Blauwassersegeln im
Wandel Nachfolgender Artikel erschien 1972 in der YACHT.
Er gibt ganz gut wieder, wie es "damals" so mit dem
Weltumsegeln war. Er entstand im Yachtclub von Durban, nach der fast immer rauen
Überfahrt über den Indischen Ozean. Versammelt sind alle Blauwassersegler,
die sich das Hafenbecken vor dem Sprung zum Kap der Stürme teilten. Immerhin
fünf Yachten! Was deshalb interessant ist, weil damals kaum ein Weltumsegler
durch das Rote Meer gesegelt ist. Nicht etwa wegen der Piraten - das war damals
noch kein Problem, sondern weil die Passage durchs Rote Meer als schwieriger
galt, als der lange "Umweg" um das Kap der Guten Hoffnung. Das waren
also fast alle Yachten, die um diese Zeit dort auf dem weg um die Welt waren.
Heute segeln allein über den Atlantik pro Saison ein halbes Tausend!
Noch bezeichnender für den Wandel
im Weltumsegeln: Graue Köpfe waren unter den Yachties im Artikel nicht
vertreten. Alle waren Leute im besten Alter, höchstens 40 Jahre alt. Rentner
und Pensionisten, die heute den Hauptanteil unter den Langfahrtseglern
ausmachen, gab es praktisch nicht. Es sei ihnen vergönnt, aber schade ist es
doch, dass unternehmungslustige junge Menschen ihr Leben damit vertrödeln, für
alle Fälle abgesichert zu sein. Die Vollkasko-Mentalität, wie sie sich heute
in unsere Gesellschaft reinfrisst, war den (jungen) Leuten
dieser Kafferunde noch fremd. Sympathisch!
Andererseits ist es interessant, welche Themen die Blauwassersegler von damals bewegt haben,
wie verblüffend, dass viele Probleme gleichgeblieben und nach wie vor ungelöst sind. Das gilt nicht für die Navigation, die damals Hauptthema war. Aber vielleicht ist es nachdenkenswert, welche Vorteile die Blauwassersegler heute dem GPS verdanken und wie hilflos sie sicher sein werden, wenn
das GPS mal aussteigt. Das ist der Artikel aus der Yacht von 1972:
Globetrotter unter Segeln
Bobby Schenk lief auf seiner Südafrika-Visite auch die Hafenstadt Durban an. In Durban befragte er “bei mörderischer Hitze" sieben “Yachties" über ihre Erlebnisse und Erfahrungen, die für etwaige Nachfolger hilfreich sein
könnten.
Text und Fotos: Bobby Schenk.
v.l.n.r.: Bob und Sheila (Ard Scholas), Roger undSheila (Kuan Yin), Claess (Rik), Ulf mit Hund Suzie (SuzieII), Welmoed (Rik), Carla (Thalassa).
YACHT:
So eine Weltreise wie ihr sie gerade macht, kostet sicher eine Menge Geld.
Wieviel gebt ihr so pro Monat aus?
ULF:
Das kommt ganz drauf an, wie man sein Leben lebt. Im wesentlichen muß dafür
natürlich das Mädchen aufkommen, das ich jeweils an Bord habe. Das ist ganz
gerecht, denn ich stelle ja die Yacht. Auf diese Weise hab' ich die zwei Jahre
im Pazifik finanziert. Ich hatte da eine englische Malerin an Bord die machte in
den Neuen Hebriden und Neu-Guinea Ausstellungen und verkaufte ganz gut. Wichtig
ist auch, ob man zollfrei einkaufen kann und wie der Fischfang läuft. 150
Dollar für zwei sollten genug sein — Bootsunterhaltung nicht eingeschlossen.
CLAES:
Wir verbrauchen im Jahr ungefähr 5000 Dollar. Wir leben ganz gut davon. Hotel
und ähnliche Scherze sind da natürlich nicht drin.
