Wir
haben die Pest an Bord
Sagen Sie nicht, das geht mich nichts an. So dachte ich auch
mal!
Es sind böse Nachrichten, die uns da erreichen. Für
alle Segler, in deren Yachten eine
"eiserne Genua", oder wie wir unseren Diesel auch immer humorvoll
nennen wollen, schlummert. Denn mal ganz ehrlich -
und dessen muss sich ja keiner schämen - ohne
Maschine sind wir mit unseren unter diesen Gesichtspunkten viel zu großen
Yachten, die eben nicht mehr gerudert werden können, total aufgeschmissen. Denken wir daran: Es gibt
Häfen und Marinas, in denen Segelmanöver schlicht verboten sind. Und viele von
uns kennen das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn in der Nähe der Grossschifffahrt
mal unsere Maschine bei Flaute aus welchen Gründen auch immer nicht anspringen
will. Irgendwie beschleicht
einen dann das Gefühl: "Zum
Abschuss freigegeben."
Aber, so werden wir uns beruhigen: Unsere Diesel sind ja
ausserordentlich zuverlässige Maschinen, die werden uns schon nicht im
Stich lassen. Doch!
Christoph Rassy, der Begründer der
Weltfirma Hallberg-Rassy, einer Schiffswerft, die gerade unter den
Langfahrtseglern einen guten, wenn nicht den besten Namen hat, wollte sich mit
über 70 Jahren nach einem arbeitsreichen Leben den großen Törn, also eine
Weltumsegelung geben und bat mich um ein Gespräch, einen
Erfahrungsaustausch. Umso verwunderter
war ich, als sich die ganze Unterhaltung nur darum drehte, wie denn das mit dem
Diesel sei. Ob
man überall sauberen Diesel bekomme?
Oder ob es da Probleme rund um die Welt gäbe? Ich glaub, ich habe ihn beruhigt.
Und das war ganz falsch.
Allerdings, und das zu meiner Entschuldigung, hatte ich bis
dahin noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Verunreinigter Diesel, das war in
meiner Segellaufbahn über mehrere Jahrzehnte kein Thema. Auf unserer
Weltumsegelung hatten wir für unseren 20-PS-Faryman den Tank mit seinen
100 Litern halt überall aufgefüllt, wo wir den Brennstoff bekommen konnten.
Ohne große Filterei. Und nicht ein
einziges Mal musste ich bei den rund 2000 Stunden
den Vorfilter reinigen. Allerdings hatte ich den (Kunststoff-)Tank ein paar Mal
leer gemacht und durch die großen Mannlöcher ausgeputzt. Den 1000-Liter-Tank,
aus dem der 100-Liter-Tagestank (siehe Bild) für den MAN-Diesel gefüttert
wurde, habe ich bis Tahiti nicht
ein einziges Mal inspiziert, was technisch auch gar nicht so leicht möglich gewesen wäre.
Erst nach ein paar Jahren hab ich mich in Tahiti um den Inhalt gekümmert, indem
wir auf dem Trockenen unten im Kiel ein Loch bohrten und den Sumpf
abließen. Das war vor ein paar Jahrzehnten,
und ich hab jedes Mal gelächelt, wenn auf
den Funkrunden unter den Langfahrtseglern immer öfter das Stichwort von der
"Dieselpest" zu hören war. Das
Gerede hat mich nicht weiter irritiert, denn
einer der Vorteile eines Fahrtenkatamarans ist ja, dass er nicht nur auf zwei
Beinen steht, sondern dass meist zwei Maschinen für den Antrieb sorgen. Wenn
also die eine...
