Der Sicherheitsgurt als Lebensretter - ein Alptraum wird wahr

Es ist wohl die Schreckenvorstellung aller Hochseesegler schlechthin: "Ich bin über Bord gegangen!" Den Gedanken führt man am liebsten nicht zu Ende. Und nimmt sich vor, immer, auch immer, selbst im Cockpit, einen Sicherheitsgurt zu tragen. Meistens bleibt es bei den guten Vorsätzen, denn soll man denn sein halbes Leben mit einem Gurt um die Brust rumlaufen? Anders der erfahrene Fahrtensegler, der Österreicher Franz Zeitelhofer, dem das Unglück während des 12. Ecker-Cups nachts bei stürmischer See trotzdem widerfahren ist. Wie er der kritischen Situation - mit Blessuren und ohne Rettungsweste - entkommen ist und welche Lehren er aus dem Vorfall gezogen hat, beschreibt er hier:


Lebensretter Lifebelt

Während des Tages nahmen Wind und Seegang zu und wir hatten von da an einen Seekranken, der für längere Zeit ausfallen sollte. Am Abend kam über Funk Sturmwarnung mit Böen bis 70 kn! Viele Boote suchten Schutz in Bari bzw. Brindisi, wir waren zu weit weg und suchten offenen Seeraum. Es braute sich was Ordentliches zusammen und wir machten uns sturmklar. Als ich um 20 Uhr Wache ging, hatte der Wind bereits auf 25 kn aufgefrischt, ehe er eine Atempause machte. Dauernd erhellten Blitze die dunkle, düstere, mondlose Nacht, ringsum grandioses Wetterleuchten, als ob die Airforce an Land ein Flächenbombardment durchführen würde.

 

Da sauste ein greller Blitz in unmittelbarer Nähe ins Meer und machte die Nacht zum Tag. Wir waren für einige Sekunden geblendet, es reichte aber, dass unser Taktiker die Böenwalze erkennen konnte, die auf uns zugerollt kam. Er brüllte nur mehr "Schoten los!". In der Großschot war aber so ein Druck, dass ich die Klemmen nicht mehr öffnen konnte. Da machte es einen Knall wie aus einer Pistole und eine Bö mit 48 kn (lt. Windmessgerät) legte die ADORA flach auf´s Wasser. Dann erlebten wir den Albtraum eines jeden Seglers - Erich und Michael flogen quer übers Cockpit und hingen in der Reeling wie angeschlagene Boxer, während ich überhaupt keinen Halt fand und in hohem Bogen über die Reeling katapultiert wurde. Obwohl uns bei der Sicherheitsbesprechung eingetrichtert wurde, Mann über Bord darf es nicht geben - nun gab es diesen worst case! Da meine Kameraden selbst kämpften, um nicht dasselbe Schicksal wie ich zu erleiden, musste ich mir selber helfen um nicht zu ersaufen und aus eigener Kraft wieder an Bord kommen!

Hätte ich "Reservepatronen" für die Schwimmweste dabei gehabt, hätte ich die ausgewechselt und hätte wieder einen funktionierenden Schwimmkragen gehabt. Außerdem hätte trotz oder wegen des bevorstehenden Sturmes Zeit sein müssen, mir wenigstens die ungeliebte (weil unpraktische) Feststoffweste umzubinden - ob ich es mit der allerdings geschafft hätte mich zwischen den Reelingsdrähten hindurch zu zwängen ......?

Ich habe sehr wohl einen Lifebelt getragen (sonst säß ich jetzt nicht am PC), hab aber den "langen" Gurt in das leewärtige Strecktau eingepiekt, da ich davon ausging, dass wir bald über Stag gehen würden - das hat ausgereicht, dass ich "Ausgang" bis ins Wasser hatte.

Erspart mir die Erklärung was sich da abgespielt hat, noch dazu wo ich keine Schwimmweste um hatte! Hab´ eine Legion Schutzengel gehabt, sonst, ...... später sprach man vom "Wunder vor Brindisi".

War für den nächsten Tag ein total Ausfall, da ich mich an der Schulter und Hand verletzt hatte. Trotz aller Widrigkeiten liefen wir am Freitag bei schönem Sternenhimmel als 9. Boot in Kalamata ein. Dort wurden wir mit Leberkäse und Bier empfangen. Begab mich zur Regatta-Ärztin die mich untersuchte und eine Sehnenverletzung vermutete. Nach der Verabschiedung fuhr ich sogleich ins UKH, wo ein Muskel- und Sehneneinriß im rechten Brustbereich festgestellt wurde - das bedeutet, dass die Sportsaison für heuer zu Ende ist.

Welche Erkenntnis ?

Die kritische Situation im Nachhinein betrachtet: Wir fuhren eindeutig zu viel Segel - ohne dass wir jetzt einem die Schuld dafür geben wollen! Es war uns klar, dass uns die kleineren Boote bei den Schwachwinden, die uns plagten, überlegen sind und wir uns dagegen bei viel Wind ins Zeug legen mussten. Hätte schon früher die Großschotklemme öffnen müssen, damit die bei der Bö sofort ausrauschen hätte können. Das mit der fehlenden Schwimmweste war ein fataler Leichtsinn !

Man sagt sich hinterher "Glück gehabt", aber manchmal redet man sich auch noch ein, das sei "Können" gewesen - war es aber nicht! Jedoch, es kann immer wieder zu Situationen kommen, bei denen sich Kleinigkeiten desaströs auswirken könnten.

Lifebelt - das ist auch so eine Sache, für die ich noch keine optimal Lösung gefunden hab`. Piekt man sich mit dem kurzen Gurt ein - (mach ich am Ruder) - hat man keinen Bewegungsraum. Mit dem langen Gurt kann man sich zumindest durchs Cockpit bewegen, aber der Gurt wird immer wieder zur Stolpergefahr, bzw. wenn man sich mit einem anderen Crewmitglied in die Quere kommt, kann man sich glatt verheddern - erinnert mich an meinen Hund, wenn ich mit ihm unterwegs bin und er andere angeleinte Hunde trifft. Die Mechanismen beim Haken sind zwar sehr sicher, aber auch umständlich beim Aushaken - vor allem wenn es finster ist, die Finger klamm sind und bei bewegtem Seegang !

Welche Lehren ?

Vor allem aber - geh´ nie im Streit oder Unfrieden außer Haus, mann weiss nie, ob es noch eine Gelegenheit gibt zum Entschuldigen bzw. Verzeihen . . . . .

Freut Euch mit mir - und wenn `mal Zeit bleibt, können wir auf meinen neuen Geburtstag anstoßen !