Frühling im Salzkammergut:
Bobby Schenk's Praxis-Blauwasserseminar
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mit sechs Weltumseglern und hochkarätigen Experten am 6./7. April 2019
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Die psychische Komponente bei der Seekrankheit
von
Bobby Schenk
Ja, es gibt sie, die vermeintlich Hartgesottenen, die da
zu Beginn eines Törns lauthals verkünden: "Ich werde nie seekrank"!
Allerdings habe ich auf meinen zahlreichen Törns mit Gästen immer wieder
erlebt, dass selbst diese triumphierenden Segler gnadenlos eines Besseren
belehrt worden sind.
Es gibt Millionen von Menschen, die von der Seekrankheit
geplagt werden. Und sicher sind tausende unter uns, die gerne, sehr gerne segeln
würden, die es aber nicht wagen, weil sie kein erfolgreiches Rezept gegen diese
Geißel kennen. So ist es kein Wunder, dass sich beim Googeln mit dem Stichwort
"Seekrankheit" unter den zigtausend Artikeln , die je zu diesem Thema
verfasst worden sind, Artikel von dieser Webseite (www.bobbyschenk.de/n004/seekrank.html)
unter den ersten fünf Fundstellen auf der größten Suchmaschine Google präsentieren.
Nebenbei: Bemerkenswert, welche Rolle das Yachtsegeln angesichts eines doch
allgemeinen Problems einnimmt. Denn von dieser Bewegungskrankheit sind
nicht nur wir Segler betroffen, sondern auch Autofahrer, Berufs-Seeleute,
Passagiere im Flugzeug, Soldaten auf Kriegsschiffen, Karussellfahrer, ja
Zugfahrer. Kurzum, die Seekrankheit, oder wie man sie auch nennen möchte, wütet
mehr oder weniger stark überall, wo sich der Boden oder auch nur der Horizont
bewegt.
Unzählige Mittelchen gegen dieses Übel wurden und werden
erfunden und gefunden. Wie qualvoll dieses Problem für viele ist, zeigt die
Tatsache, dass, wenn von Zeit zu Zeit "neue Erkenntnisse" oder
"Wundermittel" publiziert werden diese Rezepte geradezu gierig
aufgesogen werden. Schon im Altertum, wahrscheinlich bei Odysseus selbst (wenn
das asiatische Kraut damals schon bis ins Mittelmeer gelangt sein sollte),
wurden Leinenbeutelchen auf der Brust, gefüllt mit Ingwer, gegen die Pein des
Kotzens empfohlen. Wann das Armband, das mit einem Druckpunkt versehen ist und
wohl nach dem Prinzip der Akupunktur funktionieren soll, aufgekommen ist,
entzieht sich meinem Wissen. Nadelstiche in der Ohrmuschel, einem ähnlichen
Prinzip folgend, wurden schon vor 15 Jahren auf dieser Webseite vorgestellt,
hier kann man es nachlesen. In den achtziger Jahren wurde den Seglern generell
das angeblich nebenwirkungsfreie Stutgeron (eigentlich ein Herzmittel, heute
"Stugeron") empfohlen (heute, nach vielen
tausend Mißerfolgen spricht niemand mehr davon), später wurden spezielle
Brillen gegen die Seekrankheit propagiert und schließlich in neuerer Zeit
Gegenbewegungen auf dem Boden liegend oder auch nur Zitronensaft (Vitamin
C)
oder Histamin.
Alle diese Mittelchen haben eines gemeinsam, trotz aller
optimistischer Ankündigung: Sie sind kein Allheilmittel gegen die grauenvolle
Seekrankheit! Der Markt weltweit wäre gigantisch, wenn es endlich erfunden würde.
Man denke nur an die militärische Anwendung, wenn zum Beispiel ein Landungsmanöver
mit zigtausend Soldaten bevorsteht, wie beispielsweise bei der Landung der
Alliierten in der Normandie 1944, wo eine ganze Armee vor der Kanalüberquerung
zentnerweise mit Tabletten gegen die Seekrankheit vollgepumpt wurde -
offensichtlich mit beachtlichem Erfolg, denn mit sich ständig erbrechenden Gis
könnte man sicher keine Schlacht gewinnen.