Ein halbes Jahr lagen wir in einer
Marina und brav hatte ich jede Woche mal die Maschine laufen lassen. Bleierne
Flaute, das ist wichtig für die folgende Geschichte, empfing uns, als wir nach
dem Abschied aus Tahiti Kurs auf die 60 Seemeilen entfernte Insel Huahine
nahmen, um im Morgengrauen durch die große Passeinfahrt zu schlüpfen. Von dort
wollten wir nach ein paar Meilen innerhalb des Riffs einen uns bekannten
Traumankerplatz aufzusuchen. Ohne den Gashebel berührt zu haben, ging auf der
offenen spiegelglatten See der Drehzahlmesser für die Backbord-Maschine von den
üblichen 1800 RPM auf 1200 zurück und wollte auch nicht mehr ansteigen,
als ich den Hebel auf den Tisch legte. Nach ein paar Minuten dann der
Stillstand. Kein großes Problem, schließlich schnurrte der andere Motor ruhig
weiter! Und vor allem kein Anlass, sich jetzt,
mitten in der Nacht, die Filter anzusehen, gar aufzumachen. Da würde morgen am
Ankerplatz noch genügend Zeit sein. Am helllichten
Tag passierten wir dann den Pass und setzten bei Flaute unsere Fahrt innerhalb
des Riffs fort: Bis schließlich auch der zweite Motor seinen Dienst
quittierte. Jetzt wars mit der Gelassenheit vorbei. Kein Hauch Wind zum Segeln,
50 Meter an Steuerbord hellgrünes Wasser,
also nur ein paar Dezimeter Tiefe,
und dahinter der weiße Schaumstrich des Riffs,das deutlich raunte. Im Moment
wohl nicht gefährlich, aber die Vorstellung, dass die Strömung uns in Richtung
Riff setzen könnte, war doch sehr beunruhigend. Wir
hatten Angst um unser Schiff.
Glücklicherweise
waren unsere Freunde
von der HARLEKIN schon auf dem ersehnten Ankerplatz und auf Empfang. Ein
gutes Gefühl, als wir sie zu unserer Hilfe entgegen kommen sahen. Nach dem
Fallen des Ankers machte sich der bekannt hilfsbereite Norbert ("Norbert
repariert alle Schiffe am Ankerplatz, zum Leidwesen von Ingrid nur sein eigenes
nicht") an die Maschine und öffnete die Filter für die Dieselzufuhr. Er fand alle sauber, im
Topzustand,
vor. Aber aus den Treibstoffleitungen kam kein Diesel. Verstopft waren sie von
einer schwarzen, krisseligen Masse, die man zwischen den Fingern zermahlen
konnte. Dieselpest!
Ab da nahm ich das Gerede sehr ernst und erfuhr in Australien,
dass dieses Problem dort längst aktuell war und mit dem bösen, aber treffenden
Namen "black death", also schwarzer Tod, bezeichnet wurde.
Was "Dieselpest" ist, kann man im Internet auf
zahlreichen Seiten nachlesen. Kurz gefasst: Es sind Mikroorganismen (Bakterien),
die besonders bei Gegenwart von Wasser gedeihen und sich vermehren. Wenn dann
ausreichend Mikroorganismen in Form von Schlamm vorhanden sind,
kommt es meist
in Fahrt durch Aufwirbeln
- kann aber auch
bei Flaute passieren, siehe oben – zum Verschluss
von Leitungen oder zum Zusetzen von Filtern.
Das Problem hat sich seit einigen Jahren spürbar verschlimmert,
seitdem aus Umweltgründen dem normalen Diesel-Kraftstoff 2 % Biodiesel (=FAME)
beigemischt wurde, der das Wachstum dieser bakteriellen Mikroorganismen
begünstigt. Und es kommt, weil in naher Zukunft der Anteil von Biodiesel
auf 7 % erhöht wird, noch ärger.
Diese Zahlen erschrecken: In Kroatien wurden die Tanks der
dortigen Yachten in einer Marina untersucht, wobei festgestellt wurde, dass rund
80 Prozent der Tanks infiziert waren. Eine ähnliche Testreihe wurde in einer
Marina an der Ostsee durchgeführt, wo sich vergleichbare Prozentwerte
an Tankinfektionen ergaben. Bei
manchen waren die Pest-Anteile im Tank so dramatisch,
dass demnächst mit einem Versagen der Maschine
zu rechnen gewesen wäre.
