Nicht wenige Segler, die auf
Langfahrt gehen, denken in der Euphorie der Erfüllung eines Lebenstraums, dass
mit dem Loswerfen der Leinen auch die „Kündigung beim Deutschen Fiskus"
verbunden ist. Ist das zutreffend?
Neben den technischen, meteorologischen und
navigatorischen Aspekten der Langfahrt, die berechtigter Weise sehr intensiv
diskutiert werden, findet sich nirgends ein Hinweis darauf, dass ein Langfahrer
sich nicht in einem steuerrechtsfreien Raum befindet. Ist es kein Thema, oder
wird es nur totgeschwiegen? Nachfolgend soll an einem ganz einfachen, alltäglichen
Lebenssachverhalt dargestellt werden, dass sich Langfahrer eben gerade nicht in
einem steuerrechtsfreien Raum befinden und nach wie vor ihren steuerlichen
Pflichten nachkommen müssen.
Nach den Interviews mit Weltumseglern auf der Website von Bobby Schenk
(hier klicken)
wird monatlich ein
durchschnittliches Budget von rd. EURO 1.000 nur für den Lebensunterhalt benötigt.
Dazu kommen die Kosten für den Unterhalt des Schiffes und eventuelle Rückflüge
in die Heimat. Dieses Budget wird in aller Regel gespeist u.a. aus
Kapitalanlagen, aus Renten und Pensionen, aus Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung von Wohneigentum, aus dem Verkauf des eigenen Unternehmens (ggf. auf
Rentenbasis), aus Sponsoring-Einnahmen, aus der Vermarktung der
Reiseberichte.
Es werden also inländische Einnahmen erzielt, die nach dem
Welteinkommensprinzip in Deutschland steuerbar und steuerpflichtig sind.
Das deutsche Steuerrecht
unterscheidet grundsätzlich zwischen unbeschränkter und beschränkter
Steuerpflicht. Unbeschränkt steuerpflichtig ist der, der seinen Wohnsitz
im Inland hat. Im Ergebnis ist das der Fall, wenn er eine Wohnung hat, die über
eine Kochangelegenheit und sanitäre Anlagen verfügt. Wohnwagen oder Wohnmobil
zählen nicht dazu, eine Segel- oder eine Motoryacht auch nicht. Beschränkt
steuerpflichtig ist derjenige, der keinen Wohnsitz im Inland hat und auch
nicht seinen gewöhnlichen Aufenthalt, der aber bestimmte inländische Einkünfte
hat. In aller Regel kann man sagen, dass beschränkte Steuerpflicht bei gleichen
Einnahmen zu einer höheren Steuerbelastung führt, was darzulegen sein wird.
Gehen wir von folgendem Sachverhalt
aus:
Ein Ehepaar wohnt im eigenen
(Einfamilien-) Haus mit Einliegerwohnung und hat während des Berufslebens noch
zwei Immobilien erworben, die fremd vermietet sind. Beide beziehen noch
Renteneinkünfte. Für die geplante Weltumsegelung wird auch das derzeit noch für
eigene Wohnzwecke genutzte Haus vermietet. Lediglich die Einliegerwohnung wird
zurückbehalten, um bei Unterbrechungen der Weltumsegelung nicht im Hotel wohnen
zu müssen.
Nach der Systematik des deutschen
Steuerrechts behält das Ehepaar auch nach dem Loswerfen der Leinen und dem
Verlassen des „Küstenmeeres", d.h. der hoheitlichen Grenzen im Sinne des
„Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen" (SRÜ), die unbeschränkte
Steuerpflicht, weil das Paar nach wie vor einen „Wohnsitz" im Inland hat.
Nach der Definition der Abgabenordnung (§ 8 AO) hat jemand dort ein Wohnsitz,
„ … wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen
lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird." So auch die ständige
Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), hier beispielhaft aus dem Leitsatz
des BFH-Urteils vom 24. November 2002 (IR 100/99; IStR 2001, S. 349) zitiert:
„1. Ein inländischer Wohnsitz
führt auch dann zur unbeschränkten Ein- kommensteuerpflicht, wenn der
Mittelpunkt der Lebensinteressen sich im Ausland befindet.
