Wilfried Erdmann - zum achtzigsten Geburtstag am 15. April 2019
Lieber Wilfried,
als wir uns 1974 in Beaulieu getroffen haben, warst Du gerade mal eben 34 Jahre jung. Und mit Deiner Frau Astrid von einer Weltumsegelung zurückgekommen
(siehe auch Who-is-Who-im-Weltumsegeln). Du warst als Skipper per Segelyacht mit einer Gruppe von zahlenden Gästen unterwegs, die sich einen Spaß daraus machten, jeweils nach ihrer Hafenankunft im Bäckerladen lauthals zu fragen, wo sie denn jetzt gerade seien. Diesen Scherz hätte ein anderer so bloßgestellter Skipper womöglich nicht so amüsiert hingenommen. Aber Du konntest natürlich nur darüber schmunzeln - mit zwei Weltumsegelungen im Logbuch. Und nicht nur das, sondern obendrein auch mit der ersten deutschen Einhand-Weltumsegelung.
Allein der Umstand, dass Dir der damalige Präsident des Deutschen Seglerverbandes diese Einhand-Weltumsegelung in dem nur siebeneinhalb Meter langen, alten Holzboot Kathena zunächst nicht geglaubt hatte (inzwischen eine bekannte Episode der deutschen Segelgeschichte), zeigt, was für eine tolle, ja unglaubliche Leistung Du schon damals vollbracht hast. Und dabei war dies nur der Anfang einer Reihe von sensationellen Segel-"Touren" - ja, Du bist und warst, wolltest es gar nicht sein, kein Racer - die Dich zum bekanntensten Segler, Fahrtensegler Deutschlands gemacht haben. Damals, 1974, konnte man davon ausgehen, dass Du in diesen jungen Jahren schon erreicht hattest, was sich
fast alle Fahrtensegler als Lebensleistung erträumen und was kaum einem vergönnt ist.
Dabei war dies erst der Beginn einer Segel-Karriere, die ihresgleichen sucht, ja gerade in Deutschland einmalig ist und, da bin ich mir sicher, auch nie übertroffen werden wird. Du hast Dir den großen Traum der meisten Langfahrtsegler erfüllt, nämlich die Welt unter Segel nonstop zu "bezwingen", als Du 1984 in Deiner 10-Meter-Aluyacht Kathena Nui den Globus in West-Ost-Richtung südlich der stürmischen Kaps umrundet hast, ohne einen einzigen Mal anzulegen und an Land zu gehen. Bis 2019 war diese Leistung in Deutschland unerreicht - trotz zahlreicher, in der Presse groß angekündigter Versuche, die allesamt kläglich scheiterten, so unmöglich schienen derartige Unterfangen. Aber damit nicht genug! 2000 gelang Dir der gleiche Nonstop-Gewalttörn um die Welt nochmals, allerdings auf der wesentlich schwereren Route von Ost nach West, also gegen Strom und Wind.
Und was mich dabei zusätzlich beeindruckt: Du hattest es nicht nötig, Deinen Gewalttörns irgendwelche Slogans zu verpassen. Du hast Deine Reisen lautlos durchgezogen, ohne "Dich selbst zu finden" oder "auf die Verschmutzung der Meere" und Ähnliches aufmerksam zu machen, um den Törns einen edlen Anstrich zu verpassen. Oder gar Deine Unternehmungen per Crowdfunding von der Gemeinschaft finanzieren zu lassen. Nein, Du musstest es tun, weil diese Herausforderungen für einen echten Fahrtensegler schlicht "da waren". Für mich und für die allermeisten Segler in Deutschland bist Du auch deshalb, ich muss in Deinem Fall dieses abgedroschene Wort wählen, "der Größte"!
Lieber Wilfried,
obwohl Du es Dir nun im Lehnstuhl bequem machen und voller Befriedigung und Stolz auf ein so überreiches Leben zurückschauen könntest, meine ich: Eine Zukunft, die man positiv und beglückend gestalten kann, gibt es immer, unabhängig vom Alter. Und die wünsche ich Dir zum Achtzigsten von Herzen!
Bobby Schenk
