EU-Mehrwertsteuer (1) – die fiesen Tricks der Verkäufer

Von Kerstin Pieper und Hans Schubert, Weltumsegler 

Fallbeispiel: Katamaran auf den Kanaren!

Nach langem Suchen hatten Sabine und Klaus M. im Internet eine Annonce für ein gebrauchtes Schiff entdeckt, welches ihren Kriterien für eine fahrtentaugliche Yacht entsprach:

„Katamaran XYSuper zum Verkauf. Baujahr 2008. Liegeplatz Kanaren. Preis 205.000,- Euro inklusive Mehrwertsteuer.“

Da die beiden ihr zukünftiges Schiff innerhalb der EU benutzen wollen, war für sie der Hinweis auf die bezahlte Mehrwertsteuer ein wichtiges Auswahlkriterium. Außerdem wurde der Katamaran über den offiziellen Vertragshändler angeboten, welcher versicherte, dass das Schiff ordnungsgemäß versteuert sei.

Umso größer war ihr Erstaunen, dass das Schiff bei der Inspektion vor Ort nicht nur einen desolaten Eindruck machte, sondern auch der Nachweis der Mehrwertsteuer lediglich aus einer dubiosen Selbsterklärung des Eigners bestand. In dieser Erklärung bestätigte der Eigner, dass er das ursprünglich nicht versteuerte Schiff von seiner eigenen GmbH gekauft und nachträglich die EU-Mehrwertsteuer in Höhe von 46.200,- Euro beim finnischen Staat abgeführt habe. Für diese Aussage könne er jedoch keine Belege liefern, da dies in Finnland nicht üblich sei. 
Man solle sich aber keine Sorgen machen, denn schließlich sei der von ihm beauftragte Makler schon seit Jahren erfolgreich im Geschäft, und im Kaufvertrag werde die Bezahlung der Mehrwertsteuer attestiert.

Völlig frustriert flogen daraufhin Sabine und Klaus M. zurück nach Deutschland und suchten erst einmal Rat bei Experten, um nicht bei der nächsten Begutachtung einer Yacht erneut in die „Mehrwertsteuerfalle“ zu tappen.


Nachweis der EU-Mehrwertsteuer bei Gebrauchtyachten

Für den Nachweis der EU-Mehrwertsteuer bei Yachten gibt es kein EU-weit einheitliches Dokument. Es bleibt deshalb den Zollbehörden der einzelnen Mitgliedsstaaten überlassen, welche Dokumente als ausreichender Steuernachweis anerkannt werden und welche nicht.

Folgende Dokumente werden in der Regel als Steuernachweis anerkannt:

1. Originalrechnung mit ausgewiesener Mehrwertsteuer
Die Originalrechnung bestätigt den Verkauf des Neuschiffes an den Erst-Eigner und muss die EU-Mehrwertsteuer explizit ausweisen.
Die Rechnung muss den Vermerk enthalten, dass „der Gesamtbetrag vollständig bezahlt“ wurde.
Idealerweise wird eine notariell beglaubigte Kopie dieses wichtigen Dokuments von Eigner zu Eigner weitergereicht.

2. Bestätigung offizieller Stellen (Finanzamt, Zoll o.ä.)
Ebenfalls anerkannt werden Bestätigungen von offiziellen Behörden wie Finanz- oder Zollämtern. Gerade bei der Nachversteuerung von bisher unversteuerten Schiffen erhält der Eigner in jedem Fall einen offiziellen Nachweis darüber, dass er das Schiff zum Zeitwert nachversteuert hat. 

3. Transportdokumente T1, T2L
Schwieriger ist die Situation ohne o.g. Papiere. Dann können andere Dokumente aushilfsweise als Steuernachweis dienen. 
In diesem Zusammenhang ist oft die Rede von den EU-Formularen T1 und T2L. 
In manchen Artikeln werden diese Frachtpapiere als „offizieller Steuernachweis“ bezeichnet – jedoch ist dies grundsätzlich fragwürdig!
Die Frachtpapiere dienen der Vereinheitlichung und Vereinfachung des enormen Frachtaufkommens der EU im Binnen- und Exportverkehr.
Sie stellen grundsätzlich keine EU-Mehrwertsteuerbescheinigung dar; da auf den Papieren aber auch der Steuerstatus vermerkt sein kann, werden sie von Zollbehörden mangels anderer Unterlagen unter Umständen anerkannt.


Nicht anerkannt werden generell Bestätigungen von Eigner/Makler oder Klauseln im Kaufvertrag, dass die „EU-Mehrwertsteuer bezahlt“ worden sei. 

Amtliche Schiffspapiere (z.B. das deutsche Flaggenzertifikat) und nichtamtliche Dokumente (z.B. der ADAC-Bootsschein) stellen keinenfalls eine EU-Mehrwertsteuer-Bescheinigung dar!

Verdachtsmomente

Anhand welcher Indizien kann man bereits im Vorfeld einer aufwendigen Besichtigung des Schiffes feststellen, ob mit dem angegebenen Steuerstatus eventuell etwas nicht stimmt?

1. Liegeplatz der Yacht
Liegt das Schiff außerhalb der EU ist grundsätzlich keine EU-Mehrwertsteuer fällig. Dieser Umstand wird von vielen Eignern legal genutzt, um beim Kauf die hohe Mehrwertsteuer zu umgehen. Deshalb Vorsicht beim Kauf von Yachten, welche außerhalb des Territoriums der EU zum Verkauf inklusive der EU-Mehrwertsteuer angeboten werden. Die Kanaren, Tunesien, die Türkei und der Nordteil von Zypern sind typische „Steuerverstecke“.