WELMOED:
Zum Essen gehen wir oft aus. In Bali haben wir nur in Restaurants gegessen, dort
hättest du an Bord nicht billiger leben können.
ROGER:
Mehr als alles andere geht natürlich die Trinkerei ins Geld. Viel hängt davon
ab, was die Natur dir gibt. Wir waren da ganz erfolgreich. In Polynesien hatten
wir vier Monate lang täglich drei Fischmahlzeiten. Da halten sich dann die
Lebenskosten in vernünftigen Grenzen. Sagen wir mal so 3000 Dollar im Jahr. Für
unser Boot haben wir da wenig ausgegeben, obwohl das sicher falsch war. Aber wir
hatten nicht das Geld dazu. Deshalb sind wir auch zum Arbeiten nach Australien
runtergesegelt. 3000 Dollar reichen also genaugenommen nicht.
YACHT:
Das ist ja doch ziemlich viel. Ihr arbeitet - wenn überhaupt - nur von Zeit zu
Zeit. Wovon lebt ihr da?
ULF:
Ich war Flieger und hatte einen Unfall. Da hat man mich 1967 in Pension
geschickt.
CLAES:
Bevor wir losfuhren, verdienten wir uns das
nötige Geld. Jetzt ist es fast aufgebraucht.
BOB:
Wir haben uns das Geld zusammengespart. Das Boot hat uns allein 12 000 Dollar
gekostet. Da blieb uns nicht mehr viel übrig. Deshalb mußten wir beide auch
jetzt wieder arbeiten.
ROGER:
Bei uns dasselbe. Ich arbeite hier als Verkäufer. Wir wollten uns hier ja
niederlassen. Aber das Leben in der Stadt behagt uns gar nicht. Wir haben schon
wieder vor, loszufahren.
YACHT:
Was reizt euch denn eigentlich am Fahrtensegeln so sehr?
CLAES:
Schwer zu sagen; es treibt uns hinaus, und kaum ist man draußen, sehnt man sich
in den nächsten Hafen. Im Hafen sind wir dann nach ein paar Tagen schon wieder
unruhig. Ich habe von vielen Yachties gehört, daß sie ungern segeln. Ich denke
nicht so. Ich freue mich jetzt schon wieder auf den Atlantik.
ULF:
Ach ja . . . auf dem Deck liegen, über dir die zwei weißen Flügel, während
der Bug durchs Wasser schneidet. Tag und Nacht, Sonne und Sterne. Das ist Segeln
im Passat, das ist Schönheit des Lebens.
YACHT:
Ulf, du warst Pilot, da gab's für dich sicher keine Schwierigkeiten, Navigation
zu lernen?
ULF:
Nein, nein. Wir haben damals nie den Sextanten benutzt. Wir sind immer nach
Flugfunkfeuern geflogen. Fürs Segeln hab' ich mir einfach ein Buch gekauft und
hab's danach gelernt.
ROGER:
Ich hab' einen Fernlehrgang mitgemacht, aber nur für terrestrische Navigation.
Das war sehr gut. Das andere hab' ich mir selbst beigebracht. Später hatte ich
das Glück, daß mir der Skipper von “Faith Jones" noch die Tafeln H. O.
249 beigebracht hat. Damit bin ich sehr zufrieden.
WELMOED:
Wir benutzen alle die H.O. 249. Alles andere ist längst überholt.
YACHT:
Was benutzt ihr sonst für Navigationshilfen?
ULF:
Ein wichtiges Instrument ist der Funkpeiler. Fast überall auf der Welt gibt's
Funkfeuer. Nur einmal bin ich reingefallen, das war vor Galapagos . . .
CLAES:
Aber die haben doch eins am Flughafen . . .
ULF:
Fehlanzeige, ich trieb drei Wochen im Regen 'rum und habe nichts gehört. Keine
Sterne, nichts. Landvögel ja, aber sonst keine Spur von Land. Hab's dann
aufgegeben und bin abgedreht.