Das Schlimme daran: Die Mikroorganismen setzen sich am Tankboden
ab und erreichen ihr volles Gefahrenpotential, wenn bei bewegtem Schiff der
Dreck aufgewirbelt wird und so in den Treibstoffkreislauf
gelangt. Also genau dann, wenn bei schlechtem Wetter oder bei trickiger
Hafeneinfahrt die Maschine zu Hilfe genommen wird. Jeder male für sich aus, wie
beängstigend die
Situation dann ist, wenn die Maschine gerade im kritischen Moment plötzlich
verstummt.
Warum erwischt es dann nicht unsere normalen Autos mit
Dieselmotoren? Weil es zu einer ständigen Erneuerung des Diesels beim
regelmäßigen Nachtanken kommt und bei Autotankstellen im Normalfall die
großen Tanks häufig nachgefüllt, also mit frischem Treibstoff aus der
Raffinerie versehen werden.
Schlechte Papiere also gerade für unsere heimatlichen Yachten,
die nur in der Saison gefahren werden und dann mit (meist) halbleeren Tanks an
Land rumstehen.
Nun gibt es eine Reihe von Additiven, die für sich in Anspruch
nehmen, das Wachstum der Bakterien zu verhindern. Meine Erfahrungen, nachdem ich
jahrelang gewissenhaft bei jedem Tanken mit dem Messglas die braune Sauce
dazugegeben habe, kann man nachlesen. Außerdem wurde ich von Professor Kratzer
darauf hingewiesen, dass man auf schwefelhaltige Bakterizide verzichten sollte,
der Belzebub in Form von zerstörerischer Schwefelsäure droht.
Was kann man nun als Yachtsmann gegen die Gefahren der
Dieselpest tun? Folgende Lösungsideen drängen sich auf, leider gibt es dazu
jeweils ein ABER.
Den Tank immer randvoll halten!
Diese Maßnahme verhindert weitgehend(!) die Bildung von
Kondenswasser. Wird auch zum Beispiel bei der auch nur zeitweisen Stilllegung
von Autos empfohlen.
Aber: Spuren von Wasser sind in jedem Diesel enthalten. Auch im
Diesel von Seetankstellen. Diese Maßnahme eignet sich also lediglich zum Reduzieren des Risikos. Außerdem hilft
sie nur, solange nicht zu viel Diesel verbraucht wird.
Diesel nach Möglichkeit aus Autotankstellen bezie hen!
Dort ist die Wahrscheinlichkeit
hoch, dass kaum biologisches Wachstum im Treibstoff vorhanden ist.
Aber: In vielen Marinas ist es verboten, Diesel per Kanister von
der Autotankstelle zu holen. Außerdem ist
das eine zeitaufwendige Knochenarbeit, 1000
Liter Diesel sind immerhin 35
große Kanister.
Tank reinigen!
Ist hilfreich, aber hilft
nicht ab. Denn der Tank und der gesamte Dieselkreislauf, also auch Leitungen und
Filter,
müssten desinfiziert werden. Die Bakterien der Dieselpest wirken wie eine
Krankheit. Wenn der Tank mal infiziert ist, müssten
alle Bakterien gründlich abgetötet
werden. Empfohlen wird auch ein Durchspülen mit Benzin. Das sollte man
Spezialfirmen überlassen. Hilft, aber ohnehin nur bis zur nächsten Infizierung.
Diesel filtern!
Das sagt sich so leicht.
Aber:
Kaum ein Filter ist in der Lage, den dicken Strom aus der Tankpistole an der
Tankstelle sozusagen "online" ausreichend zu filtern. Bei uns hat sich
bewährt: Mit dem Beiboot zur Tankstelle fahren (hier auf dem Foto haben wir
immerhin 300 Liter Diesel an Bord - Voraussetzung ist ein leistungsfähiges
Dingi mit viel Platz für Ladung) und dort den Diesel in mitgebrachte Kanister
füllen. Dann an der Yacht längsseits
gehen und Diesel langsam per
12-Volt-Pumpe in die Haupttanks füllen. Der mäßige Strahl kann dann in Ruhe
auch mit Feinstfiltern bearbeit werden.