Oder trat die schützende Wirkung womöglich vor allem
deshalb ein, weil die Soldaten siegessicher oder sonst wie mental aufgeputscht
waren? Hätte man Ihnen auch Placebos verabreichen können?
Vielleicht, denn eines ist auch für Laien leicht
ersichtlich, das Problem der Seekrankheit spielt sich nicht nur im Mittelohr ab,
sondern schlicht und einfach auch(!) im Kopf, in der Psyche.
Wahrscheinlich kennen Sie alle das Phänomen: Es gibt
Menschen mit Führerschein, die als Beifahrer im Auto immer wieder mal seekrank
werden ("mir ist soo schlecht"), aber niemals, wenn sie selbst am
Lenkrad sitzen. Es gibt Piloten, die als Passagiere im Flugzeug nicht 100%ig
"seefest" sind, die sich aber - Gott sei Dank – nicht
übergeben müssen, wenn sie als Lenker im Cockpit sitzen. Warum wohl -
den Trick kennt jeder von uns Fahrtenseglern – setzt man einen Neuling auf der
Yacht, der über beginnende Übelkeit klagt, ans Ruder mit dem Auftrag, ja
gradgenau den Kurs zu halten ? Was ihn auch dann meistens vor Schlimmerem
bewahrt. Warum fühlen sich Segler unterwegs gelegentlich ganz wohl, bis Sie in
der Pantry der bruzzelnden Pfanne mit Ölgeruch ausgeliefert sind, und warum
kommt es gelegentlich zum Letzten, wenn man den Kopf unter die Motorhaube
stecken muss und einem der Dieselgeruch in die Nase steigt?
Die Antwort ist einfach: Weil die Ursachen für die akute
Seekrankheit auch(!) im mentalen Bereich zu suchen sind.
Deshalb eine Zusammenfassung für die Gründe dieser unter
Umständen verheerenden Krankheit - es ist Tatsache, dass Fälle passiert
sind, und das gar nicht (ungewöhnlich) selten, in denen (dass) die Opfer über
Bord springen wollten, um ihre Lage zu "verbessern":
Zweifellos wird die Krankheit ausgelöst durch Bewegungen,
die der Körper und/oder das Auge wahrnimmt und die vom zuständigen Mechanismus
im Mittelohr nicht mehr koordiniert werden können. Dieser Effekt wird verstärkt,
wenn das Opfer Angst davor hat, sich in existenzieller Missstimmung befindet
und/oder ohnehin schon eine Grundübelkeit vorliegt, wie zum Beispiel nach einem
opulenten Abendessen mit viel Alkohol zur Einstimmung auf den bevorstehenden
Urlaubstörn.
Wie sehr die Psyche eine große Rolle bei der Bekämpfung
der Krankheit hat, zeigt folgende wahre Begebenheit: Die Ehefrau des
begeisterten Seglers Dr.B. wird "dauernd seekrank in den
Segelurlauben". Nun ist Dr.B. von Beruf Anästhesist, ist also in der
Frage, wie man mit dem Bewusstsein umgeht, von Berufs wegen hoch
professionell ausgebildet und damit täglich konfrontiert. Und so hat Dr. B.
seiner Frau zuliebe eine Idee, die bei dieser Problematik geradezu genial
erscheint. Er sagt, dass er seinen Patienten nach erfolgter Operation ein
bestimmtes Mittel gebe, um Übelkeit beim Aufwachen aus der Narkose und damit
verbundenes Erbrechen zu vermeiden. Was liegt näher, als dieses Mittel, das bei
seinen Patienten zuverlässig wirkt, seiner Frau bei Törnbeginn zu
verabreichen. Gesagt getan - und die Seekrankheit war bei den nachfolgenden Törns
wie weggeblasen!