CLAES:
Du brauchst gar keinen speziellen Funkpeiler. Irgendein Transistorradio, das über
die entsprechenden Frequenzen verfügt, tut's auch.
ROGER:
Wir haben bedauert, daß wir keinen richtigen Funkpeiler hatten. Vor Durban,
Australien und Cocos Keeling hätten wir ihn notwendig gebraucht. Hier vorm
Hafen haben wir einen halben Tag verloren, weil wir mangels Funkpeiler die Stärke
des Agulhas-Stromes nicht feststellen konnten. Ein Funkpeiler wäre eine bessere
Geldanılage als ein Marinesender.
ULF:
An anderen Navigationshilfen hab' ich zwei Logs an Bord. Ein VDO- und ein
Walker-Log. Die weichen aber stark voneinander ab.
ROGER:
Wir benutzen auch ein Walker-Log, aber ein Fisch hat uns den Impeller
weggeschnappt.
ULF:
Das beste ist sicher das Walker-Log. Man kann's auch leicht vermeiden, daß
Fische an den Impeller gehen. Man braucht bloß den letzten Meter der
Schleppleine mit einem Epoxikleber zu tränken, die Leine wird steinhart, und
der Fisch spuckt das Ganze wieder aus. Am Anfang hatte ich auch ein
elektronisches Log. Absolut untauglich, in ganz kurzer Zeit von Korrosion
zerfressen.
YACHT:
Was war auf eurer Reise die kritischste Situation?
ULF:
Das schlimmste Erlebnis war das Schwimmen weit draußen im Pazifik, als ich beim
Austreten über Bord fiel. Ich hatte ein Mädchen an
Bord. Sie hatte vom Segeln keine Ahnung und konnte das Boot deshalb auch nicht
zum Stehen bringen. “Hol die Segel runter", schrie ich hinter dem Schiff
her. Dann verschwand das Boot am Horizont. Fünf Stunden später war ich wieder
an Bord. Ich sage euch, das war vielleicht eine harte Schwimmerei. Der Mond war
schon aufgegangen. So konnte ich an ihm ganz gut sehen, wie die Stunden
verrannen. Ihr war es endlich gelungen, eine Fock runterzubringen. Das stoppte
das Boot, und ich konnte es einholen.
CLAES:
Ich hätte beinahe mein Boot verloren, als wir vor der Torresstraße aufs Riff
liefen. Aber darüber möchte
ich lieber nichts erzählen.
ROGER:
Im Großen Barriere-Riff fiel ich über Bord als ich die Spinnakerbäume
ausbringen wollte. Eine Klampe, auf der ich gerade ein Fockfall belegen wollte,
brach aus. Glücklicherweise konnte ich mich an diesem Fall durchs Wasser
schleifen. Sheila brachte aber nur eines der Passatsegel 'runter, weil ich ja am
Fall hing. Sie warf mir dann eine andere Leine zu und schnitt das Fall durch.
Der Wind war so stark, daß wir das Boot nicht in den Wind bringen konnten, auch
nicht mit der Maschine Schließlich bin ich dann doch wieder an Bord gekommen
Hoffe, daß so eine schlimme Sache nicht mehr passiert.
ULF:
Meine Erfahrung au dieser Geschichte: Immer so fort die Segel runter. Probi
er
bloß nicht, zurückzusegeln. Reiß die Segel runter und warte auf den
Kameraden. Wenn er innerhalb von zwei Tagen nicht erschienen ist, dann kannst du
meinetwegen weitersegeln. Aber wenn du zurücksegelst, nimmst du ihm die letzte
Chance, dich jemals wieder einzuholen, denn finden wirst du ihn bestimmt nicht.
ROGER:
Unser Schiff hat viel Freibord und treibt deshalb schnell ab. Da mußt du schon
ziemlich schnell schwimmen, um da nachzukommen. Als ich über Bord gegangen bin,
hätte ich so keine Möglichkeit mehr gehabt, an Bord zu kommen.
