Die Weltumsegelung der Kiwitt (14) - Schluss!

Endlich Südsee

SanBlas, Südseeinseln in der Karibik

Die Tage in den San Blas Inseln verstreichen schnell und es ist schon wieder ein paar Tage her, dass wir in Porvenir angekommen sind. Dieser kleine Inselflughafen besteht im Wesentlichen aus einer buckligen Betonpiste, die sich quer über das Inselchen erstreckt. Außerdem gibt es noch ein kleines Flughafengebäude unter Palmen und, das war für uns das Entscheidende, man kann dort einklarieren.

Die San Blas Inseln sind ein Traum, weiße Sandstrände unter Palmen. Nicht umsonst sagt man, dass die Südsee bereits in der Karibik beginnt. In Kuna Jala, wie die Inseln offiziell heißen, gibt es Inseln, die so winzig sind, dass nur eine einzige Palme darauf wächst. Dann gibt es welche, auf denen nur ein Haus Platz findet, und wieder andere beheimaten kleine Dörfer und sind über und über mit Bambushütten bedeckt. Zwischen den Inseln herrscht ein reger Schiffsverkehr. Die Kuna, so heißen die Einheimischen, befahren die Lagunen mit ihren segelbaren Einbäumen. Angesichts des nicht immer ruhigen Wassers scheint das eine wackelige Angelegenheit zu sein. Als Außenstehender hat man erst einmal das Gefühl, in einem kleinen Paradies gelandet zu sein. Ob die Menschen, die hier leben, das ähnlich sehen, ist schwer zu sagen. Es ist nicht ganz einfach Kontakte zu knüpfen, da die meisten sehr zurückhaltend sind. Ein paar Mal gelingt es uns aber doch und ich habe den Eindruck, dass sie sich viele ihrer Traditionen bewahrt haben. Dies spiegelt sich auch in ihren Häusern wieder, die meist auf traditionelle Art und Weise gebaut sind. Auf einer der wenigen Inseln, die Stromversorgung haben, entdecken wir allerdings an jeder Bambushütte einen Stromzähler. So weit geht die Liebe zur Tradition dann doch nicht.

Kokosnüsse satt 

Wir genießen nach der anstrengenden Überfahrt die Landschaft und machen ein wenig Urlaub. Auf einer kleinen, dicht mit Palmen bepflanzten Insel wohnen nur drei Familien, die schüchtern ein paar Molas anbieten. Ein Mola ist eine traditionelle Handarbeit aus mehreren lagen Stoff, die kunstvoll miteinander vernäht werden. Durch Heraustrennen einzelner Bereiche werden die darunter liegenden Lagen sichtbar und es entsteht ein buntes Motiv. Heike gönnt sich ein Mola und ärgert sich später darüber, dass sie nicht mehr gekauft hat. Außerdem bekommen wir für zwei US-Dollar eine Staude Bananen, die wir an das Heck der Kiwitt binden. Gott sei Dank spricht einer der Kuna Englisch, so dass wir ein wenig über das Leben auf der kleinen Insel erfahren können. Wir lernen, wie die Kleinfamilien sich versorgen, wo das Trinkwasser herkommt, wie man Kopra macht und wohin es dann verkauft wird. Das getrocknete Fleisch der Kokosnüsse ist neben dem Fischen eine der Lebensgrundlagen dieser kleinen Inselgemeinschaft. Einen Medizinmann gibt es auch. Dieser schnitzt kleine Figürchen, die nachts die Schlafenden beschützen sollen. Denn dann, so ihr Glaube, kommt der Teufel aus den Bäumen herunter und dringt in die Träume ein. Jedenfalls habe ich das so verstanden.

Einige Tage später erobere ich meine erste einsame Insel und umrunde diese auch direkt. Da kommt wieder mal der kleine Entdecker in mir durch. An unser leibliches Wohl denke ich bei meiner Erkundungstour natürlich auch und sammle ein paar Kokosnüsse. Natürlich weiß ich, dass jede Kokospalme auch einen Besitzer hat, aber auf dieser kleinen Insel liegen derart viele herabgefallene und auch schon gekeimte Kokosnüsse herum, dass ich kein schlechtes Gewissen habe. Wie schwer es ist, die eigentliche Nuss, so wie man sie bei uns aus dem Supermarkt kennt, aus ihrer faserigen Schale zu bekommen, weiß nur, wer es mal versucht hat. Um ein halbes Dutzend Nüsse mit der Machete aus ihrer Hülle zu befreien, brauche ich über eine Stunde. Die geübten Kuna stellen sich freilich besser an als ich.