Filter regelmäßig überprüfen und reinigen!
Hilft.
Aber: Das löst nur das halbe Problem. Bei obigem Beispiel aus
der eigenen Praxis war die Ursache nicht ein verstopfter
Filter ,
sondern verstopfte Treibstoffleitungen vor den Filtern.
Umschaltbare Para llelfilter
einbauen!
Aber: Das bringt sicher nur zusätzliche begrenzte Sicherheit. Hilft nur bei verstopften
Filtern. Wenn schon umschaltbare Filter, dann ist es sicher kein übermäßiger
Zusatzaufwand, Parallel-Leitungen
einzub
auen.
Möglichst
versuchen, dass Tankinhalt zur Gänze in kurzer Zeit umgesetzt wird.
Aber: Das ist bei einer normalen
Segelyacht, die ja nicht ausschließlich per Motor betrieben wird, nahezu
unmöglich. Es sei denn, man benutzt einen unverhältnismäßig kleinen Tank.
Hier wäre ein (kleiner) Tagestank hilfreich.
Tagestank verwenden
beziehungsweise einbauen lassen!
 Als
ich die THALASSAII (15 Meter - Stahl - 1000 Liter Diesel) in Holland
bauen ließ, hat
mir die Werft dringend den Einbau eines Tagestanks mit 100 Litern
empfohlen: "So, wie ihn hier die Fischer haben". Die Vorteile liegen
auf der Hand: Fallstrom, Möglichkeit den Haupttank leer zufahren, indem der
Rest in den Tagestank gepumpt wird, Möglichkeit,
per Schauglas den Dieselzustand zu checken, bevor er in die Maschine fließt,
Möglichkeit, den Satz (Wasser!) unter dem Tank abzulassen, den Verbrauch zu
kontrollieren, wenn der Rücklauf in den Tagestank läuft u.s.f. Diese Maßnahme
empfehle ich nach eigener Erfahrung dringend. Kann auch von geschickten Bastlern nachträglich eingebaut werden - siehe
hier! und auch hier!
Aber: Die
hundertprozentige Garantie, dass einen nicht
die Dieselpest zur unrechten Zeit einholt,
bietet auch ein Tagestank nicht.
Dieselpestsicheren
Treibstoff verwenden!
Den gibt es angeblich, so genannten
C.A.R.E Diesel, eine klare und geruchlose Flüssigkeit, die man optisch niemals
für Diesel halten würde. Die Hersteller behaupten glaubhaft, dass bei
Verwendung dieses Kraftstoffs, der ähnlich leistungsfähig ist wie der Diesel
aus fossilem Treibstoff, keinerlei Dieselpest auftreten kann.
Aber: Besonders der Lang-Fahrt-Segler hat kaum eine Chance, an
eine der wenigen Tankstellen,
die C.A.R.E.-Diesel ausschenken, heranzukommen. Wie sollte er sich damit
versorgen können?
Bis hierher sind
das also zumindest für den Blauwassersegler
nicht sehr befriedigende Erkenntnisse. Was bleibt ihm, um sich mit vertretbarem
Aufwand vor der extrem gefährlichen Dieselpest zu schützen?
Meine Empfehlungen:
Tank nach Möglichkeit immer möglichst voll halten!
Tagestank benutzen und Diesel fortlaufend kontrollieren!
Diesel beim Tanken feinstfiltern!
Umschaltbare parallele Treibstoffleitungen zum Motor und
(!) Filter einbauen lassen!
Bis vor ein paar Jahren hätte ich diese Maßnahmen für
übertrieben gehalten,
heute nicht und in Zukunft erst recht nicht mehr. Auf
dem Trockenen sagt zwar manch einer ungeachtet der Größe der Yacht und der
kleinen Mannschaft : "Wir sind doch
Segler, wozu brauchen
wir eine Maschine?"
O.K., klingt echt cool. Aber ich sag:
„Angeber!"
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