YACHT:
Ulf und Roger, ihr seid beide über Bord gegangen. Tragt ihr denn keine
Sicherheitsgurte?
ULF:
Seit diesem Schock benutze ich einen Gurt. Natürlich nur bei rauher See, wenn
ich aufs Vorschiff gehe. Bin jetzt sehr vorsichtig geworden.
ROGER:
Es ist unglaublich, aber die Gefahr, über Bord zu gehen, ist außerordentlich
groß, wenn man bedenkt, daß beim Whitbread-Race drei Leute auf diese Weise
verloren gingen. Wir legen natürlich auch nicht immer einen Sicherheitsgurt an.
In rauhem Wetter hängen wir uns aber auch an, wenn wir am Ruder sitzen. Dann
aber so kurz wie möglich. Ist man dann schläfrig und kommt eine See über,
fliegt man nicht gleich aus dem Cockpit. Bei rauhem Wetter nehm' ich den Gurt
mit aufs Vorschiff und hak' mich dort irgendwo ein. Dann hab' ich zwei Hände
frei, und ich komm' viel schneller mit meiner Arbeit voran.
YACHT:
Gehst du nachts auch dann aufs Vorschiff, wenn Sheila schläft?
ROGER:
Wir haben uns das folgendermaßen zurechtgelegt: Liegt Sheila in der Koje, rufe
ich runter, daß ich nach vorne muß. Von dort melde ich mich dann. Sie muß
sich dann solange wachhalten, bis ich wieder zurück bin.
YACHT:
Habt ihr jemals eine Schwimmweste benutzt?
WELMOED-
Ja, im Hurrikan Bebe.
ROGER:
Wir benutzen sie regelmäßig - als Kissen und für ähnliche Zwecke. Einmal
hatten wir einen Nichtschwimmer an Bord, der wollte aber unbedingt ein Bad
nehmen. Wir steckten ihn in eine Schwimmweste, und er sprang über Bord. Er soff
sofort ab. Glücklicherweise konnten wir ihn gerade noch rausholen. Vollkommen
ungenügender Auftrieb.
BOB:
Wir benutzen sie, wenn's rauh ist und wir mit dem Dingi an Land gehen.
YACHT:
Roger, die erste Hälfte von deinen 25 000 Seemeilen bist du ohne
Selbststeuerung gesegelt. In Australien hast du dir dann eine angeschafft. Wie
ist der Unterschied?
ROGER:
Ohne Selbststeuerung siehst du natürlich viel mehr. Wir hatten auch ein
besseres Gefühl für die Seen. Wir experimentierten viel mit den Segeln 'rum,
um das Boot zum Selbststeuern zu
bringen. Das klappte auch ganz gut, vor allem unter Passatsegeln. Aber wir
verloren dadurch viel Geschwindigkeit. Dieses Problem hast du mit einer
Steueranlage nicht. Sie ist die ideale Lösung.
BOB:
Ich glaube, keiner, der mal eine Selbststeuerung hatte, würde die Reise ohne
sie fortsetzen.
YACHT:
Seid ihr mit euren Anlagen zufrieden?
ROGER:
Meine ist Eigenbau. Anfangs hatte ich damit Probleme. Wir haben niemals
herausgebracht, an was das lag. Jetzt arbeitet sie gut. Wir hatten einmal eine
gute Vergleichsmöglichkeit, als wir länger mit “Bebinka" in
Sichtweite segelten. Die haben eine Hasler, aber meine hielt vor dem Wind viel
besseren Kurs.
BOB:
Ich hab' meine auch selbst gebaut, System Hasler. Ohne Zweifel ist die
Aries-Anlage die beste. Aber mir reichen die Leistungen meiner Anlage voll aus.