2. Für die Begründung eines inländischen
Wohnsitzes im Sinne des § 8 AO kommt es auf den zeitlichen Umfang der Nutzung
nicht an."
Das hat zur Folge, dass die
erzielten Einkünfte jährlich innerhalb einer gesetzlich vorgegebenen Frist
erklärt werden und versteuert werden müssen, sofern sie den Grundfreibetrag
und die Sonderausgaben (z.B. für Kranken-, Pflege-, Unfall- und
Haftpflichtversicherung) übersteigen. Die Besteuerung erfolgt sicher zu einem
niedrigeren Steuersatz als zu Zeiten der aktiven Berufstätigkeit
(Progressionsunterschied). Das Ehepaar muss jährlich eine Einkommensteuererklärung
erstellen und beim örtlich zuständigen Finanzamt (Wohnsitzfinanzamt) abgeben.
Wird die jährliche Einkommensteuererklärung nicht rechtzeitig oder überhaupt
nicht abgegeben, so kann das Finanzamt Verspätungszuschläge und Zwangsgelder
festsetzten und schließlich eine Schätzung durchführen, die für den
Steuerpflichtigen in aller Regel zu einer empfindlichen Mehrbelastung führen
kann. Also: Auch wenn das Ehepaar mehrere Jahre auf Langfahrt unterwegs ist,
muss es seinen steuerlichen Pflichten nachkommen.
Die Erfüllung der steuerlichen
Pflichten ist zunächst eine Organisationsaufgabe, denn die entsprechenden
Belege müssen gesammelt und in der Einkommensteuererklärung abgebildet werden.
Die Erstellung der Einkommensteuererklärung mit den zugehörigen Anlagen kann
an einen Steuerberater delegiert werden, das Sammeln und Zusammenstellen der
Belege wohl eher nicht.
Sollten die Einkünfte des Ehepaares
nach Abzug der Sonderausgaben den sog. „Grundfreibetrag" nicht übersteigen,
kommt es trotz unbeschränkter Steuerpflicht nicht zu einer Steuerzahlung. Der
„Grundfreibetrag" beträgt nach dem Rechtstand ab dem
Veranlagungszeitraum 2010 EUR 8.004 für Alleinstehende und EUR 16.008 für
Ehepaare, die nicht dauernd getrennt leben. In einem solchen Fall kann beim
Wohnsitzfinanzamt unter bestimmten Bedingungen die Löschung der Steuernummer
beantragt werden. Das hat zur Folge, dass sich das Paar seiner steuerlichen
Pflichten entledigt, sozusagen eine „Kündigung beim Deutschen Fiskus".
Übersteigen jedoch die Einkünfte
des Ehepaares nach Abzug der Sonderausgaben den Grundfreibetrag, dann wird das
Einkommen nach dem sog. „Splittingtarif" für Ehepaare, die nicht dauernd
getrennt leben, versteuert, nicht nach der „Grundtabelle", die für
Alleinstehende und dauernd getrennt lebende Ehepaare anzuwenden ist. Die
Steuerschuld ist dann einen Monat nach Bekanntgabe des Bescheids an das
Wohnsitzfinanzamt zur Zahlung fällig.
Wandeln wir den beschriebenen
Sachverhalt etwas ab: Das Ehepaar hält die Einliegerwohnung nicht zurück,
sondern vermietet auch diese. In diesem Fall gestalten sich die Rechtsfolgen
grundlegend anders. Nunmehr unterhält das Ehepaar keinen Wohnsitz mehr im
Inland und hat auch seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr dort. Nach den
einkommensteuerrechtlichen Vorschriften sind natürlich Personen, die im Inland
weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, beschränkt
einkommensteuerpflichtig, wenn sie Einkünfte im Sinne des § 49
Einkommensteuergesetz haben. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung einer im
Inland belegenen Immobilie zählen zu den Einkünften im Sinne des § 49
Einkommensteuergesetzt (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG).