Hanna W., nicht sehr erfahrene und auch nicht
enthusiastische Seglerin, die aber immer wieder (wegen ihrer patenten Art) zu
Segeltörns eingeladen wird, leidet unter einer Anfälligkeit gegen die
Krankheit mit entsprechenden Konsequenzen. Alle möglichen Mittelchen hatte sie
schon vergeblich ausprobiert, von verschiedensten Tabletten gegen die
Reisekrankheit bis zu dem berühmten Pflaster hinter dem
Ohr. Letzteres enthält
den Wirkstoff Skopolamin (übrigens: bei
Überdosis ein tödliches Gift) und bewirkte bei
ihr gar nichts, bis auf die Tatsache, dass krasse Nebenwirkungen auftraten.
Kurzum: Sie hat es nicht vertragen und somit nicht mehr verwendet. Als Hanna W.
nun von der erfolgreichen Methode des Anästhesisten Dr.B erfahren hat und von
der tollen Wirksamkeit gegen ihre Neigung zur Seekrankheit überzeugt war, ließ
sie sich dieses recht teure Medikament verschreiben und nahm es zu Beginn des
Atlantiktörns vorschriftsmäßig ein.
Dann das schwer Erklärliche: Die geniale Idee von Dr.B.
versagte bei Hanna W. vollkommen. Das alte Lied!
In einem der angelaufenen Häfen klagte sie einem älteren,
verständnisvollen und offensichtlich sehr segelerfahrenen Ehepaar ihr Leid,
worauf diese Ihr ein Pülverchen gaben mit der Versicherung, das würde ganz
bestimmt helfen. Und, oh Wunder, es war so. Die Krankheit machte sich den ganzen
wochenlangen Törn auf dem Atlantik auch unter raueren Bedingungen nicht mehr
bemerkbar. Allerdings konnten die freundlichen Segler Hanna W. nichts über das
Medikament, das sie so erfolgreich konsumiert hatte, sagen, außer der Tatsache,
dass sie das Pülverchen in einer Apotheke in Antwerpen, auch Herstellerin des
Medikaments, bezogen hätten.
Aber es war gar nicht leicht, das Mittelchen für die
Zukunft zu besorgen, weil die Apotheke in Belgien es ablehnte, das Arzneimittel
auf dem Versandweg zu verkaufen. Also blieb nichts anderes übrig, als umständlich
eine Helferin mit dem Zug nach Belgien zu schicken, um das erfolgreiche Mittel
gegen die Seekrankheit zu kaufen. Dieser riesige Aufwand schien bei solchen
Erfolgsaussichten vertretbar.
Endlich in Händen, konnte Hanna W. die Bestandteile
dieses Wundermittels herausfinden: Neben Tripelenamin
(einem Histamin) eben genau dieses
Skopolamin als Hauptwirkstoff, das sie als Pflaster einfach nicht
"vertragen" und das auch nicht die erhoffte Wirkung erzielt hatte.
Die Erkenntnis, wieder einmal: Der Glaube versetzt
Berge.
Und: Neben(!) entsprechenden medikamentösen Mitteln ist die psychische
Bereitschaft, das Segeln als wunderschönes Erlebnis anzuerkennen, die
Grundvoraussetzung, um vor der Seekrankheit erfolgreich zu bestehen. Wem das
nicht gelingt, hat schlechte Karten.
Angst beim Segeln ist natürlich die beste Voraussetzung,
um seekrank zu werden. Die kann man eigentlich nur mit Vernunftgründen bekämpfen,
und ist auch nur dann erfolgreich, wenn man sie energisch eliminieren will.
Gelingt das nicht, wird man in ernsten Momenten oder selbst in einer Flaute der
Seekrankheit nicht entgehen. Dabei ist die Angst beim Fahrtensegeln fast immer
überwunden, wenn man mal begreift, dass die Gefahr beim Segeln generell
ungleich geringer ist, als zum Beispiel beim Autofahren. Und: Wann geht schon
mal eine Yacht unter (ohne dass die Besatzung gerettet wird)? Wann kann man
schon über Bord fallen, wenn man das Cockpit nicht verlässt oder sich
zumindest anleint. Wann kommt man schon in kritische Situationen, wenn man sich
einem erfahrenen Skipper auf einem modernen Schiff (wie es heute Charteryachten
bei renommierten Firmen im allgemeinen sind) anvertraut?
Ganz schlecht und ebenfalls eine wunderbare Voraussetzung
für die Seekrankheit ist der bewusste oder unbewusste Widerwillen gegen das
Segeln. Gibt es nur selten? Von wegen!