Sie steuert jedenfalls besser als wir selber. Als wir noch “ohne"
segelten, konnten wir das Rad nicht eine Sekunde verlassen. Jetzt gehen wir nie
mehr Ruder. Natürlich darf man keinen geraden Kurs erwarten, vor allem nicht,
wenn der Wind achterlicher als dwars kommt. Mit 10 oder 20 Grad
plus oder minus muß man schon rechnen.
YACHT:
Selbststeuerung ist sicher eine feine Sache, aber wie steht's mit dem Ausguck?
CLAES:
Auf hoher See, außerhalb der Schiffahrtslinien, schlafen wir. Wir haben das
Topplicht brennen. Ich bezweifle aber, ob das eine gute Idee ist, überhaupt ein
Licht zu haben. Ich habe eben im Mozambique-Kanal erlebt, daß durch unser Licht
große Schiffe wie Moskitos angelockt wurden. Die sind neugierig und wollen dich
ganz aus der Nähe sehen. Das ergibt vielleicht gefährliche Situationen !
ULF:
In Küstennähe hab' ich auch viele Schiffe gesehen, aber noch nie eines auf
hoher See.
CLAES:
Wir machten im Atlantik, im Indischen Ozean und im Pazifik jeweils nur ein
einziges aus.
ROGER:
600 Meilen vor der Küste Floridas trafen wir mehrere außerhalb jeder
Schiffahrtslinie. Eines ist ganz nahe gekommen. Wir haben Kurs geändert, aber
der andere auch. Der ist uns direkt nachgefahren. Ich weiß nicht, was die
wollten. Viel
leicht waren es moderne Seeräuber. Wir hörten schon oft, daß es das auch
heute noch gibt, vor allem vor der Küste Südamerikas.
CLAES:
Wir wurden in Kolumbien ausgeraubt. Ich kam mit einer Pistole an Deck, aber das
kümmerte die Gauner gar nicht. Erst als Welmoed einen Schrei ausstieß, flüchteten
sie. Der Polizeichef war hernach ausgesprochen ärgerlich darüber, daß ich auf
die Banditen nicht geschossen hab. Er setzte sich höchstpersönlich an die
Schreibmaschine und tippte mir einen Befehl aus, - ich hab' das Papier heute
noch - daß ich auf alles, was sich meinem Boot nähert, schießen muß. Die
Polizisten haben sich auch darüber aufgeregt, daß meine Pistole ein so kleines
Kaliber hat.
YACHT:
Jetzt zu anderen Explosivstoffen. Was für einen Brennstoff benutzt ihr zum
Kochen?
ULF:
Ich hab' Gas. Aber auf mein nächstes Schiff kommt keines mehr. In der Karibik
hatte ich vier Explosionen an Bord. Die See war sehr rauh, und eine
Vorratsflasche fiel um und wurde
dadurch undicht. Normalerweise wäre nun das Gas ins Cockpit geströmt und von
da durch die Lenzrohre nach draußen. Durch die hohe Geschwindigkeit staute sich
aber das Gas irgendwie und konnte nicht abfließen. Es füllte die Plicht auf
und gelangte dann über den normalen Belüftungskreislauf in das Schiffsinnere.
Als ich die Batterie nachladen wollte hat's dann gekracht. Bruchteile von
Sekunden später folgten drei andere Explosionen. Ich erlitt schwere
Verbrennungen und war die erste Zeit erblindet.
CLAES:
Hast du nichts gerochen?
ULF:
Nicht die Spur. Das ist wirklich eine gefährliche Sache. Ich war ein zweites
Mal nahe dran, als der Gummischlauch, der zum kardanischen Kocher führt, im
Seegang fast durchgescheuert war. Aber das habe ich recht
zeitig bemerkt. Man muß das täglich überprüfen.
CLAES:
Unser Schiff ist eine schwimmende Atombombe. Wir haben fünf Gasflaschen an
Bord. Die wir gerade benutzen, steht an Deck, die anderen liegen in der
Backskiste, aber so, daß sie nicht verrutschen können. Die Geschichte von Ulf
beunruhigt mich aber trotzdem sehr, denn bis jetzt war ich immer der Meinung,
man müsse das riechen.
