Eine
Lanze für eine "kleine" Bootsausstellung
Bobby
Schenk
Eine
Bootsmesse im tiefsten Binnenland, dazu in einem Land, das keinen Meter
Küstenlinie hat, jedenfalls nicht mehr! Große Marinetradition ist jedoch
präsent. Was wir in Deutschland gar nicht so recht realisieren, ist die
Tatsache, dass die Alpen-Marine einst ungleich schlagkräftiger war als die
(Reichs-)deutsche Seemacht Bismarcks. Heute gibt es eine Seemacht Österreich
nicht mehr, doch die Liebe zur See und zu Schiffen, speziell zu Yachten ist
geblieben. Und so handelt es sich bei der Bootsmesse in Tulln (Nähe Wien) um
eine Ausstellung mit viel maritimem Flair. Der Charme des Mittelmeers in der
Kleinstadt Tulln
allgegenwärtig.
Knappe
50 Tausend Besucher zieht die alljährliche Tullner Messe an, damit ist sie etwa
halb so groß wie die Hanseboot oder die liebenswerte Interboot in
Friedrichshafen, auch mit mehr Nähe zum Mittelmeer, was die Exponate
anbetrifft. Die BOOT in Düsseldorf, einst die größte Bootsmesse der Welt
verzeichnet heutzutage gut 200 Tausend Besucher, fast 400 Tausend waren es zu
ihren Glanzzeiten. Bei der
Tullner Messe indessen merkt man keinen Rückgang, sie ist so wie eh und je - eine
Ausstellung für Hochseesegler mit Schwerpunkt Mittelmeer. Und internationalem
Flair. Übersichtlich ist sie und weiträumig, wunderbar geeignet zum Herumspazieren. Das Angebot ist
für den Durchschnitts-(Hochsee-)Segler
vollkommen ausreichend. Wollen wir ernsthaft eine 20-Meter-Yacht in Erwägung
ziehen? Oder eine 30-Meter-Motoryacht, wie sie in Düsseldorf thront? Nüchtern
betrachtet sind wir dort von den Ausstellern nicht gerne gesehen . Wir stehlen
ja nur deren Zeit mit unseren neugierigen Fragen, die dem geschulten und
glatten Verkäufer sofort signalisieren, dass kein zukünftiger Kunde vor ihm
steht. Nein, es reicht doch, wenn wir uns Anregungen von ausgestellten Yachten
in der 30 bis 40-Fuß-Klasse holen. Und massig muß das Angebot auch nicht sein,
denn wir haben ja schon eine Yacht und der Besuch auf dem Ausstellungsschiff
dient vielen doch nur dazu, Vergleiche mit der eigenen Yacht am Mittelmeer oder mit
der in die nähere Auswahl kommenden Charteryacht in Kroatien zu ziehen.
 Im
Gegensatz zu den riesigen Ausstellungen in Genua oder Düsseldorf, wo das
Angebot den kleinen Hobbysegler fast erschlägt, bietet Tulln wohltuende
Übersichtlichkeit, was auch daran liegt, dass sich die Aussteller mit Randthemen aus
unserer Sicht (Tauchen, Kiting, Rudern, Surfen) jedenfalls nicht
aufdrängen. Obwohl die Messe nur vier Tage (Donnerstag bis Sonntag) geöffnet
ist,nehmen sich die Aussteller viel Zeit, nette Gespräche zu führen,
ohne dass der Eindruck entsteht, hier müsse unbedingt verkauft werden.
Zubehör (Leinen, Elektronik, Literatur, Beiboote, Elektrik, sogar ein selten
gewordener Platiksextant) wird ausreichend
angeboten. Und wenn mal was nicht auf der Messe vertreten ist, steht ja heute
jedem die Möglichkeit offen, zu Hause am PC zu wählen und zu ordern.