Wenn ich höre: "Meine Frau/Freundin wird immer
seekrank." Dann kenne ich in den meisten Fällen den Hintergrund schon. Nämlich
- stark verallgemeinernd, begeisterter Segler trifft Frau, die es liebt, regelmäßig
einen Töpferkurs zu besuchen (weiß schon, ist nur ein mehr oder weniger
passendes Beispiel, aber selten genug ist es eben umgekehrt). Die beiden beschließen zusammenzuleben und ihren Hobbies
gemeinsam nachzugehen. Da Er aber nicht die geringste Lust hat, nunmehr zu töpfern
oder Ähnliches, passiert in einer Vielzahl von Fällen das , was jeder von uns
erwartet: Zusammen wird gesegelt, ihm zuliebe! Die Konsequenz kennt der Leser -
siehe oben.
Zahlreiche Ehen oder Lebensgemeinschaften sind darüber
zerbrochen. Und viele Alleinsegler auf den Weltmeeren haben zu Hause die
widerwillige Ehefrau zurückgelassen.
Zugegeben, die Regel ist das nicht. Aber: Was hilft
dagegen? Nur eins, der zögernde Teil muss sich eben auch fürs Segeln
begeistern, nicht nur des Mannes wegen halt "mitmachen", was häufig
zwangsläufig dann in der Kombüse endet, also dort, wo die Seekrankheit meist
auch zu Hause ist. Die Frau fürs Segeln, hauptsächlich eine technische
Tätigkeit, zu begeistern, ist nicht immer
einfach und hängt wesentlich mit der sportlichen Einstellung der Betroffenen
zusammen. Gemeinsame Segelkurse mit nachfolgender Prüfung (wunderbar, wenn Er
durchfällt, sie aber nicht!), leichte Schönwettertörns mit vielen
Badeaufenthalten, helfen garantiert viel. Tristes Wetter allein schon drückt
auf die Stimmung. Am schlimmsten und destruktivsten ist es, in schlechtes Wetter
hineinzusegeln, statt einen kurzweiligen Hafentag mit Besuch der hafenansässigen
Boutiquen einzulegen. Der Tagespreis fürs Charterschiff ist da eine Triebfeder,
ins Unglück für die Zweisamkeit zu segeln. Das ist sicher für machen
Herrn der Schöpfung nicht ganz leicht, denn der möchte ja mal "einen
richtigen Sturm erleben" oder ähnliche Dummheiten durchziehen. Das kann
richtig kostspielig werden oder führt im günstigsten Falle zu den berüchtigten
Herrentörns ("mein Mann segelt ja so gerne, ich aber bleib lieber
daheim")
Die Lehren:
a) es gibt keine hundertprozentigen Mittel
gegen die Krankheit. Medikamente, die in diese Richtung wirken, haben fast immer
sehr unangenehme Nebenwirkungen (Depression, Müdigkeit bis hin zu
Halluzinationen etc)
b) Gründe, warum es uns erwischt, finden sich auch(!) im
mentalen Bereich. Angst, Stress, aber auch Unlust und Widerwillen gegen das
Segeln oder sonstige Nöte sind wirksame Helfer der Seekrankheit.
Zum
Schluss noch
was Tröstliches: Wie bekannt, hören die Symptome der Seekrankheit in
Minutenschnelle auf, sobald man wieder festen Boden unter sich hat. Klar, dass
auch hier die Psyche hilft. Unterwegs klingt die Krankheit in den allermeisten Fällen
nach zwei oder drei Tagen von selbst ab und man kann dann den Törn
beschwerdefrei genießen. Das kann ich jedenfalls für mich behaupten, der ich
nicht ganz unempfindlich bin (gelegentlich nehmen Karla und ich schon zu Beginn
eines Törn die eine oder andere Tablette). Kaum jemand aber, außer dem
Langfahrt- und Blauwassersegler ist ja zwei oder drei Tage ununterbrochen
unterwegs. Und so kommen die meisten Charter- und Urlaubssegler leider gar nicht
in den Genuss dieser Wohltat.
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