WELMOED:
Früher hatten wir Petroleum, aber diese Vorheizerei ist so unpraktisch, und außerdem
kann man damit auch ein ganz schönes Feuerchen machen, was uns auch schon
passierte. Ein Gasofen ist leichter in Ordnung zu halten.
BOB:
Wir haben eine Tiefkühltruhe an Bord. Wenn wir von gefrorenem Fleisch einen
Braten machen, brauchen wir im Bratrohr soviel Hitze, wie wir sie mit Petroleum
nie erzeugen könnten.
YACHT:
Kochen die Damen unterwegs bei jedem Wetter?
WELMOED:
Selbstverständlich, das ist nicht schlimm. Wir essen nie aus
kalten Konserven. Eine große Erleichterung für die Bordfrau ist der
Druckkocher. Ich könnte ohne den nicht auskommen. Wir machen damit sogar unsere
eigenen Konserven - Prinzip Einweckerei. Hält für zwei Jahre. Auf diese Weise
haben wir eine ganze Ziege und zwei Schildkröten verarbeitet. So ein kräftiges
Essen ist besonders gut bei schlechtem Wetter.
YACHT:
Was war euer schlimmstes Wetter?
ROGER:
Das hängt nicht von der Höhe der Wellen oder der Windstärke ab. Schlimmer als
Sturm kann zum Beispiel wenig Wind und hohe Kreuzsee sein. Der stärkste Wind
war bei Rarotonga, ungefähr zehn Windstärken. : *.
BOB:
Unser schlimmstes Wetter war hier draußen vorm Hafen mit 8 bis 9 Beaufort.
ULF:
Ich erlebte einen schlimmen Sturm in der Biskaya. Sechzehn Seeleute verloren in
dieser Schreckensnacht ihr Leben. Ich hatte die Sturmfock gesetzt und mich nach
unten verkrochen.
YACHT:
Habt ihr euch einen Plan zurechtgelegt, was ihr in einem “Sturm aller Stürme"
machen würdet?
ROGER:
Ja, sicher. Als wir letztes Jahr im Radio hörten, daß Hurrikan Bebe hinter uns
her war, überlegten wir uns genau die Maßnahmen, die wir ergreifen würden.
Bebe holte uns nicht ein, aber das Ganze hätte bei uns so ausgesehen: Unser großes
Cockpit muß vor allem verkleinert werden. Dafür haben wir Holzbretter dabei,
die wir dann quer übers Cockpit nageln. Alles, was vom Mast runtergeholt werden
kann, muß runter, auch die Bäume. Die müssen unter Deck. Alles, was sich
bewegen könnte, wird rücksichtslos festgenagelt. Dafür hab' ich 10-cmNägel
dabei. Ich nagle alles zu, vor allem die Luken. Ob ich das Boot hinterher wieder
auseinanderkriege, ist eine andere Frage. Auftriebskörper wie Fender und
Schwimmwesten werden ans Dingi gebunden, auch die Rettungsinsel.
YACHT:
Schlechtes Wetter könnt ihr auch auf dem Ankerplatz antreffen. Was für Anker
benutzt ihr?
CLAES:
Wir fahren vier. Einen sehr großen Stockanker, einen schweren Pflugscharanker
und zwei kleine Danforth.
BOB:
Wir haben Danforth-Anker. Ich glaub', diese und der Pflugscharanker sind die
besten. Aber nur, wenn es der Original CQR ist. Dann stimmt die
Gewichtsverteilung und alles.
CLAES:
Mit dem 65-Pfund-CQR ritten wir Bebe aus. Auf der Kette war ein unglaublicher
Zug. Die war hernach zehn Prozent länger als zuvor. Ich dachte, den kriegen wir
nie mehr raus, ohne ihn auszugraben. Aber er kam so leicht hoch, als hätte nie
ein Lüftchen geweht.