Heikes Abreise - die Nerven 

In dieser abgeschiedenen Idylle ist die stürmische Anreise schon fast wieder vergessen. Doch Heike gesteht mir, dass sie während des Sturms Angst um ihr Leben hatte und eigentlich von Panama aus nach Hause fliegen wollte. Mir war bewusst, dass ihr die Überfahrt zugesetzt hat, aber dass es so schlimm war, wusste ich nicht. Angesichts Heikes erschreckenden Geständnis frage ich mich, wie ich die Situation eigentlich erlebt habe. So wirklich darüber nachgedacht habe ich noch nicht und während der Überfahrt hatte ich andere Dinge im Kopf. Nach einigem Überlegen komme ich zu dem Schluss, dass ich keine Angst hatte, dass etwas Schlimmes passieren könnte. Eine der brenzlichen Situationen für mich war, als die Kiwitt auf dem Wellenkamm querschlagen wollte. Aber ich muss zugeben, dass ich schon sehr angespannt war. Man achtet ständig darauf, ob alles so ist, wie es sein sollte. Sind die Bewegungen richtig? Ist da ein komisches Geräusch? Werden wir zu schnell oder können wir den Kurs noch halten? Bei einem Sturm erlebt man alles viel intensiver als unter normalen Bedingungen . Allerdings hatte ich es auch ein bisschen leichter als Heike, denn ich war die meiste Zeit mit Steuern beschäftigt. Heike hat, als es richtig unangenehm war, viel Zeit unter Deck verbracht. Da fällt es umso schwerer, sich abzulenken. Glücklicherweise hat sie, angesichts der Menschen und der tollen Landschaft hier, den Gedanken die Reise abzubrechen, wieder verworfen. Sie ist auch einfach zu neugierig darauf, was wir noch alles auf der Reise erleben werden.

Salzwasserbad des Außenborders 

Das Wasser ist blau wie in einem Swimmingpool und der Anker liegt in zwei bis drei Metern Tiefe in feinem weißen Sand. Wir sind am schönsten Ankerplatz der bisherigen Reise: Um uns herum liegen nur drei andere Schiffe, ein paar Palmeninseln sind in der Nähe und es gibt tolle Riffe zum Schnorcheln. Wir wollen gerade zu einer Inselerkundung aufbrechen, als der Außenbordmotor beschließt ein Vollbad zu nehmen. Der Schreck ist riesig. Ohne den Außenborder sind wir ziemlich aufgeschmissen, da man unser Schlauchboot kaum gegen den Wind rudern kann. Ich springe ins Wasser, dort liegt er seelenruhig im weißen Sand. Mit einem Seil hieven wir ihn wieder an Bord. Jetzt ist guter Rat teuer. Wie rettet man einen ins Meer gefallenen Außenborder? In einem Buch habe ich dazu mal ein paar Zeilen gelesen, aber das hilft mir im Moment wenig. Mit viel Süßwasser spüle ich das gute Stück und blase anschließend mit der Dingi-Luftpumpe das Wasser aus allen Ritzen. Zum Schluss sprühe ich alles mit Kriechöl ein, das das letzte Wasser verdrängen soll. Heike schaut mir betrübt zu, sie hat wenig Hoffnung, dass der Motor noch einmal einen gesunden Laut von sich gibt. Außerdem überlegt sie gerade, dass ein neuer Motor unsere Reisekasse weit über die Maßen strapazieren würde. Verdammt. Das Dingi und der Außenborder sind unsere Haustür, unser Tor zur Welt. Ohne die beiden kommen wir nicht an Land. Für Häfen reicht das Budget nicht aus und Schwimmen ist keine echte Alternative. Ich beruhige Heike erst einmal und erkläre ihr, dass wir auch für kleines Geld ein ruderbares Beiboot selber bauen könnten, für mich aber Hopfen und Malz noch nicht verloren sei. Nachdem ich mich auch um Vergaser und Zündkerzen gekümmert habe, setze ich den Motor wieder zusammen. Kräftig ziehe ich mehrfach an der Reißleine und plötzlich beginnt er etwas schwerfällig zu tuckern. Wir sind überglücklich und wir können aufbrechen.

Haie auf dem Riff - ganz was Neues! 

Am Nachmittag machen wir eine Schnorcheltour, doch nach einer Viertelstunde sitzt Heike wieder im Dingi. Der Grund für das frühe Ende ihres Tauchvergnügens ist ihre erste Begegnung mit einem Hai. Als ich mich dem Dingi nähere, sehe ich ihn auch. Er schaut grimmig drein und zieht gemächlich seine Bahnen, ist aber nur armlang. Ich verrate ihr nicht, dass ich vor zehn Minuten ein gut zwei Meter langes Exemplar beobachtet habe, sondern schnorchele noch eine Weile neben dem Dingi her und genieße das farbenprächtige Riff. Heike zieht hingegen ein entspanntes Sonnenbad vor.

Ja, es geht uns wirklich gut, aber alles hat nun mal ein Ende und getrieben von den Jahreszeiten, die unseren Segelrhythmus bestimmen, müssen wir dieses kleine Paradies nach anderthalb Wochen schon wieder verlassen. Über Nacht segeln wir nach Colón und der Verkehr der großen Schiffe, die zum Panamakanal wollen, nimmt stark zu. Leider reißt uns auf dem kurzen Stück das altersschwache Großsegel in der Mitte durch. Ein neuer Punkt auf unserer Liste, die wir in Panama abarbeiten müssen.