2. Steuervermeidungsmodelle
Stammt das Schiff aus einem Leasingvertrag oder einer Kaufcharter, ist oft nicht zu erkennen, ob und in welcher Höhe bereits Steuern entrichtet worden sind. Bekannt ist hierbei u.a. das sogenannte „French Leasing“, welches es Eignern ermöglicht zu reduzierten Steuersätzen französische Yachten zu erwerben.

3. Komplizierte Händler-Eigner-Liegeplatz Konstellation
Französisches Schiff aus Leasingvertrag wird von griechischem Makler in Tunesien angeboten – ungewöhnlich? Ganz und gar nicht!
Zwar hat eine solche Konstellation nicht direkt mit dem Nachweis der Mehrwertsteuer zu tun, aber man sollte in einem solchen Fall alle Dokumente noch gründlicher prüfen als sonst.

4. Übertriebenes Vertrauensgehabe
Spätestens seit Barschels „Ehrenwort“ sollten bei einem Kaufinteressenten alle Warnglocken schrillen, wenn anstelle von handfesten Dokumenten nur Sätze fallen wie „Sie können mir vertrauen ...“ oder „ich mache dies schon seit Jahren so, und noch nie hat es Probleme beim Zoll gegeben“. Ein seriöser Makler oder Eigner wird die notwendigen Dokumente für einen wasserdichten EU-Mehrwertsteuer Nachweis bereit halten und auf Verlangen vorzeigen können.

Vermehrte Kontrollen

In vielen EU-Staaten werden in Zeiten knapper Finanzen vermehrt Steuerkontrollen durch die örtlichen Zollbehörden durchgeführt. Diese Steuerfahndungen erfolgen entweder durch das Aufbringen von Schiffen auf dem Meer oder durch Kontrollen in Häfen und Marinas.

Um zu verhindern, dass das neuerworbene Schiff bereits im nächsten EU-Hafen „an die Kette gelegt“ wird, sollte ein EU-Mehrwertsteuernachweis an Bord mitgeführt werden. Der Nachweis der EU-Mehrwertsteuer erfolgt entweder durch die Originalrechnung mit Angabe der bezahlten Mehrwertsteuer oder durch ein offizielles Dokument von Finanzamt oder Zollbehörde. 

Eine eingehende Prüfung der Unterlagen vor dem Yachtkauf ist für Laien schwierig und die Zuhilfenahme von Experten ist ratsam. Da es sich bei der EU-Mehrwertsteuer um meist hohe fünfstellige Beträge handelt (19-25% der Kaufsumme), sollte man nicht gutgläubig auf Beteuerungen von Händlern und Eignern hereinfallen.

Stellt sich nach dem Kauf des Schiffes heraus, dass das Schiff - entgegen der Aussage des Voreigners oder des Maklers - nicht versteuert ist, läuft eine Schadensersatzklage aufgrund der meist komplizierten internationalen Rechtslage ins Leere.

Wie sollte z.B. ein „geprellter“ deutscher Käufer gegenüber einem finnischen Händler, welcher ihm ein spanisches Schiff auf den Kanaren verkauft hat, in Deutschland zu seinem Recht kommen? Deshalb ist beim Kauf einer gebrauchten Yacht sehr genau auf den ordnungsgemäßen Nachweis der EU-Mehrwertsteuer zu achten!


Nachversteuerung im EU-Aufenthaltsland

Alternativ kann man sich nach einem gebrauchten Schiff ohne bezahlte Mehrwertsteuer umschauen – dann ist von Anfang an klar, dass die Yacht nicht versteuert worden ist. 
Nach dem Kauf wird das Schiff im jeweiligen EU-Aufenthaltsland (nach)versteuert; oder es bleibt bei einer Nutzung außerhalb der EU steuerfrei.

Beispiel:
Deutscher Staatsbürger mit Wohnsitz in Deutschland erwirbt ein unversteuertes Schiff in der Türkei, registriert dieses in Deutschland (Flaggenzertifikat BSH), und möchte es legal innerhalb der EU benutzen.


In welchem EU-Land ist dieses Schiff steuerpflichtig?

Die Yacht muss im EU-Aufenthaltsland versteuert werden – in diesem Fall wird das Schiff bei Einreise nach Griechenland zu dem dort gültigen Mehrwertsteuersatz versteuert („in den Verkehr gebracht“).

Eine Versteuerung in Deutschland ist grundsätzlich nur möglich, wenn sich das Schiff tatsächlich in Deutschen Hoheitsgewässern aufhält!

Wichtig ist hierbei, sich von der Zollbehörde einen offiziellen Nachweis über die Versteuerung zum Zeitwert ausstellen zu lassen; spätestens bei der nächsten Zollkontrolle ist dieses Papier dann „Gold wert“!


Weiterführende Links:
Folgende Artikel im Internet befassen sich ebenfalls mit der komplizierten EU-Mehrwertsteuer Diskussion bei Yachten:

http://www.boot.de/cipp/md_boot/custom/pub/content,oid,41821/lang,1/ticket,g_u_e_s_t/local_lang,1

http://www.boote-magazin.de/test_technik/ratgeber/mehrwertsteuer-was-eigner-wissen-muessen/a39985.html

http://www.boatmatch.com/selling-your-boat.php

Hinweise zu den Autoren, die mit ihrem Katamaran „Cinderella“ 10 Jahre lang erfolgreich die Welt umsegelt haben -
siehe „Who’s who“. Nach dem Verkauf ihres Schiffs haben Sie die Firma KPYM Yacht Management (www.kpym.de) gegründet. Zukünftige Fahrtensegler können sich von Kerstin und Hans in allen Fragen rund um ihre Yacht kompetent und zuverlässig beraten lassen (pieperkerstin@gmx.de).

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Bobby Schenk
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