Weltumsegler
und TO-Preisträger Manfred Jabbusch (siehe Who-is-Who im Weltumsegeln
und Segeln im Grenzbereich) erlebte
hautnah, was sich kein Segler in seinen schlimmsten Alpträumen ausmalen möchte,
dass nämlich – weit draussen auf hoher See, im Nordatlantik – seine
Segelyacht dabei ist, ihm unterm Hintern abzusaufen und kaum Chancen auf Rettung
bestehen. Eine Katastrophe, die er mit Wissen und Können, aber auch mit
entsprechender Vorbereitung und Hilfe von aussen glücklich überlebt hat.
Entscheidend für die Hilfe waren die besonnene Frau Manfreds, die amerikanische
Coast Guard und – das ist für mich der entscheidende Denkanstoß für zukünftige
Hochseetörns - ein Iridium-(Satelliten-)Handy. Während Manfred noch lange an den
psychischen Wunden aus diesem Ungück zu knabbern haben wird, gibt dieses
Seedrama uns Gelegenheit, Lehren daraus zu ziehen. Sie könnten für jeden
Hochseesegler einmal lebensrettend sein.
Weltumsegler
Manfred Jabbusch knapp dem Tode entronnen.
von
Marianne Jabbusch
Manfred
nahm das Angebot eines Freundes an,
dessen erst drei Jahre alte Segelyacht EVA, eine Hunter 45 (16 m lang), von
Florida, St. Augustin über den Atlantik nach Griechenland zu segeln –
nach einer Weltumsegelung und einem Teufelstörn durch die Brüllenden Vierziger
mit einer 35-Fuß-Hallberg Rassy eine neue Herausforderung. Mit
an Bord ein Freund des Eigners, Heinz, der schon viele Meilen mit Manfred und
auch auf eigenem Kiel gesegelt ist. Die beiden flogen Mitte April nach St.
Augustin, um das ihnen bis dahin unbekannte Schiff für diesen neuen Törn
vorzubereiten, wobei ihnen der hierfür extra eingeflogene
Eigner bestens half.
Am
24. Aprilsstartete die SY EVA in Richtung Azoren – ihrem geplanten ersten
Stopp nach 2700 Seemeilen. Aber schon nach 4 Tagen und gesegelten 1000 Meilen
fielen der für so lange Reisen unbedingt nötige Autopilot, sowie das
GPS-System aus. Manfred und Heinz brachen erst mal die Reise ab und fuhren 310
Meilen zurück nach New York Harbour, dem nächstgelegenen Nothafen, um dort in
der Atlantic Highlands Marina alles reparieren zu lassen.
Dazu
mussten die beiden drei Tage und drei Nächte per Hand Ruder gehen, jede Stunde
wurde abgewechselt – eine gewaltige Anstrengung unter höchster Konzentration,
begleitet von Stürmen, hohen Wellen, viel Regen und der bitteren Kälte des
Nordatlantiks!
Schon
bei diesem Vorfall hatte ich die Seenotrettung (MRCC) in Bremen informiert, da
ich - außer einem kurzen Anruf von Manfred über das Iridium-Satellitentelefon -
nichts mehr von den beiden gehört hatte, ich also auch nicht wusste, ob meine
aus dem Internet herausgesuchten Positionsangaben von diversen Marinas im Raum
New York Harbour auf dem Schiff angekommen waren. Bremen informierte mit allen
schnell zusammengestellten Infos über das Schiff und die Mannschaft die
amerikanische Coast Guard, welche einen Rundruf startete. So wurde die
Segelyacht EVA von einem Schiff auch gefunden und über UKW-Funk angesprochen
und Hilfe anboten - Kameradschaft auf See eben! Da die Yacht aber inzwischen schon ca. sechs Stunden vor New
York Harbour war, kam sie, die letzten Meilen unter Motor, dort gut an. Nach den
umfangreichen Reparaturen startete die EVA am
8. Mai mit Ziel Faial auf den Azoren. Nun sollte man ja meinen, so ein
Zwischenfall reicht, aber es sollte noch viel dramatischer kommen.
Zwei
Tage segelte EVA bei schlechten, aber trotzdem nicht beängstigenden
Wetterbedingungen. Am Abend des zweiten Tages refften Manfred und Heinz
die Segel zur Nacht bis auf ein Minimum. Damit konnte EVA bei den
sechs bis sieben Windstärken raumschots mit
fünf bis
sechs Knoten gut segeln, ohne das Schiff zu sehr zu belasten.
Und
dann der Schock!
Um
07.30Uhr am frühen Morgen des 10. Mai muss das Schiff vermutlich von einer
Monster- oder auch Riesenwelle, genannt "Freak Wave" getroffen worden sein.