Bürokratie in Panama

Das erste, das wir an diesem Morgen in Colón hören, überrascht uns jedoch sehr: „Kiwitt? Ihr seid doch die Vermissten!“ Wir schauen etwas fragend drein und erfahren dann, dass die Besatzung der Max, einem niederländischen Schiff, das mit uns in Curaçao gestartet war, uns in Colón vermisst hatte. Die beiden haben die San Blas Inseln ausgelassen und den Kanal schon hinter sich. Für uns hingegen beginnt das Prozedere erst, die Kanalfahrt muss organisiert werden. So stürzen wir uns in die Wirren von Colón. Das Schiff muss vermessen werden, der Messbrief zur Kanalbehörde und die Kanalfahrt bezahlt werden. Dass das Ganze nicht von heute auf morgen funktioniert, war zu erwarten. Irgendwann ist es aber soweit und wir sitzen bei der Kanalbehörde vor einem Berg Papieren. Wir kämpfen uns durch den Papierwust und bekommen im Anschluss die Aufforderung, bei der Citibank Colón das Geld zu bezahlen. Die Bank ist ganz in der Nähe, aber es stellt sich heraus, dass beide Kreditkarten nur bis 1000 Euro belastbar sind. Für die Durchfahrt müssen wir aber 1450 US-Dollar überweisen. Knapp 600 Dollar davon sind eine Kaution für eventuelle Schäden am Kanal. Der Betrag darf natürlich nicht gesplittet werden und so verlassen wir die Bank unverrichteter Dinge. Ich rufe zu Hause an und meine Mutter verspricht, morgen das Limit meiner Kreditkarte hoch setzen zu lassen. Ohne Verzögerungen würde uns ja fast etwas fehlen.

Kaputter Außenborder hält Sebastian auf Trab.

Wir sind mittlerweile schon eine ganze Woche in Colón. Allerdings nutzen wir die Zeit für Besorgungen und Reparaturen. Und davon gibt es genug. Zum Beispiel hat der Außenborder den Geist aufgegeben. Nein, nicht wegen seines Tauchgangs, sondern weil der Impeller gebrochen und der Motor heiß gelaufen war. Dabei ist ein Kolbenring zerbrochen und die Suche nach dem Ersatzteil dauert mehrere Tage. Der Fachhändler kann uns nicht helfen, da unser kleiner Mercury Motor nur in Europa verkauft wird. Also mache ich mich mit dem Messschieber bewaffnet auf den Weg von einer Rollerwerkstatt zur nächsten, Kolbenringe nachmessen. Eine typische Rollerwerkstatt in Colón erinnert jedoch eher an einen Schrotthandel. In einem Raum, der einer Abstellkammer gleicht, liegen durchaus 30 oder 40 zerlegte alte Roller auf einem Haufen. Nachdem man sich verständlich gemacht hat, und darin bin ich inzwischen sehr erfahren, man erinnere sich nur an den Ohrenarztbesuch, geht die Suche los. Berge von Schrott werden zur Seite geräumt, in Kästchen und Schubladen gekramt und alle erdenklichen Ringe zusammengetragen. In der zehnten Werkstatt finden wir dann einen Ring, der fast die richtigen Abmaße hat. Der Umfang ist lediglich ein paar Zehntel Millimeter zu lang und ich hoffe, dass ich ihn anpassen kann. Eine Wahl habe ich auch nicht wirklich, der Weg vom Ankerplatz bis zum Steg ist endlos lang. Bernhard will uns einen neuen Ring aus Deutschland schicken, aber auch dort muss er erst noch bestellt werden.

Irgendwann klappt es endlich mit der Zahlung bei der Bank und jetzt geht das Warten auf einen Schleusungstermin los. Um diese Zeit zu überbrücken und um besser vorbereitet zu sein, fahren wir auf einem anderen Schiff als Leinenhelfer mit. Um den Kanal zu befahren, müssen nämlich neben dem Steuermann und dem Lotsen noch vier Personen an Bord sein, die die Leinen bedienen. Für die Julia mit über zwölf Metern, mit der wir unsere erste Kanaldurchfahrt machen, ist das kein Problem, aber auf der acht Meter kleinen Kiwitt wird es da ganz schön eng werden.

Von Panama aus führte unser Weg weiter in die Südsee. Wir haben die Polynesische Inselwelt genossen und in Neuseeland halt gemacht. Über Südostasien traten wir schließlich den langen Rückweg nach Europa an...

Diese Serie hat offensichtlich soviel Aufmerksamkeit gefunden, dass Johannes Erdmann von der YACHT Sebastian und seinen Lehrer Bernhard besuchte und mit der Kiwitt auf einem Rheinarm gesegelt ist. Sein Bericht über das "segelnde Klassenzimmer" wird in YACHT 19/2014 erscheinen. Im Januar 2015 bringt der Äquator-Verlag das Buch von Sebastian Pieters heraus unter dem Titel „Auf acht Metern um die Welt - Großes Fernweh und kleines Budget“.