Damit ist das Ehepaar nun nicht mehr
unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, sondern beschränkt
einkommensteuerpflichtig, weil es inländische Einkünfte im Sinne des § 49
Einkommensteuergesetz, nämlich u.a. die Vermietungseinkünfte, bezieht. Vom
Wortlaut „beschränkt" mag man nun denken, dass die Steuerbelastung
geringer sein könnte als bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht. Diese
generelle Aussage lässt sich so nicht bestätigen. Der Begriff „beschränkt"
bezieht sich vielmehr auf die Anzahl der Einkunftsarten, die durch die Aufzählung
in § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 Einkommensteuergesetzt abschließend benannt sind.
Im Umkehrschluss folgt daraus, dass realisierte Einkünfte, die nicht in der
vorgenannten Vorschrift aufgezählt sind, nicht zur beschränkten
Einkommensteuerpflicht führen.
Welche Folgen für die Besteuerung
sind nun mit der „beschränkten Einkommensteuerpflicht" verbunden? Die
Vorschriften zur beschränkten Steuerpflicht sehen vor, dass beschränkt
Steuerpflichtigen u.a. der günstigere „Splittingtarif" nicht zu gewähren
ist, dass sich der Grundfreibetrag auf EUR 8.004 reduziert und dass ihnen kein
Sonderausgabenabzug gewährt wird. Im Ergebnis ist vereinfachend festzuhalten,
dass es bei beschränkter Steuerpflicht schon bei deutlich niedrigeren Beträgen
zu Steuerzahlungen kommt als bei unbeschränkter Steuerpflicht; darüber hinaus
ist die Steuerbelastung für Ehepaare höher, da zur Berechnung der
Einkommensteuer die „Grundtabelle" angewendet wird, nicht die
„Splittingtabelle".
Für die Besteuerung der Einkünfte
aus Kapitalvermögen halten die Vorschriften über die beschränkte
Steuerpflicht eine weitere „Überraschung" bereit. Seit dem Jahr 2009
erfolgt die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die sog.
„Abschlagsteuer", die bereits an der Quelle der Einkünfte erhoben wird.
Die Abschlagsteuer beträgt 25 % zuzüglich Solidaritätszuschlag (5,5 % darauf)
und ggf. Kirchensteuer. Insgesamt kann sich damit ein Steuersatz von rd. 29 %
ergeben, mit dem die Kapitaleinkünfte bereits an der Quelle belastet sind.
Liegt nun der Steuersatz insgesamt höher als 29 %, so verbleibt es bei der
Belastung der Kapitaleinkünfte mit der Abschlagsteuer, die damit begünstigt
sind. Liegt hingegen der Steuersatz unter 29 %, so werden die Kapitaleinkünfte
bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht mit dem niedrigeren Steuersatz
veranlagt, es kann dann zu einer Erstattung von Abschlagsteuer kommen. Nach
dieser Vorgehensweise erfolgt die Veranlagung von unbeschränkt
Einkommensteuerpflichtigen. Bei Steuerpflichtigen, die beschränkt
Einkommensteuerpflichtig sind, gilt bei Kapitaleinkünften die Einkommensteuer
durch den Steuerabzug (Abgeltungsteuer) als abgegolten, so dass hier nicht die Möglichkeit
der Reduzierung der Abgeltungsteuer durch die Veranlagung besteht.
Ergänzen wir den Sachverhalt
insoweit, als das Segler-Ehepaar unterwegs Einnahmen durch Kojencharter und die
Erbringung sonstiger Dienstleistungen erzielt. Nach dem Welteinkommensprinzip
sind solche Einnahmen bei unbeschränkter Steuerpflicht in Deutschland zu erklären
und grundsätzlich auch zu versteuern, es sei denn, die Bestimmungen eines
Doppelbesteuerungsabkommens sehen etwas anderes vor. Sind die
Tatbestandsvoraussetzungen für die unbeschränkte Steuerpflicht nicht gegeben,
so ist im Einzelnen zu prüfen, ob die betreffenden Einnahmen überhaupt zur
beschränkten Steuerpflicht führen.