YACHT:
Glaubt ihr, daß ihr das richtige Boot für so eine Weltreise habt?
CLAES:
Ja, wir sind damit ganz zufrieden. Ich glaube, daß die normalen Serienboote
nicht sehr fürs Fahrtensegeln geeignet sind. Man sagt zwar, daß vor dem Wind
alles läuft,
aber das stimmt nicht. Auf diesem Kurs hätte ich zu “Kuan Yin" oder dem
unseren viel mehr Vertrauen als zu einem Serienboot, die ja alle mehr oder
weniger für das Regattasegeln ausgelegt sind. Ein langer Kiel gibt doch viel
mehr Kursstabilität und ist auch bequemer.
ROGER:
Wir bekamen für unser Geld ein gutes Schiff das sich bei jedem Wetter bewährt
hat. Es ist nicht das richtige Boot, um am Kap Hoorn rumzusegeln, was wir auch
gar nicht wollen.
ULF:
“Suzie II" ist hervorragend. Es ist ein Serienboot mit langem Kiel.
Kunststoff ist das beste. Beim Bau haben sie eine Menge Sonderwünsche von mir
berücksichtigt.
Extra-Verstärkungen und so weiter.
ROGER:
Ich glaube nicht, daß sich auch nur eines dieser modernen Rennboote für das
Fahrtensegeln eignet. Die sind dafür nicht gebaut. Wir haben da schon schlimme
Sachen gesehen.
ULF:
Diese modernen Konstruktionen mit der großen Breite, kurzem Kiel und freihängendem
Ruder sind Selbstmordboote.
YACHT:
Glaubt ihr, daß Fahrtensegler von der Regattasegelei nichts lernen können?
ROGER:
Doch, wir können lernen, daß man mit solchen Schiffen nicht aufs offene Meer
rausfahren soll.
CLAES:
Wir haben doch einen Gewinn von der Regattasegelei. Es werden immer wieder
leichte, aber starke Konstruktionen entwickelt. Das kommt letzten Endes auch uns
zugute.
ROGER:
Wir sollten viel mehr von den Berufsseeleuten wie den Fischern lernen: Wie deren
Boote sich in der rauhen Nordsee bewähren, was für Dieselmaschinen sie
benutzen, wie deren Schiffe geriggt sind. Warum sollen wir nicht deren Blöcke,
Seeanker und Winschen auch benutzen? Da bist du besser dran und kommst viel
billiger weg.
CLAES:
Richtig. Ich hab' immer mit diesen teuren Yachtfarben rumgemacht. In Neuseeland
hab' ich den Fischern zugesehen. Die bringen einen einzigen Anstrich
Teer-Epoxi-Farbe auf. Unterhalb der Wasserlinie noch einen mit einfachem
Antifouling. Das war so einfach und billig und hat bei mir genausolang gehalten.
YACHT:
Habt ihr eine Versicherung für euer Boot?
ROGER:
Keine dieser Yachten hier von Übersee ist versichert. Die Prämien für die
offene See sind so hoch, da müßten wir die Fahrtensegelei aufgeben.
YACHT:
Wenn ihr die Reise noch einmal macht, was würdet ihr besser machen?
ROGER:
Anfangs haben wir zu wenig Geld fürs Schiff ausgegeben. Wir haben dann eine
Menge Zeit mit Arbeiten am Schiff gerade an den schönsten Plätzen verloren.
ULF:
Mein Fehler war, aus dem Pazifik herauszusegeln. Ich hätte die Südsee nie
verlassen dürfen. Das ist das letzte Paradies. (Allgemeine Zustimmung.) Ich
fahr' auch wieder dorthin. Nach dem Kap geht's nicht nach Europa zurück. Der
Kurs lautet wieder: Westindien.