Zu
diesem Zeitpunkt waren beide Segler
unter Deck. Heinz hatte Freiwache und schlief in der Achterkoje. Manfred hatte
die Frühwache von fünf bis acht Uhr. Er war gerade vom Cockpit in den Salon
gestiegen und machte am Navigationstisch Eintragungen in das Logbuch, als eine
See das Schiff vollkommen überraschend
mit geradezu gigantischen Kraft und infernalischem Lärm traf. Die EVA wurde derart auf
die Seite geschmettert, dass der Kiel offensichtlich nach oben zeigte.
Unerwartet
richtete sich EVA zwar zum Glück nach einigen Sekunden wieder auf. Aber durch
den Druck der gewaltigen Wassermassen brach der Mast. Dabei wurde der
Maststumpf aus seinem Fundament gehoben und drang mit unglaublichem Lärm -
alles zerstörend - in das Deckshaus ein. Tonnenweise drang Wasser durch die
zerstörten Fenster, Luken und Wunden des stark zerstörten Deckshauses in das
Schiff ein.
Durch den Kopfstand wurde alles im Schiff umher - von unten nach oben und zurück
- gekehrt. Nichts blieb an seinem Platz, weder die Bodenbretter noch der riesige
Salontisch, der Computer samt Drucker, das Geschirr, die Inhalte der Kühlschränke,
Lebensmittel und Bücher. Alles flog durch die Gegend und mittendrin Manfred. Er
wurde bei seinen Flügen durch den Salon offensichtlich von einigen Gegenständen
hart getroffen und fand sich, kurzzeitig bewusstlos, auf den umher
geschleuderten, durchnässten Matratzen liegend wieder, die auf dem Boden im
Salon gelandet waren.
Im
Cockpit das Chaos! Alles war zerstört. Sprayhood, das
Bimini, ja selbst das Brückendeck, der Cockpittisch und das Navigationsdisplay
waren weg gerissen und teilweise über Bord gespült worden. Es
sah fürchterlich aus. „So ähnlich muss es nach
einem Tsunami aussehen, von dem wir 2004 in Phuket ja verschont geblieben
waren“, beschrieb Manfred das Disaster hinterher. Zum
Glück hielt er sich während des Unglücks nicht im Cockpit auf, denn dann wäre
er bestimmt auch mit über Bord gerissen worden! Sein Schutzengel hat gute
Arbeit geleistet!
Durch
die Zerstörungen wurde auch der Cockpitboden aufgerissen. Massenweise drang
Wasser in die Kabine von Heinz ein.
Dort
wachte der, völlig überrascht, in Salzwasser untergetaucht auf, wusste gar
nicht, was passiert war und dachte zu Tode erschrocken „Nun hat mein letztes
Stündlein geschlagen“. Glücklicherweise hat er den Tauchgang unverletzt überlebt.
Als
Heinz in den Salon kam, fand er den vor Schmerz schreienden Manfred vor, der
bewegungslos und total durchnässt am Salonboden lag. Auf den ersten
Blick war mit schweren Verletzungen, Brüchen oder gar einer Lähmung zu
rechnen.
Als
erstes kümmerte sich Heinz erst einmal um Manfred, räumte dann ein bisschen
den chaotisch aussehenden Salon auf und etwas später, als Manfred es schaffte,
sich vorsichtig zu bewegen, begutachteten beide entsetzt den entstandenen
Schaden:
Der
gebrochene Mastteil hing mit Vorstag und Großbaum backbord im Meer. Mit jeder
Welle krachte er gegen den Rumpf und drohte jeden Moment ein Leck in ihn zu
schlagen. Der Maststumpf zermalmte mit jeder Welle mehr und mehr das Deckshaus.
Die elektrischen Geräte sowie die Bilgenpumpe funktionierten alle nicht mehr,
da die Batterien teilweise unter Wasser standen. Mit jeder Welle drangen
hunderte Liter Wasser in das Schiff. Von
fünf GPS-Geräten hatte eines überlebt, dazu das UKW-Funk-Handgerät und das
Satellitentelefon, welches zum Glück in seiner Aufhängung trocken geblieben
war. Damit konnte Manfred wenigstens kommunizieren.
Die
so brutal mißhandelte EVA war nicht mehr manövrierfähig, Sie war
quasi ein Wrack, das willenlos auf der aufgewühlten See torkelte. Manfreds
Verletzungen waren nicht konkret zu diagnostizieren. Deshalb beschloss Manfred um
10.00 Uhr den internationalen Notruf Mayday (SOS) abzusetzen - zunächst
über UKW und danach über das
Satellitentelefon.
EVA
trieb nunmehr auf 39°20.16’N und 068°58.266’W, ca. 300 Meilen östlich New York
und 150 Meilen südlich Cape Cod.