Ergänzend ist an dieser Stelle noch
darauf hinzuweisen, dass es sich bei Sponsoring-Einnahmen ("Premiumpartner")
grundsätzlich auch um
steuerpflichtige Einnahmen handelt, unabhängig davon, ob es Barleistungen oder
Sachleistungen sind.
Der vorgestellte einfache
Sachverhalt und die daraus abgeleiteten steuerlichen Folgen, lassen es jedem
Langfahrer dringend geraten erscheinen, sich vor Fahrtantritt eingehend beraten
zu lassen. Dies nicht nur vor dem Hintergrund der Reduzierung der Steuerlast
durch geeignete Sachverhaltsgestaltung, sondern auch und insbesondere im
Hinblick auf die steuerrechtlichen Strafvorschriften. Im Rahmen einer solchen
Beratung muss das Augenmerk insbesondere auch darauf gerichtet werden, ob, und
wenn ja, wie die Langfahrer ihre Reise „vermarkten" wollen, um damit
weiter Einnahmen zu erzielen. Zu denken ist hier vor allem an
Sponsoring-Einnahmen, an die Vermarktung von Videos, Kalendern,
Zeitschriftenartikel und Büchern. Die Einnahmen, die der Langfahrer aus
Sponsoring erzielt, stellen bei den Sponsoren Betriebsausgaben dar. Im Rahmen
von Betriebsprüfungen verschickt das prüfende Finanzamt regelmäßig sog.
„Kontrollmitteilungen" an das Wohnsitzfinanzamt desjenigen, der die
Sponsorengelder erhalten hat. Auf diese Weise wird überprüft, ob diese
Einnahmen auch versteuert wurden. Ist das nicht der Fall, wird der
Steuerpflichtige -im angenehmsten Fall - zur Nacherklärung aufgefordert; im
unangenehmen Fall wird der Sachverhalt von der Steuerstrafstelle abgewickelt.
Ein anderer steuerlicher und
zivilrechtlicher Aspekt ist ebenfalls vor Antritt der Langfahrt dringend zu
bedenken und zu gestalten, nämlich die Frage, was passiert, wenn aus der
geplanten Weltumsegelung die „Letzte Reise" wird. Die Gestaltung von
Erbfolgeregelungen ist schon unter „normalen" Umständen eine
ausgesprochen sensible Angelegenheit, wie dann erst in der Hochstimmung vor
Antritt der Weltumsegelung.
Abschließend bleibt festzuhalten,
dass bereits bei einem so einfachen Sachverhalt, wie er vorab geschildert wurde,
weitreichende steuerliche Konsequenzen entstehen, noch dazu auf einem sehr
komplexen Rechtsgebiet, nämlich dem Außensteuerrecht. Im Internet finden sich
auf den einschlägigen Websites zahlreiche Checklisten zur Vorbereitung der
Langfahrt. Allen gemein ist, dass die geschilderte Steuerrechtsproblematik unberücksichtigt
bleibt. Vor diesem Hintergrund ist jedem Segler, der auf Langfahrt geht, dringen
anzuraten, sich an einen Steuerberater seines Vertrauens zu wenden, der vor
allem auch mit den außensteuerrechtlichen Vorschriften und der entsprechenden
Rechtsprechung dazu vertraut muss. Im Rahmen dieser Beratung ist dann zunächst
die steuerliche Situation zu überprüfen und - wenn möglich- eine geeignete
Sachverhaltsgestaltung zu erarbeiten, um schließlich die Deklarationsberatung
durchzuführen, um Sanktionen zu vermeiden.
Wirtschaftsprüfer / Steuerberater
Dipl.-Kfm. Jochen H. Knapp
Tel. 06421-886670, 0172-611 33 37,