Nachtrag:
Ard Scholas", 12-m-Kutter in Stahl. Eigenbau. Bob Millar, 34, Dreher aus Neuseeland. Ist mit Ehefrau Sheila auf dem Weg in seine frühere Heimat Schottland. Bob, der vor fünf Jahren noch keine Ahnung vom Schweißen hatte, baute fast das ganze Schiff selbst, von der Schale über die Tiefkühltruhe bis zu den Winschen. Bauzeit: Jede freie Minute — fünf Jahre lang. Bob investierte 12 000 Dollar, seine Arbeit nicht gerechnet. Nach Meinung von Sheila ist das Schiff nur fertig geworden, weil er in ihr die billigste Arbeitskraft von Neuseeland hatte. Ein volles Jahr brauchte sie, um die Schale innen mit der Stahlbürste zu reinigen. Bob und Sheila vollendeten ihre Weltumsegelung in Neuseeland, wo Sheila vor ein paar Jahren an einem Schlaganfall starb.
“Rik", 11,50-m-Slup, in England aus Stahl gebaut, 'Kimmkieler. Claes Honig, 43, Physiker aus Holland, und
Ehefrau Welmoed segelten früher Mehrrumpfboote, bevor sie mit “Rik" 1971 in Rotterdam zu ihrerTraumreise starteten. Kapverden, Westindien, Kolumbien, Ozeanien, Fidschi, Neuseeland, Australien, Timor, Seychellen und Mozambique waren die Stationen des 30 000SeemeilenTörns.
Die Karriere von RIK war damit noch lange nicht zu Ende. Claess und Welmoed beendeten Ihre Weltumsegelung und wanderten nach Amerika aus. Die RIK wurde an die Deutschen Karin und Jürgen Schulze-Röhl, einem Bundeswehroberst und Jetpilot der Luftwaffe, verkauft. Unter den neuen Eignern ist sie dann als KRIOS noch einige Male um die Welt gesegelt. Für diese Reisen bekamen die neuen Eigner die angesehene Auszeichnung "Blue Water Medal". Karin und Jürgen leben immer noch auf der KRIOS und sind derzeit in Asien, im Moment in Thailand.
“Kuan Yin", 11,50-m-Schoner, Mahagoni auf Eiche, 16 Jahre. Roger Glancy, 32, Fotograf, und Sheila kauften in Toronto/Kanada vor vier Jahren das etwas heruntergekommeneBoot für 8000 Dollar und steckten weitere 2000 hinein. Segelten dann 25 000 Seemeilen über Inland-Waterway, Virgin-Islands, Panama, Galapagos, Südsee, Australien, Indonesien nach Südafrika. Um zu vermeiden, daß ihm so eine gute Crew davonläuft, heiratete Roger seine Sheila gleich nach der Ankunft in Durban. Die Flitterwochen verbrachten sie auf einer einsamen Farm in den Bergen - eingeladen waren dazu 16 Yachties. Bob und Sheila ließen sich in Südafrika nieder und beendeten ihre Reise dort.
Bob wurde Manager in einer Marina, wo er auch heute noch ist.
“Suzie II", 10,80-m-Slup Kunststoff-Serienboot vom Typ Baccant IV. Ulf Peterson 34, Pilot aus Schweden. In unserer Gesprächsrunde der “alte Hase". Ist seit sechs Jahren — meist einhand — unterwegs. Während seiner Reise von Schweden nach Südafrika machte er längere Kreuzfahrten vor allem in den Gewässern von Fidschi, den Neuen Hebriden und Neuguinea. Seine Erfahrung
bezog er damals aus Törns über eine Gesamtdistanz von 45 000 Meilen. Ulf segelte noch einige Male um die Welt. In Südamerika fand man Ulf vor einigen Jahren in der Kajüte seiner Yacht tot auf. Man nimmt an, dass dies die Folge eines epileptischen Anfalls war, der Krankheit wegen der er als Pilot pensioniert worden war.
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