Bootsausstellungen leiden seit Jahren unter den Internet-Möglichkeiten, die
Aussteller machen oft kein Hehl daraus, dass sich die Kunden heutzutage schon
vor der Messe auf diesem Weg kundig machen und der Messebesuch nur noch dazu dient, den
Eindruck von einer Firma mit persönlichen Akzenten abzurunden.
Gut
besucht waren die Rahmenprogramme, meist Vorträge von Weltumseglern. Da braucht
sich Tulln nicht vor anderen Messen zu verstecken, ein Blauwasserseminar gab es
dort, im tiefen Binnenland Österreich, schon vor 10 Jahren. Und Ozean-Prominenz
zum
Anfassen war zum Teil weithergekommen und verbreitete weltweites Flair in der
beschaulichen Stadt Tulln mit ihren gerademal 14 Tausend Einwohnern. Die
österreichische Segellegende und sicher einer der bekanntesten Katamaransegler
Wolfgang Hausner war aus den Philippinen angereist (siehe
Weltumsegler-Ehrentafel - hier), in seiner Begleitung seine
in Tahiti geborene Tochter
Vaitea (Foto links) . Die Dauersegler Seenomaden (siehe
hier) berichteten
täglich hochprofessionell über ihre
Weltreisen. Und aus dem Söhnchen Finn von
Alexandra und Peter Schöler ist nach deren Weltumsegelung mit dem
Warrham-Kat Risho Maru (hier) ein richtiger junger Herr geworden. Gesichtet wurden
auch die Weltumsegler Uli und Lazi von der selbstgebauten Stahlyacht GOLDEN TILLA,
(hier) Lore und Peter Scheiblbrandner (hier)
und Elisabeth, sowie Gerald vom selbstgebauten Kat TAUGL
(hier).Was darauf hindeutet, dass die Weltumseglerdichte in Österreich
wahrscheinlich höher liegt als in Deutschland mit der 10fachen-Einwohnerzahl.
Schmerzlich
vermißt wurde die gute, alte Charterfirma Eckeryachting, und zwar die, wie sie vor
fünf Jahren war. Das großspurig angekündigte Auftreten der "neuen"
Firma Eckeryachting ist ausgefallen. Bei der beachtlichen Anzahl von Geschädigten
aus der Zeit nach dem Ausscheiden des Gründers Kurt Ecker und den vielen
fehlenden Millionen wäre deren Präsenz auch nur peinlich gewesen. Nach
Gesprächen mit früheren Angestellten der Firma und Geschädigten drängt
sich mir der Verdacht auf, dass der Auftritt nicht nur mangels Masse,
sondern auch aus Sicherheitsgründen wenige Tage vor der Messe abgesagt wurde.
 Aber
ansonsten: Tulln hat seinen Charme für Hochseesegler mit Schwerpunkt Mittelmeer
beibehalten. Das Ambiente ist - im guten Sinne - dörflich geblieben. Die
großzügigen Parkplätze sind immer noch ungeteert, was dieses Jahr mangels dem üblichen
Regen nicht weiter aufgefallen ist.
Vor
ein paar Jahren sagten viele das Ende der Bootsmesse in Tulln voraus. Der
größte Messeveranstaler der Welt wollte nämlich in Zusammenarbeit mit der
Hanseboot in Hamburg den Österreichern zeigen, wo es langgeht. Man träumte von
gigantischen
Zuschauerzahlen, schließlich liegt Wien vor den Toren
Ungarns und dem weiten Osten. Nicht wenige, darunter auch ich, hatten damals schon Mitleid
mit dem gemütlichen Tulln und seinen sympathischen Veranstaltern. Der Traum der
Wiener war allerdings bald ausgeträumt. Zwei
chaotische Versuche einer Yachtmesse in Österreichs Hauptstadt endeten kläglich mit viel
Grant und bewiesen nachdrücklich: Tulln ist halt doch die beste Bootsmesse von
Österreich, und das sicher noch für lange Zeit.

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