Manfred
rief dann über das Iridium-Handy den Eigner in Deutschland an, der sofort den Notruf an die
Seenotrettungsstelle in Bremen (MRCC) weitergab. MRCC-Bremen koordinierte nun
alle notwendigen Maßnahmen, alarmierte die für diese Position zuständige
amerikanische Küstenwache und stand dann auch mit Eduard, dem Eigner und mir in
ständigem Kontakt. Manfred konnte in der Wartephase, aus dem treibenden Schiff,
sogar direkt mit mir, wiederum übers Satelliten-Handy telefonieren – was mich und alle anderen beruhigte.
Um
15.30 Uhr erhielten Manfreds Angehörige und ich, die wir am Telefon ausharrten, endlich die erlösende Nachricht, dass ein Flugzeug der Coast Guard die EVA
gesichtet und Kontakt aufgenommen hatte. Kurze Zeit später, gegen 16.10 Uhr,
traf der Rettungs-Hubschrauber der Coast Guard an der Unfallstelle ein. Wind und
Wellen hatten noch zugelegt, die Sicht war durch den vom Golfstrom aufsteigenden
Nebel sehr begrenzt. Unter diesen schwierigen Umständen, weit draußen von der
Küste entfernt , wurde Officer Randy Rice, Rettungsschwimmer und Chef der
Rettungsmannschaft, zum Schiff herabgelassen und kam an Bord der EVA. Mit seiner
Hilfe wurden beide Segler in einem gefährlichen, aber sicher durchgeführten
Manöver an einem Seil mit einem Rettungskorb an Bord des Helikopters gehievt.
Manfred
erlitt dabei noch einmal große Schmerzen, da er – wie er es selbst ausdrückte
– „zusammengefaltet“ werden musste, um in den Korb zu passen. Die
wichtigsten Dinge, wie Reisepässe und Schiffspapiere hatte er zusammengepackt, während
Heinz nicht einmal mehr seine Brieftasche fand, die wahrscheinlich, wie noch
viele andere Dinge, irgendwo herumschwamm oder über Bord gespült worden war.
Heinz hatte nur noch nasse Sachen und war außer einer nassen Unterhose unter
dem Segelanzug nackt.
Für
die Rettungscrew und die Schiffsbesatzung war nichts mehr zu tun, schließlich
mußte bei der weiten Entfernung zur Küste der Treibstroff für einen 2 Stunden
langen Rückflug reichen. So mußte das schwer zerstörte, manövrierunfähige
Schiff unbemannt treibend
auf dem Atlantik zurückgelassen werden - eine schwere Entscheidung für Skipper Manfred
und Heinz. Sie sahen die EVA unter sich auf dem offenen Atlantik treiben, während
der rettende Hubschrauber abdrehen musste. Einen Transponder auf das Wrack
abzusetzen, um die treibende Yacht später wieder aufzufinden, war der
Helibesatzung wegen des knapp werdenden Treibstoffs nicht mehr möglich.
Die
Gedanken von Manfred, als sich der Hubschrauber von der Unfallstelle entfernen
mußte und er unter sich die havarierte EVA sah, lassen sich in diesem Augenblick von jedem Segler
nachempfinden: „Da treibt sie, das schmerzt und es tut weh, schließlich ist
ein Schiff für einen Segler wie eine Geliebte. Muss man sie verlassen, denkt
man an die schönen Stunden mit ihr und will sie am liebsten wieder zurück.“

Zwei
lange Stunden dauerte der Rückflug nach Cape Cod zur Zentrale der Coast Guard.
Die Retter haben sich in vorbildlicher und fürsorglicher Weise um die beiden
gekümmert. Dafür sei ihnen ewiger Dank gesagt!
Die
Coast Guard-Ambulance brachte die beiden stark unterkühlten Segler in das
Falmouth-Hospital, wo sie sofort bestens versorgt wurden. Heinz bekam trockene
Sachen und Manfred wurde gründlich untersucht. Die
Verletzungen waren Gott sei dank weniger schlimm als befürchtet. Insbesondere
waren keine Lähmung oder ernsthafte Verletzungen am Rückgrat festzustellen.
Aber die schmerzhaften Prellungen am ganzen Körper erinnerten noch tagelang an
die Katastrophe.
Dass
gleich danach ein Ansturm von Presse und Fernsehen auf die beiden losging,
erleichterte Manfred und Heinz ganz offensichtlich das Verkraften aller
Ereignisse, denn beim immer wiederholenden Erzählen konnten sie das fürchterliche
Erlebnis zu „verarbeiten“ beginnen.
Drei
Tage später traten sie den Rückflug von Boston über Dublin nach München bzw.
Wien an – sehnsüchtig von allen erwartet.
Der
Presserummel anschließend war gewaltig, wie z.B. der folgende Link zeigt:
http://m.merkur-online.de/lokales/fuerstenfeldbruck/segler-oberbayern-riesenwelle-erfasst-1262197.html
Wer mehr über die Jabbuschs wissen will - hier ist Ihre Webseite: www.white-witch.de
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