katamaran mit zwei Saildrives, bin ich mal in eine solche Situation gekommen: Wasser im Steuerbord-Saildrive! Der nächste ausreichend dimensionierte Travellift, das breite Schiff aus dem Wasser zu holen, ungefähr 500 Meilen entfernt, am anderen Ende der Malacca-Straße. Mit einem Trick von meinen genialen Funkkameraden ist es mir gelungen, unter Wasser das verdreckte Öl gegen sauberes zu tauschen. Diese Aktion hatte aber nur den Zweck, den Saildrive mit sauberem reinen Öl stillzulegen und damit zu retten, bis viel später eine Möglichkeit vorhanden war, das Schiff an Land zu bringen, um die nötige, auf dem Trockenen recht einfache, Reparatur durchzuführen - siehe hier!

Zinkanoden regelmäßig tauschen!

Ein Saildrive hat aber noch mehr Schikanen auf Lager. So sollten die Zinkanoden, die die empfindlichen Aluminium(!)-Schraube vor der zerstörerischen Korrosion durch zahlreiche edlere verschiedene Metallteile schützen sollen, regelmäßig erneuert werden. Ein leichter Job, selbst für Laien durchführbar, wenn er in der Lage ist, die Schraube vorher zu entfernen. Aber eben nur an Land. Ich hab in einigen Häfen Taucher getroffen, die sich ein erkleckliches Zugeld damit verdienten, dass sie den Austausch im Wasser vornahmen und damit die Eigner von der Notwendigkeit entlasteten, für viel Geld das Schiff zu kranen oder zu slippen.

So oder so: Der Alu-Propeller ist nach einigen Jahren verbraucht und sollte dann ausgetauscht werden.

Eine Gummimembrane verhindert das Absaufen der Yacht!

Die Liste der Schwachpunkte eines Saildrives ist aber damit noch nicht zu Ende. Nur wenige machen sich darüber Gedanken, dass die Abdichtung um die Unterwassereinheit des Saildrives im Wasser herum lediglich durch eine Gummimembrane erfolgt, die in bestimmten Zeitabständen, zum Beispiel nach sieben Jahren - so das Service-Heft  - erneuert werden muss(!). Und wer lässt hier schon mal fünfe gerade sein, wenn sich der Motorenhersteller im Falle des Falles auf schlechte Wartung berufen könnte.

Zu deutsch: Ein Stück Gummi verhindert das Absaufen des Schiffes. Zugegeben: Solche Zwischenfälle sind selten, aber der Gedanke ist nicht angenehm, wenn man sich den nicht ganz unwahrscheinlichen Fall vorstellt, dass die Schraube ein mit scharfen Muscheln besetztes Seilstück einfängt, das - jedenfalls für kurze Zeit - gegen die Gummimembrane hackt.

Jahrelange Erfahrungen hab ich mit beiden Systemen gesammelt, mit einer konservativen Schraubenanlage und mit Saildrives. Die Wellenanlage, im Einbau nicht gerade billig, erforderte lediglich, dass gelegentlich etwas Fett in die Stopfbuchse gepresst wurde. Nach acht Stunden Laufzeit hatten sich vielleicht eine Tasse Seewasser unter Buchse angesammelt. Das war es aber auch schon an Problemen. Per Schnorchel kontrollierte ich von Zeit zu Zeit die Schraube auf Elektrolyse, die dank der nahebei angeschweißten Zinkanoden nicht feststellbar war. Und der Muschelbewuchs war leicht mittels hartem Gegenstand zu entfernen, ohne dass Scharten auf dem Propeller  zurückgeblieben waren. Auf die Idee, wie auf meinem Kat Ersatzschrauben mitzuführen, bin ich nie gekommen.

Ich hab zwar nie darauf zurückgreifen müssen, aber einige Male hab ich doch erlebt, dass auf anderen Schiffen die Welle gezogen werden hat müssen. Sei es, um Unwuchten zu beseitigen, sei es, weil sich der Eigner einen besseren (Falt-) Propeller eingebildet hat und den lieber im Trockenen montieren wollte. Oder auch das Getriebe auszubauen hatte. (Kennen Sie jemand an dessen PKW das Getriebe ausgebaut werden hat müssen?) Ein größeres Problem war es nie, am Ankerplatz die Welle unter Wasser zu ziehen, vor allem dann, wenn mit Tauchflasche, Freediver oder ähnlichem in Ruhe gearbeitet werden konnte. Damit waren Slipkosten und Krankosten schon mal gespart, wenn derartige Anlagen überhaupt vor Ort vorhanden waren.

Kaum jemand wird in der Praxis je vor der Alternative stehen: Wellenanlage oder Saildrive. Man wird halt die Yacht bestellen oder kaufen, die einem am besten zusagt. Aber letztendlich wird man sich dann auch mit einem speziellen Antrieb abfinden müssen. Mit beiden Antrieben ist der "normale" Küstensegler, der sein Schiff über den Winter ohnehin rausholt, gut bedient. Der Blauwassersegler sollte jedoch die Schwachstellen des Saildrives kennen, damit er sich dementsprechend von Antritt einer Langfahrt darauf einrichten kann.

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